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Russland zieht offenbar weitere Soldaten von der Krim zurück

Mehr als Hunderttausend russische Soldaten sind nach Erkenntnissen des Westens nahe der Grenze zur Ukraine zusammengezogen worden. Moskau kündigt an, weitere Einheiten abzuziehen. Ein Einlenken?

Militärfahrzeuge
Ein Konvoi gepanzerter russischer Fahrzeuge Mitte Januar auf einer Autobahn auf der Krim. Foto: AP/dpa
Ein Konvoi gepanzerter russischer Fahrzeuge Mitte Januar auf einer Autobahn auf der Krim. Foto: AP/dpa

Washington (dpa) - Russland setzt inmitten des Konflikts mit der Ukraine seinen angekündigten teilweisen Truppenabzug nach dem Ende von Manövern fort.

Mehrere Einheiten, die an Übungen auf der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim beteiligt waren, kehrten nun zu ihren Standorten zurück, teilte das Verteidigungsministerium mit. Die Staatsagentur Ria Nowosti veröffentlichte ein Video, das einen Zug bei Dunkelheit mit Panzern und anderen Militärfahrzeugen auf der Krim-Brücke zeigt.

Die Brücke führt von der Halbinsel, die sich Russland 2014 einverleibt hatte, aufs russische Festland. Nicht mitgeteilt wurde zunächst, um wie viele Soldaten es sich handelt. Auf der Halbinsel ist zudem Militär dauerhaft stationiert.

Das Ministerium hatte gestern vor dem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz bei Russlands Staatschef Wladimir Putin in Moskau einen teilweisen Abzug von Soldaten im Süden und Westen des Landes angekündigt. Der Westen reagierte zurückhaltend darauf. Andere Manöver wie die Übung im Nachbarland Belarus liefen aber weiter.

Biden: Angriff auf Ukraine noch immer möglich

US-Präsident Joe Biden hält die befürchtete russische Invasion in der Ukraine weiter für möglich. Zu den Meldungen der russischen Regierung, einige Militäreinheiten zögen von der ukrainischen Grenze ab, sagte Biden gestern: »Das wäre gut, aber wir haben das noch nicht verifiziert.« Ein Einmarsch sei noch immer eine klare Möglichkeit. Falls Russland sich für den Weg der Gewalt entscheide, würden die USA schnell und entschlossen handeln, drohte Biden in Richtung Kreml.

US-Präsident wirbt für diplomatische Lösung

Ähnlich wie Scholz in Moskau warb auch Biden erneut für eine diplomatische Lösung im Ukraine-Konflikt. »Wir sollten Diplomatie jede Chance auf Erfolg geben«, sagte er. »Die Vereinigten Staaten und die Nato stellen keine Bedrohung für Russland dar. Die Ukraine bedroht Russland nicht.« Die USA versuchten auch nicht, Russland zu destabilisieren. Auch an die Bürgerinnen und Bürger Russlands richtete Biden eine Botschaft: »Sie sind nicht unser Feind.« Man suche keine direkte Konfrontation mit Russland.

Biden zufolge hat Russland mittlerweile mehr 150.000 Soldaten unweit der ukrainischen Grenze zusammengezogen. Ein Einmarsch in die Ukraine bleibe also durchaus möglich. »Deshalb habe ich mehrfach darum gebeten, dass alle Amerikaner in der Ukraine jetzt abreisen, bevor es zu spät ist«, sagte der US-Präsident. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, betonte, dass ein tatsächlicher Teilrückzug der russischen Truppen ein positives Signal wäre. Aber gerade mit Blick auf Russlands »Geschichte von Operationen unter falscher Flagge und Fehlinformationen« müsse man das nun erst einmal nachprüfen, sagte sie.

Stoltenberg: »Bislang keine Deeskalation gesehen«

Ähnlich vorsichtig wie Biden hatte sich auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zum angekündigten teilweisen russischen Truppenabzug geäußert. »Bislang haben wir vor Ort keine Deeskalation gesehen, keine Anzeichen einer reduzierten russischen Militärpräsenz an den Grenzen zur Ukraine«, sagte er.

Die Verteidigungsminister der 30 Nato-Staaten beraten heute in Brüssel über Planungen für eine zusätzliche Abschreckung Russlands. Angesichts des russischen Truppenaufmarsches sollen so auch in südöstlich der Ukraine gelegenen Nato-Ländern wie Rumänien multinationale Kampftruppen stationiert werden.

Biden bekräftigte erneut das Aus für die umstrittene deutsch- russische Gaspipeline Nord Stream 2, sollte Russland in die Ukraine einmarschieren. Aus der Pipeline werde dann nichts, sagte er. Die fertig gebaute Leitung soll unter Umgehung der Ukraine russisches Gas nach Deutschland bringen. Die USA sind seit jeher Gegner der Pipeline.

Biden droht Russland mit Sanktionen

Biden drohte Russland insgesamt erneut mit »gewaltigen Sanktionen« im Fall eines Einmarschs. Dies würde sich für Russland als »selbst zugefügte Wunde« erweisen. Die Welt werde das nicht vergessen.

Die USA hatten erst am Montag angekündigt, wegen der zugespitzten Lage ihre Botschaftsgeschäfte in der Ukraine von Kiew nach Lwiw (Lemberg) unweit der Grenze Polens zu verlegen. Die US-Regierung hatte zuletzt mehrfach davor gewarnt, dass Russland möglicherweise noch vor dem Ende der Olympischen Winterspiele am 20. Februar das Nachbarland angreifen könnte und betont, dass ein solcher Angriff ohne Vorwarnung geschehen könnte.

Russlands EU-Botschafter Wladimir Tschischow wies Warnungen der USA vehement zurück, wonach möglicherweise schon an diesem Mittwoch russische Truppen ins Nachbarland Ukraine einmarschieren würden. »Ich kann, soweit es Russland betrifft, versichern, dass es an diesem Mittwoch keinen Angriff geben wird. Es wird auch in der kommenden Woche keine Eskalation geben, oder in der Woche danach, oder im kommenden Monat«, sagte Tschischow der »Welt« (Mittwoch). Er fügte hinzu: »Kriege in Europa beginnen selten an einem Mittwoch.«

© dpa-infocom, dpa:220215-99-145470/4