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SPD gewinnt Bremen-Wahl - Rot-Grün-Rot könnte weiterregieren

Seit fast 80 Jahren regieren die Sozialdemokraten in Bremen. Das könnte wohl auch künftig so bleiben. Einen heftigen Dämpfer müssen die Grünen hinnehmen.

Andreas Bovenschulte
SPD-Spitzenkandidat Andreas Bovenschulte hat Prognosen zufolge die meisten Stimmen erreicht. Foto: Sina Schuldt
SPD-Spitzenkandidat Andreas Bovenschulte hat Prognosen zufolge die meisten Stimmen erreicht.
Foto: Sina Schuldt

Die SPD hat die Wahl im Land Bremen mit großem Abstand gewonnen. Die Sozialdemokraten lagen am Sonntagabend nach Hochrechnungen von ARD und ZDF klar vor der CDU.

Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) könnte seine bisherige rot-grün-rote Koalition fortsetzen. Er kündigte aber an, nicht nur mit Grünen und Linken über ein Bündnis zu sprechen, sondern auch mit der CDU. Bovenschulte sprach von einem »grandiosen Ergebnis« für seine Partei, die seit fast 80 Jahren den Bürgermeister stellt.

Die mitregierenden Grünen landeten den Hochrechnungen zufolge auf Platz drei, jedoch mit deutlichen Verlusten. Dahinter folgten der dritte Koalitionspartner Linke und die rechtspopulistische Wählervereinigung Bürger in Wut (BiW), die stark zulegte. Die FDP schaffte knapp den Wiedereinzug in das Landesparlament, die Bremische Bürgerschaft. Die AfD war nicht zur Wahl zugelassen, weil sie zwei konkurrierende Wahllisten eingereicht hatte.

CDU bei 26 bis 26,7 Prozent

Den Hochrechnungen der Sender zufolge lagen die Sozialdemokraten mit 29,6 bis 29,9 Prozent vorn - sie konnten ihr historisch schlechtes Ergebnis von 2019 (24,9 Prozent) verbessern. Die CDU mit Spitzenkandidat Frank Imhoff kam auf 26 bis 26,7 Prozent (2019: 26,7). Die Grünen rutschten ab auf 11,3 bis 12,2 Prozent (17,4). Die Linke erreichte mit 10,9 Prozent in etwa das gleiche Ergebnis wie 2019 (11,3). Die Bürger in Wut legten stark zu auf 9,5 bis 9,7 Prozent (2,4). Die FDP nahm mit 5,2 Prozent nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde (5,9). Die Wahlbeteiligung wurde mit 57,4 bis 57,5 Prozent angegeben - weniger als 2019 mit 64,1 Prozent.

Die SPD erhält laut diesen Hochrechnungen 28 Sitze in der Bürgerschaft. Die CDU kommt auf 24 bis 25 Sitze, die Grünen kommen auf 10 bis 11. Die Linke bekommt 10 Mandate, die FDP 5 und die BiW 9.

Auch die Landeswahlleitung veröffentlichte eine Hochrechnung auf Basis der bis 22.20 Uhr ausgezählten Stimmzettel, die den Zahlen der Sender weitgehend entsprach.

SPD-Bundeschef Lars Klingbeil sagte, der Sieg gebe »Rückenwind auch für uns hier in Berlin«. Zur Koalitionsfrage sagte er: »Die brauchen keine Ratschläge von der Bundesebene.« Grünen-Spitzenkandidatin Maike Schaefer sprach von einem bitteren Ergebnis und sagte, sie scheue sich nicht, selbst Verantwortung zu übernehmen. Die Regierungskoalition wolle man aber fortsetzen. Grünen-Chef Omid Nouripour räumte ein, es habe »sicher keinen Rückenwind« von den Grünen im Bund gegeben. Es sei ein »Tag der Demut«.

Imhoff: »Wir wollen natürlich mitregieren«

CDU-Spitzenkandidat Frank Imhoff sagte, seine Partei stehe bereit für Sondierungsgespräche mit der SPD. »Wir wollen natürlich mitregieren.« Linken-Spitzenkandidatin und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt hofft auf schnelle Sondierungsgespräche, wie sie sagte. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai äußerte sich zuversichtlich, dass die FDP wieder in die Bürgerschaft einziehe. »Das war unser Hauptziel.«

Die rechtspopulistischen BiW profitierten davon, dass die AfD nicht zugelassen war. Sie ziehen nun erstmals in Fraktionsstärke in die Bürgerschaft ein. In Bremerhaven holten sie laut ARD-Prognose vom frühen Abend sogar 21,5 Prozent - gegenüber 8,5 Prozent in Bremen. Die AfD hatte bei der Wahl 2019 6,1 Prozent der Stimmen geholt. Die BiW verorten sich selbst zwischen CDU und AfD. Spitzenkandidat Piet Leidreiter sagte, die BiW hätten immer gute Realpolitik gemacht und ein eigenes konservatives Angebot gehabt.

Mit einem vorläufigen amtlichen Endergebnis wird am Mittwoch gerechnet - die Auszählung ist wegen des komplizierten Bremer Wahlsystems langwierig. In der Nacht zum Montag wollte die Landeswahlleitung noch eine amtliche Hochrechnung veröffentlichten, die erfahrungsgemäß nah am finalen Ergebnis ist.

Bovenschulte seit vier Jahren Bürgermeister

SPD-Spitzenkandidat Bovenschulte ist seit vier Jahren Bürgermeister und Präsident des Senats. Der 57-jährige promovierte Jurist war zuvor Bürgermeister der Nachbargemeinde Weyhe in Niedersachsen, aber von 2010 bis 2013 auch Vorsitzender der SPD in Bremen. Der fast zwei Meter große Rockmusik-Fan, genannt »Bovi«, gilt als Parteilinker. CDU-Spitzenmann Imhoff ist gelernter Landwirt und Landschaftspfleger und betreibt in fünfter Generation einen Bauernhof im Stadtteil Strom. Der 54-Jährige gehört der Bürgerschaft seit 1999 an.

Im kleinsten deutschen Bundesland, dem Zwei-Städte-Staat aus Bremen und dem kleineren Bremerhaven, waren rund 463.000 Menschen zur Wahl aufgerufen. Die einst reiche Hansestadt Bremen mit ihrer Tradition von Seefahrern und Kaufleuten hat einen harten Strukturwandel durchlitten und ist heute hoch verschuldet. Der Anteil von Bürgergeld-Empfängern, früher Hartz IV genannt, liegt laut Statistischem Bundesamt im Ländervergleich mit 17,1 Prozent am höchsten, und auch in der Rangliste der besten Bildungssysteme liegt Bremen laut INSM-Bildungsmonitor 2022 auf dem letzten Platz.

Mit 17,8 Prozent hat das Land nach Angaben des Bremer Sozialressorts im Ländervergleich den höchsten Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte unter den Wahlberechtigten - der bundesweite Durchschnitt liegt bei 11,5 Prozent. Doch ist das Land auch ein starker Wirtschaftsstandort - mit seinen Häfen, dem weltweit zweitgrößten Mercedes-Werk und Unternehmen der Luft- und Raumfahrt.

FDP blickte mit Spannung nach Bremen

In der Bundespolitik hatte vor allem die FDP gebannt nach Bremen geblickt, denn sie musste seit der Bundestagswahl 2021 eine wahre Niederlagenserie in den Ländern verkraften. Das hat die Stimmung in der Berliner Ampel-Koalition enorm gereizt.

Die Querelen um die Personalpolitik und das Heizungsgesetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bekam seine Partei in Bremen nun zu spüren. Bei der Linken dürfte die Bremen-Wahl als eine willkommene Abwechslung von der Dauerkrise der Bundespartei gesehen werden.

Für die CDU ist Bremen traditionell kein Heimspiel - im Bund schaut man daher eher auf die im Herbst anstehenden Wahlen in Bayern und Hessen. Dann ist fast ein Viertel der Wahlberechtigten in Deutschland zur Stimmabgabe aufgerufen.

© dpa-infocom, dpa:230514-99-682114/35