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Scholz sieht neue Dynamik bei EU-Aufnahme des Westbalkans

Seit fast zwei Jahrzehnten warten die Staaten des Westbalkans auf einen Beitritt zur Europäischen Union. Bislang hat sich wenig getan. Jetzt verspricht Olaf Scholz, dass sich etwas bewegen soll.

Olaf Scholz und Dimitar Kovacevski
Kanzler Olaf Scholz (l) macht Nordmazedoniens Ministerpräsident Dimitar Kovacevski Hoffnung auf einen EU-Beitritt. Foto: Michael Kappeler
Kanzler Olaf Scholz (l) macht Nordmazedoniens Ministerpräsident Dimitar Kovacevski Hoffnung auf einen EU-Beitritt.
Foto: Michael Kappeler

Bundeskanzler Olaf Scholz sieht eine neue Dynamik im seit Jahren stockenden Prozess für die Aufnahme der sechs Staaten des westlichen Balkans in die Europäische Union. Er kündigte am Samstag hierfür verstärkte Anstrengungen der Bundesregierung an.

»Der Berlin-Prozess, in dem seit vielen Jahren versucht wird, diese Entwicklung voranzubringen, wird neu belebt werden«, sagte er in Sofia. »Alle haben mich dazu aufgefordert. Wir werden dieser Forderung entsprechen.«

Scholz hatte am Freitag und Samstag die drei Westbalkan-Staaten Kosovo, Serbien und Nordmazedonien sowie die Anrainer Bulgarien und Griechenland besucht. Zum Westbalkan zählen außerdem Albanien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina. Der Kanzler sieht infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine auch eine neue Bereitschaft bei vielen anderen EU-Mitgliedsstaaten, »dass sie diesen Weg des westlichen Balkans in die Europäische Union aktiver unterstützen als das viele Jahre lang der Fall war«.

Scholz: »Keine unüberwindbaren Probleme«

Scholz sagte zum Abschluss der Reise, es gebe viele Probleme auch zwischen den Ländern in der Region. »Die sind bekannt. Aber es sind keine unüberwindbaren Probleme.« Er habe sich in den Gesprächen darum bemüht, »dazu beizutragen, dass alle zueinander kommen«. Dies sei auch möglich. Der Kanzler betonte, »dass all die vielen Einwände, die sich da wechselseitig über viele Jahre hin aufgebaut haben, weggepackt werden müssen, so dass man zueinander kommt«.

Das gelte für das Verhältnis von Nordmazedonien und Bulgarien ebenso wie für die Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien. »Auch dort ist klar, dass es nur einen gemeinsamen Weg geben kann. Und ich habe den Eindruck, dass wir Fortschritte erreicht haben.« Es könne nicht irgendwer in Brüssel oder in Berlin entscheiden, was richtig sei, sagte Scholz. »Wir können nur einen ganz starken Beitrag leisten, Prozesse, die jahrelang blockiert waren, zu entblockieren, dafür zu sorgen, dass neue Dynamik in die Dinge kommt. Und das scheint mir gelungen zu sein.«

Der Kanzler hatte zuvor in Skopje die sofortige Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien gefordert, die bislang aber von Bulgarien blockiert werden. »Die vor zwei Jahren fest zugesagten Beitrittsverhandlungen müssen jetzt beginnen. Ich werde mich jedenfalls dafür stark machen«, sagte der SPD-Politiker nach einem Gespräch mit Nordmazedoniens Regierungschef Dimitar Kovacevski. »Mein Wunsch: Es soll jetzt klappen.«

Nordmazedonien erwartet Bestätigung

Er bekräftigte, dass es Deutschland ernst meine mit der Integration des Westbalkans in die Europäische Union. »Die EU steht besonders gegenüber Nordmazedonien im Wort, das alle Voraussetzungen für den Beginn der Beitrittsverhandlungen erfüllt hat.« Vor knapp 20 Jahren sei den sechs Ländern der EU-Beitritt in Aussicht gestellt worden. Man habe »als Europäische Union hier auch eine Verpflichtung, die Glaubwürdigkeit unserer eigenen Versprechungen umzusetzen und zu realisieren«.

Kovacevski machte deutlich, dass sein Land vom EU-Gipfel im Juni eine Bestätigung für den Beginn der Beitrittsverhandlungen erhalten wolle. »Wir erwarten uns einen Schritt, den wir verdient haben.« Nordmazedonien habe große Anstrengungen unternommen und Verwaltung und Justiz reformiert. Auch Scholz erkannte an, dass die Bürger und die Regierung des Landes »sehr hart gearbeitet« hätten, um den Weg für Beitrittsverhandlungen frei zu machen. Nun sollte für diese Anstrengungen die Ernte anstehen. Scholz ermunterte das Land, den eingeschlagenen Reformweg weiter zu gehen.

Zugleich würdigte Scholz, dass Nordmazedonien die EU-Positionen und Sanktionen gegenüber Russland voll mittrage. »Das ist ein weiterer Beleg dafür, wie fest Nordmazedonien auf dem Grund europäischer Werte steht und auch bereit ist, dafür einzustehen.«

Bulgarien blockiert

Nordmazedonien ist seit 17 Jahren EU-Beitrittskandidat. Im Juli 2020 gab die EU-Kommission im Prinzip grünes Licht für konkrete Verhandlungen. Diese werden aber von Bulgarien wegen eines Streits um Geschichtsschreibung und Rechte der bulgarischen Minderheit in Nordmazedonien blockiert.

Kovacevski sagte in der Pressekonferenz mit Scholz dazu: »Wir sehen, es gibt politische Turbulenzen in Bulgarien, wir haben darauf keinen Einfluss, wir können das nicht kommentieren oder interpretieren.« Es sei aber augenscheinlich, dass diese Frage im Nachbarland zu einer innenpolitischen Frage geworden sei und »oft einseitig instrumentalisiert und politisiert« werde. Zugleich seien aber die Außenministerien beider Länder in einem Gesprächsprozess, um die Hindernisse auszuräumen.

Der bulgarische Regierungschef Kiril Petkow beharrte aber später beim Treffen mit Scholz auf den Vorbedingungen seines Landes für den Beginn von EU-Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien. Dafür müsste unter anderem durch die EU garantiert werden, dass die in Nordmazedonien lebenden Bulgaren in die Verfassung aufgenommen werden, damit ihre Rechte eingehalten würden, sagte er.

© dpa-infocom, dpa:220609-99-610026/19