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Scholz in London: Einigkeit mit Johnson zur Ukraine

Die Regierungschefs zeigen sich schockiert über die russischen Attacken und kündigen weitere Schritte gegen Moskau und Waffenlieferungen für die Ukraine an. Zu den Wünschen aus Kiew bleiben sie aber vage.

Kanzler Scholz in London
Bundeskanzler Olaf Scholz und Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, in dessen Amtssitz, Downing Street NO.10. Foto: Michael Kappeler
Bundeskanzler Olaf Scholz und Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, in dessen Amtssitz, Downing Street NO.10.
Foto: Michael Kappeler

Viel Lächeln und gegenseitiges Schulterklopfen: Beim Antrittsbesuch des Bundeskanzlers in der Londoner Downing Street am Freitag haben Olaf Scholz und der britische Premier Boris Johnson einen Schulterschluss gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin demonstriert.

Angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine waren beide Seiten sichtlich bemüht, die Brexit-Querelen hinter sich zu lassen und ein starkes Signal der Einigkeit nach Moskau zu senden. Trotzdem dürfte der Auftritt aus ukrainischer Sicht enttäuschend gewesen sein.

Zwei unterschiedliche Politiker-Typen

Wie unterschiedlich die Politiker-Persönlichkeiten Scholz und Johnson sind, zeigte sich schon bei der Begrüßung. Während Scholz dem Briten vor den Kameras die Corona-Faust zum Gruß bot, streckte Johnson dem Deutschen die offene ausgestreckte Hand entgegen. Scholz zögerte nur kurz - dann schüttelten sich beide die Hand. Corona-Masken scheinen in London ebenfalls so gut wie tabu: Kaum jemand trägt sie.

Scharfe Kritik an Angriffen auf Zivilisten

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Nachmittag verurteilten die beiden Regierungschefs den jüngsten russischen Angriff auf Zivilisten mit Dutzenden Toten in der ostukrainischen Stadt Kramatorsk als Kriegsverbrechen. »Die Verantwortung trägt der russische Präsident«, sagte Scholz. Er appellierte an Kremlchef Wladimir Putin, einen Waffenstillstand auszurufen. »Der Krieg muss aufhören, und zwar sofort.« Russlands Verbrechen blieben nicht unbemerkt, mahnte Johnson.

Waffenlieferungen

Trotz weiterer Zusagen über Waffenlieferungen an Kiew blieben Scholz und Johnson zu den konkreten Wünschen über schwere Waffen wie Panzer im Vagen. Großbritannien werde weitere Waffen im Wert von 100 Millionen Pfund (umgerechnet rund 120 Millionen Euro) an die Ukraine schicken, sagte Johnson, darunter auch die Boden-Luft-Raketen vom Typ Starstreak und fügte hinzu: »Ich würde definitiv zustimmen, dass unsere beiden Länder und unsere Verbündeten noch weiter gehen müssen und der Ukraine mehr Hilfe zukommen lassen müssen.«

Scholz äußerte sich zu der vom ukrainischen Botschafter in Deutschland geforderten Lieferung von Schützenpanzern des Typs »Marder« nur zurückhaltend. »Es ist so, dass wir uns bemühen, die Waffen zu liefern, die hilfreich sind und gut eingesetzt werden können. Das haben wir in der Vergangenheit gemacht, das werden wir auch weiter tun«, sagte der Kanzler. Das seien vor allem Panzerabwehr- und Luftabwehrwaffen und Munition gewesen.

Sanktionen nach Ansicht von Scholz »hochwirksam«

Scholz hält die westlichen Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine für »hochwirksam«. Mit dem Einfrieren von Vermögenswerten werde auch die Moskauer »Machtclique« getroffen, sagte der SPD-Politiker.

Scholz verteidigte zudem die deutsche Position, nicht sofort auf alle Gaslieferungen aus Russland zu verzichten. Man arbeite hart daran, sich von der Abhängigkeit aus Moskau zu lösen, so Scholz. Rückendeckung erhielt er von Johnson, der die deutschen Bemühungen ausdrücklich lobte. Man habe sich darauf geeinigt, das Potenzial der Nordsee maximal auszuschöpfen und bei der Energiesicherheit und Erneuerbaren Energien zusammenzuarbeiten, betonte Johnson.

Was bringen Gespräche mit Putin?

Scholz verteidigte die Gespräche des französischen Präsidenten Emmanuel Macron mit Kremlchef Wladimir Putin gegen scharfe Kritik aus Polen. »Die Kritik an dem französischen Präsidenten ist unberechtigt, um da sehr klar zu sein«, sagte der Kanzler. Scholz sprach sich klar dafür aus, trotz der mutmaßlich russischen Kriegsgräuel in der Ukraine auch weiterhin mit Putin im Gespräch zu bleiben. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte Macron kürzlich wegen dessen Telefonaten mit Putin vorgehalten, es habe auch niemand mit Adolf Hitler verhandelt.

Scholz sagte nun, Macron versuche, mit den Gesprächen, die dieser mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Putin führe, »seinen Beitrag dazu zu leisten, dass wir eine Chance haben für einen Waffenstillstand, für den Rückzug der russischen Truppen«. Er wisse das, weil er sich sehr oft mit Macron über diese Fragen austausche - genau wie mit Johnson und US-Präsident Joe Biden und anderen. Er machte jedoch auch klar: »Über die Ukraine verhandeln die Ukrainer. Und niemand wird sie in dieser Frage ersetzen.« Man werde sie aber »unterstützen, stärken und dazu beitragen, dass sie eine gute Verhandlungsposition haben - mit dem, was wir an militärischer Unterstützung leisten, mit dem, was wir an finanzieller Unterstützung leisten und mit den Sanktionen«.

© dpa-infocom, dpa:220408-99-844013/5