Drei kleine Wörter aus dem Mund von Papst Franziskus haben bei Katholiken in Deutschland und der Welt Sorgen um Benedikt XVI. geweckt. »È molto ammalato« - er sei »sehr krank«, sagte Franziskus über seinen Vorgänger, den emeritierten Papst. Er rief alle Gläubigen zu einem »besonderen Gebet« für Benedikt auf. »Denkt an ihn, er ist sehr krank. Und bittet den Herrn, ihn zu trösten und zu unterstützen in diesem Zeugnis der Liebe zur Kirche - bis zum Ende«, sagte Franziskus bei der Generalaudienz im Vatikan.
Danach besuchte der Argentinier den früheren Pontifex im Kloster Mater Ecclesiae in den Vatikanischen Gärten, wo Benedikt seit seinem Rücktritt im Jahr 2013 relativ abgeschieden lebt. Das teilte Matteo Bruni, der Sprecher des Heiligen Stuhls, anschließend mit. Benedikts Gesundheitszustand habe sich in den vergangenen Stunden verschlechtert, hieß es in der Mitteilung weiter. Doch sei die Situation »für den Moment unter Kontrolle«. Der emeritierte Papst aus Deutschland werde permanent von Ärzten überwacht, sagte Bruni.
Experten, Vertraute und Gläubige rätselten daraufhin, wie schlimm es um die Gesundheit des 95-Jährigen wirklich steht. Die italienische Nachrichtenagentur Ansa meldete unter Berufung auf informierte Kreise, dass es Benedikt seit ein paar Tagen schlechter gehe und dass schon vor Weihnachten bei ihm Atemprobleme eingesetzt hätten. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.
»Stabil in der Schwäche«
Schon seit langer Zeit weiß man, dass Benedikt körperlich schwach ist und es ihm sehr schwer fällt zu sprechen. »Stabil in der Schwäche«, so beschrieb sein langjähriger Vertrauter und Privatsekretär Georg Gänswein den physischen Zustand des Papa Emeritus. Geistig aber sei Benedikt weiterhin fit, hieß es oft. In unregelmäßigen Abständen bekam er auch noch Besuch. Anfang Dezember etwa empfing Benedikt die diesjährigen Gewinner des Ratzinger-Preises, den die Vatikanische Stiftung Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. im Namen emeritierten Papstes an Theologen und Wissenschaftler vergibt.
Als »sicherlich sehr besorgniserregend« wertete Benedikt-Biograf Peter Seewald die Berichte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Benedikt selbst sehne sich seit langem nach seinem »Heimgang«, sagte er. »Die Lage ist sicher sehr ernst«, sagte wiederum der langjährige Weggefährte und Theologe Wolfgang Beinert. »Bei einem Mann, der auf die 100 zugeht, ist das aber nicht überraschend.«
Aufruf zum Gebet
Etwas überraschend waren am Mittwoch aber die Aussagen von Franziskus ganz am Ende der Generalaudienz. Der Argentinier ist bekannt für seine oft spontanen Kommentare. Vatikan-Experten waren sich uneins darüber, ob Franziskus wirklich meinte, dass Benedikt schwer erkrankt sei oder ob er vielleicht nur sagen wollten, dass er aufgrund des hohen Alters sehr schwach sei. Dass er den Vorgänger im Kloster besuche, ist an Weihnachten nicht ungewöhnlich. In einem Tweet wiederholte Franziskus später die Bitte, für Benedikt zu beten. Dass dieser »sehr krank« sei, stand dann aber nicht mehr in dem Beitrag.
Unabhängig davon riefen auch andere Geistliche dazu auf, für Benedikt zu beten. »Ich schließe mich dem Gebetsaufruf von Papst Franziskus an«, sagte Georg Bätzing, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. »Meine Gedanken sind beim emeritierten Papst. Ich rufe die Gläubigen in Deutschland auf, für Benedikt XVI. zu beten«, ergänzte der Bischof von Limburg gegenüber der dpa. Auch die italienische Bischofskonferenz schloss sich dem Aufruf Franziskus' zum Gebet an: »In diesem Moment des Leidens und der Prüfung versammeln wir uns um den emeritierten Papst«, sagte ihr Chef, der Erzbischof von Bologna, Kardinal Matteo Zuppi.
Der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, sagte am Morgen im oberbayerischen Bad Tölz bei der diözesanen Eröffnung der Sternsingeraktion 2023, er kenne die Nachricht über den Zustand Benedikts. »Aber für uns gilt, dass wir im Gebet verbunden sind.« Er habe Benedikt, einer von Marx' Vorgängern im Amt, im September zuletzt persönlich gesehen. Regensburgs Bischof Rudolf Voderholzer reagierte mit »großer Sorge« auf die Nachrichten aus Rom.
Erster deutscher Papst seit fast 500 Jahren
Der am 16. April 1927 im bayerischen Marktl am Inn geborene Joseph Ratzinger war 2005 zum Papst und Nachfolger von Johannes Paul II. gewählt worden. Er war der erste deutsche Papst seit fast 500 Jahren. 2013 folgte dann der spektakuläre Rücktritt - Benedikt war der erste, der nach mehr als 700 Jahren sein Pontifikat wieder aufgab. Er begründete den Schritt mit seinem fortgeschrittenen Alter und seiner angeschlagenen Gesundheit - ihm fehlten die Kräfte für das anspruchsvolle Amt, sagte er damals.
Eigentlich hatte er gar nicht Papst werden wollen, erzählte er selbst später. Als Nachfolger des charismatischen Polen Karol Wojtyla, des »Jahrhundert-Papstes« Johannes Paul II., hatte er es nicht leicht. Zu vielen Gläubigen hatte der eher scheue Intellektuelle, der zuvor mehr als zwei Jahrzehnte lang Präfekt der Glaubenskongregation und damit oberster Hüter der katholischen Glaubenslehre war, keinen Draht gefunden. Als er fünf Jahre Papst war, stürzte die katholische Kirche in eine ihrer schwersten Krisen: Schrittweise kamen ab 2010 jahrzehntelanger Kindesmissbrauch und Vertuschung ans Licht.
Konfrontiert mit Missbrauchsskandalen
Bis ins hohe Alter und auch nach dem Rücktritt blieb Benedikt mit Missbrauchsskandalen konfrontiert. Ein Gutachten von Anfang 2021 warf ihm vor, in seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising in vier Fällen von sexuellem Missbrauch eines Geistlichen an Kindern und Jugendlichen Fehler gemacht zu haben. In einem öffentlichen Brief entschuldigte sich Benedikt später bei allen Opfern.
Öffentliche Auftritte gab es von Benedikt zuletzt nicht mehr. Seinen 90. Geburtstag feierte er 2017 noch einmal mit einer Delegation aus der bayerischen Heimat. Danach empfing er Besuch im Kloster Mater Ecclesiae nur noch vereinzelt. In den letzten Jahren befand er sich nach eigenen Worten auf einer Pilgerreise »nach Hause«.
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