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»Siegesplan« und Friedensgipfel: Wie Selenskyj gewinnen will

Der ukrainische Präsident Selenskyj hofft bei seinem Treffen mit US-Präsident Biden auf Hilfe für einen Sieg Kiews im russischen Angriffskrieg. Dafür hat er einen Plan - Moskau reagierte schon vorab.

Wolodymyr Selenskyj und Joe Biden
Selenskyj will bei US-Präsident Biden einmal mehr unter anderem die Freigabe von reichweitenstarken Waffen für Angriffe auf militärische Ziele weit in russischem Hinterland erhalten. (Archivbild) Foto: Susan Walsh/DPA
Selenskyj will bei US-Präsident Biden einmal mehr unter anderem die Freigabe von reichweitenstarken Waffen für Angriffe auf militärische Ziele weit in russischem Hinterland erhalten. (Archivbild)
Foto: Susan Walsh/DPA

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wirbt bei Gesprächen in den USA für den von ihm erdachten »Siegesplan« im Kampf gegen den russischen Angriffskrieg. Der Plan solle eine Brücke schlagen zu einem zweiten Friedensgipfel, zu dem auch Russland eingeladen werden soll, sagte Selenskyj vor einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden. Er hatte sich für Gespräche mit Russland ausgesprochen. Das bisher nicht veröffentlichte Dokument ist aber auch Gegenstand von Kritik. Hier einige Fragen und Antworten zum Stand der Dinge:

Was ist bekannt über den »Siegesplan«?

Nach Medienberichten geht es um ein Papier aus vier bis fünf Punkten, die sich weniger als ein Plan, als vielmehr wie eine weitere der regelmäßig von Kiew im Westen vorgelegten Wunschlisten lesen. Der Chef von Selenskyjs Büro, Andrij Jermak, bestätigte in New York, dass eine Einladung der Ukraine in die Nato ein wichtiger Punkt für das Land sei. Kiew erhofft sich die Ausweitung der Beistandsgarantien des westlichen Militärbündnisses auf die Ukraine. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass sich der Westen darauf einlässt.

Dazu soll Kiew den unbestätigten Berichten nach auf Lieferung von »spezifischen« Waffen bestehen. Selenskyj hat in den vergangenen Wochen regelmäßig auf eine Freigabe für den Einsatz von weitreichenden Raketen gegen Ziele auf russischem Staatsgebiet gedrängt - bisher ohne Erfolg. Zudem soll die Liste auch eine Ausweitung der westlichen Finanzhilfen beinhalten. Selenskyj hat immer wieder erklärt, dass das Land den Krieg ohne westliche Unterstützung nicht gewinnen könne.

Und Kiew will dem Vernehmen nach nicht zuletzt den westlichen Segen für weitere Bodenoperationen im russischen Grenzgebiet Kursk. Dort halten ukrainische Truppen Dutzende Ortschaften besetzt. Selenskyj wollte so den Verhandlungsdruck auf Russland erhöhen. Allerdings erklärte Moskau, dass die ukrainische Invasion Verhandlungen eher unwahrscheinlich machen und die Region bald komplett befreit werde von der russischen Armee.

Wie sind die Reaktionen bisher auf Selenskyjs Vorstoß?

In der Ukraine entbrannten teils wilde Spekulationen über den eigentlichen Zweck der bisher vor allem medial geführten Kampagne Selenskyjs. Und es halten sich Zweifel am Vorhandensein eines echten »Siegesplans«. 

Der gegenüber Ex-Präsident Petro Poroschenko loyale Ex-Generalstaatsanwalt und frühere Innenminister Jurij Luzenko bezeichnete den Plan als »unrealistisch«. Selenskyj könnte demnach einfach hoch pokern, um am Ende dem Westen eine Schuld an der Niederlage des Landes zu geben. Bei Facebook schrieb Luzenko: »Es sieht so aus, als ob der maximalistische Siegesplan nur dafür geschrieben wurde, um die bekanntermaßen unmögliche Unterstützung nicht zu erhalten, die Verbündeten des Verrats zu bezichtigen und zu Verhandlungen mit Russland überzugehen.« 

Der wegen des Vorwurfs des Hochverrats in Untersuchungshaft sitzende Parlamentsabgeordnete Olexander Dubinskyj verglich Selenskyj mit einem Zauberkünstler, der ständig dem Publikum verspreche, einen weißen Hasen aus dem Zylinder zu ziehen, den Trick aber schuldig bleibe. Ebenso warf er dem Präsidenten vor, seinen »Siegesplan« dem Hauptbetroffenen, dem ukrainischen Volk, vorzuenthalten. Auch Kanzler Olaf Scholz, der wichtigste Verbündete in der EU, habe Selenskyj beim Treffen in New York den Plan nicht vorgestellt, kritisierte der aus der Präsidentenpartei ausgeschlossene Politiker.

Wie soll Frieden erreicht werden?

Bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung pochte Selenskyj einmal mehr auf Umsetzung seines bereits seit Ende 2022 diskutierten Friedensplans. Initiativen anderer Länder wie China und Brasilien hatte er zurückgewiesen. Ein Kernpunkt seines Friedensplans ist der Abzug russischer Truppen aus allen besetzten Gebieten der Ukraine, einschließlich der bereits 2014 von Moskau annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Der Plan bildete auch die Grundlage für den Friedensgipfel in der Schweiz im Juni, zu dem Russland nicht eingeladen war. Die Kriegsparteien bezichtigen sich immer wieder gegenseitig, nicht an Verhandlungen interessiert zu sein und den Kampf lieber auf dem Schlachtfeld auszutragen.

Zu einem zweiten Gipfel soll Russland eingeladen werden, wie Kiew erklärte. Allerdings machte Moskau bereits mehrfach deutlich, dass sich Russland von einem solchen Treffen der Verbündeten der Ukraine keine Bedingungen für ein Kriegsende diktieren lasse. Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte auch im Zuge von Selenskyjs Auftritten und Äußerungen in den USA, dass sich Russland nicht zu einem Frieden zwingen lasse, sondern vielmehr an seinen Kriegszielen festhalte. Ein zentrales Ziel der Invasion ist für Moskau, einen Nato-Beitritt Kiews zu verhindern.

Wie steht es um mögliche Gebietsabtretungen der Ukraine?

Der mögliche Verzicht der Ukraine auf Gebiete ist immer wieder Gegenstand von Debatten um eine Lösung des Konflikts. Kremlchef Wladimir Putin, der den Krieg im Februar 2022 begonnen hatte, zeigte sich wiederholt demonstrativ verhandlungsbereit und forderte die Ukraine etwa zum Verzicht auch auf Gebiete auf, die bisher noch nicht von Russland kontrolliert werden.

Dagegen hatten Selenskyj und das ukrainische Außenministerium einen Gebietsverzicht, auch nur vorübergehender Art, oder ein Einfrieren des Konflikts als Teil einer friedlichen Lösung wiederholt kategorisch ausgeschlossen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte in New York, dass es keine Alternative zu einem Sieg Moskaus in dem Krieg gebe - und auch der Westen keine andere Sprache verstehe.

 

 

© dpa-infocom, dpa:240926-930-243758/1