Bundeskanzler Olaf Scholz will die Ukraine trotz zunehmender wirtschaftlicher Probleme im eigenen Land so lange wie nötig unterstützen. »Wir werden so lange solidarisch sein - das ist jedenfalls mein Wunsch - wie das notwendig ist, damit die Ukraine sich verteidigen kann gegen den furchtbaren und brutalen russischen Angriff«, sagte er in der ZDF-Sendung »Maybrit Illner«.
Für eine gerechtere Verteilung der Krisenlasten über Steuererhöhungen sieht Scholz keine Chance - auch wenn er selbst dafür wäre. Es gebe aber keine Mehrheit dafür im Bundestag, räumte der Kanzler mit Blick auf den Koalitionspartner FDP ein. »Das ist etwas, wo unterschiedliche Überzeugungen existieren.«
Scholz stellte sich in der Sendung den Fragen mehrerer Bürger. Neben einem Bäcker-Ehepaar, einem Intensivpfleger, und einer Studentin und Klimaschützerin zählte dazu die mit ihrem Sohn aus Kiew geflüchtete ukrainische Publizistin Kateryna Mishchenko. Sie wollte von Scholz vor allem wissen, ob er angesichts steigender Preise und des drohenden Gasmangels in Deutschland mit anhaltender Solidarität für ihr Land rechne.
Scholz verteidigt Sanktionen gegen Russland
Scholz antwortete, dass Deutschland auch um seiner selbst willen zu dieser Solidarität verpflichtet sei, weil in der Ukraine Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gegen die russischen Angreifer verteidigt würden. »Wir können nicht akzeptieren, dass ein Land seinen Nachbarn überfällt und sagt, ich klaue mir ein Stück von der Fläche, die gehört jetzt mir.«
Die gegen Russland verhängten Sanktionen verteidigte Scholz. Politiker von Linken und AfD hatten zuletzt gefordert, Strafmaßnahmen gegen Russland aufzuheben oder auch die Gaspipeline Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen, um einen Energie-Notstand abzuwenden. Es gibt Befürchtungen, dass Russland schon im Juli die Gaslieferungen nach Deutschland ganz einstellen könnte, von denen Deutschland weiterhin stark abhängt. Im Zuge des Ukraine-Kriegs sind die Preise für Energie, aber zum Beispiel auch für Lebensmittel deutlich gestiegen.
Kanzler stellt weitere Entlastungen in Aussicht
Scholz stellte den Bürgern weitere Entlastungen in Aussicht. »Das wollen wir aber nicht irgendwo in so einer Stube im Kanzleramt machen, sondern das wollen wir mit allen besprechen«, sagte er mit Blick auf die sogenannte konzertierte Aktion, bei der Scholz mit Gewerkschaften und Arbeitnehmern über die Krisenbewältigung spricht. Scholz sagte aber auch: »Wir werden nicht alle Preise runtersubventionieren können (...). Das kann kein Staat der Welt.«
Steuererhöhungen, wie sie von Politiker von SPD und Grünen gefordert werden, sieht Scholz allerdings nicht kommen. Im Gespräch ist vor allem eine Übergewinnsteuer für Mineralölkonzerne, die stark von den hohen Energiepreisen profitieren. Zuletzt hatten sich am Wochenende SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und die Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt im »Spiegel« dafür ausgesprochen. An diesem Freitag stimmt auch der Bundesrat über einen Vorstoß der Länder Bremen, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen zur Besteuerung sogenannter Übergewinne ab. Die FDP schließt Steuererhöhungen allerdings kategorisch aus.
Scholz: »Der Staatsbankrott steht wirklich nicht bevor«
Befürchtungen, Deutschland könne in einen Staatsbankrott steuern, wies Scholz vehement zurück. »Wenn es normal weiterläuft, werden wir in relativ kurzer Zeit das Schuldenniveau wieder erreichen, das wir vor der Corona-Krise hatten, also auf 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zurückkommen«, sagte er. Die deutsche Volkswirtschaft sei dafür stark genug. »Der Staatsbankrott steht wirklich nicht bevor«, betonte der Kanzler. »Im Vergleich zu anderen Ländern werden wir ganz gut rauskommen.«
Klimaschützerin: »Warum hauen sie da nicht mal auf den Tisch«
Die Studentin Rifka Lambrecht warf Scholz vor, den Klimaschutz aus dem Blick zu verlieren und zu viel Rücksicht auf den Koalitionspartner FDP beim Thema Verkehrswende zu nehmen: »Warum hauen Sie da nicht mal richtig auf Tisch?« Scholz wies die Vorwürfe zurück: »Mein Engagement ist in dieser Frage sehr, sehr groß (...) Deutschland wird das Land mit dem größten Tempo sein.«
Das grüne EU-Label für Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke kritisierte der Kanzler. »Ich fand das immer falsch«, sagte er. Die Bundesregierung habe dagegen gestimmt, die Regelung aber nicht mehr verhindern können. Man habe dann dafür gesorgt, »dass es noch halbwegs so zu uns passt«. Scholz betonte: »In Deutschland sind wir uns völlig einig, dass Atomenergie nicht grün ist.«
Im EU-Parlament hatte sich am Mittwoch eine Mehrheit hinter das Öko-Label-Vorhaben gestellt. Konkret geht es dabei um einen ergänzenden Rechtsakt zur sogenannten Taxonomie der EU. Sie ist ein Klassifikationssystem, das private Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten lenken und so den Kampf gegen den Klimawandel unterstützen soll.
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