Angesichts der weiteren Zuspitzung der Ukraine-Krise ruft die Bundesregierung nun alle Deutschen »dringend« dazu auf, die Ukraine sofort zu verlassen.
»Eine militärische Auseinandersetzung ist jederzeit möglich«, schrieb das Auswärtige Amt in seinen Sicherheitshinweisen für das Land im Internet. Bisher hatte das Ministerium nur diejenigen Deutschen zur »kurzfristigen« Ausreise aufgefordert, deren Anwesenheit nicht »zwingend erforderlich« sei.
Die Sicherheits- und Reisehinweise waren bereits vor einer Woche nach den ersten Warnungen der US-Regierung vor einem möglicherweise bevorstehenden russischen Angriff verschärft worden. »Wenn Sie sich derzeit in der Ukraine aufhalten, prüfen Sie ob Ihre Anwesenheit zwingend erforderlich ist. Falls nicht, reisen Sie kurzfristig aus«, hieß es seitdem. »Eine militärische Auseinandersetzung ist nicht auszuschließen.«
Sicherheitswarnung verschärft
Am Freitag verschärfte US-Präsident Joe Biden seine Kriegswarnung noch einmal und sagte, er rechne in den nächsten Tagen nun fest mit einem Angriff auf die Ukraine - auch auf die Hauptstadt Kiew. Außenministerin Annalena Baerbock sagte dagegen, ein Angriff sei noch nicht beschlossene Sache.
Die Sicherheitshinweise wurden trotzdem noch einmal deutlich verschärft. Auf der Internetseite des Auswärtigen Amts heißt es nun: »Deutsche Staatsangehörige werden dringend aufgefordert, das Land jetzt zu verlassen. (...) Reisen Sie rechtzeitig aus. Sollte es zu einem russischen Angriff auf die Ukraine kommen, sind die Möglichkeiten zur Unterstützung deutscher Staatsangehöriger sehr begrenzt«.
Nato zieht Mitarbeiter aus Kiew ab
Die Nato zieht Mitarbeiter aus ihrer Vertretung in Kiew ab. »Die Sicherheit unseres Personals ist von größter Bedeutung, deswegen wurden Mitarbeiter nach Lviv und Brüssel verlegt«, sagte eine Sprecherin am Samstag in Brüssel. Die Büros des Bündnisses in der Ukraine blieben allerdings funktionsfähig.
Zur Zahl der verlegten Mitarbeiter machte die Nato zunächst keine Angaben. Das Bündnis hat in Kiew eine diplomatische Vertretung, die mit mehreren Dutzend Mitarbeitern bis zuletzt als größte in einem Nichtmitgliedsland galt. Zudem betreibt die Nato in der ukrainischen Hauptstadt ein Informations- und Dokumentationszentrum. Nach Lviv im Westen der Ukraine hatten zuvor bereits die USA Personal verlegt.
Warnungen aus Österreich und Frankreich
Auch Österreich und Frankreich rufen ihre in der Ukraine lebenden Bürger auf, das Land zu verlassen. »Es muss mit einer erheblichen Verschlechterung der Lage gerechnet werden«, teilte das Außenministerium in Wien mit. Die Aufforderung gelte bis auf einige westliche Teile für die gesamte Ukraine. Derzeit seien rund 180 Österreicher registriert, die sich in der Ukraine aufhielten.
Das Außenministerium in Paris teilte mit: Franzosen, die sich in der von aufflammender Gewalt betroffenen Ost-Ukraine befinden, sollten die Regionen Luhansk, Donezk, Charkiw und Dnipro unverzüglich verlassen. Für die übrige Ukraine werde allen Franzosen ohne zwingenden Aufenthaltsgrund geraten, das Land zu verlassen. Ebenso wurde davon abgeraten, sich in die Grenzgebiete im Norden und Osten der Ukraine zu begeben. Reisen in die Ukraine sollten verschoben werden.
Österreich sprach außerdem eine Reisewarnung aus. Das österreichische Botschaftspersonal wurde hingegen verstärkt. »Es wird weiterhin vor Ort die Stellung halten, um Österreicherinnen und Österreicher gegebenenfalls bei der Ausreise zu unterstützen und Kontakt mit den ukrainischen Partnern zu halten«, hieß es.
Flüge ausgesetzt
Die Lufthansa und die zum Konzern gehörenden Fluggesellschaften streichen ab Montag vorübergehend einen Großteil ihrer Flüge in die Ukraine. Die Airlines werden ihre regulären Flüge nach Kiew und Odessa vorerst bis Ende Februar aussetzen, wie das Unternehmen auf Anfrage mitteilte.
Heute und morgen gebe es noch einzelne Flüge, um Passagieren mit Buchungen eine Reisemöglichkeit anzubieten. Betroffene Gäste werden laut einem Sprecher informiert und auf alternative Flugverbindungen umgebucht. Die Flüge nach Lwiw (Lemberg) in der Westukraine finden laut Lufthansa regulär statt.
Zur Airline-Gruppe gehören neben der Lufthansa die Fluggesellschaften Austrian Airlines, Swiss, Brussels Airlines sowie Eurowings.
»Lufthansa verfolgt die Lage weiterhin intensiv und steht mit nationalen und internationalen Behörden im engen Austausch«, sagte der Sprecher weiter. Mit Blick auf die drohende Eskalation im Ukraine-Konflikt hieß es weiter, Lufthansa beobachte die Situation ständig und werde zu einem späteren Zeitpunkt über weitere Flüge entscheiden.
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