Moskau (dpa) - Wegen der jüngsten Eskalation im Nahen Osten treten die zahlreichen Probleme im deutsch-russischen Verhältnis vorübergehend in den Hintergrund.
Mit einer internationalen Konferenz in Berlin wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der russische Präsident Wladimir Putin eine Friedenslösung für das Bürgerkriegsland Libyen erreichen. Russland werde diese deutsche Initiative unterstützen, sagte der Kremlchef am Samstag bei einem Treffen mit Merkel im Kreml in Moskau. »Einige Sachen bedürfen noch der Vorarbeit, aber es wäre ein guter Schritt in die richtige Richtung.« Dies müsse jedoch mit der libyschen Seite genau abgestimmt sein.
Merkel betonte, sie hoffe, dass die russischen Bemühungen um einen Waffenstillstand in Libyen zum Erfolg führen würden. »Eine solche Berliner Konferenz kann nur der Auftakt sein für einen längeren Prozess«, sagte sie in Moskau. Die Konferenz solle unter der Führung der Vereinten Nationen zustandekommen. Es sei wichtig, dass die Interessen der Libyer selbst dabei im Vordergrund stünden.
Die Bundesregierung bemüht sich seit Monaten um eine politische Lösung für Libyen, wo seit dem Sturz des Langzeitherrschers Muammar al-Gaddafi 2011 ein Bürgerkrieg herrscht. Eine Konferenz mit internationalen Konfliktparteien war eigentlich schon für Ende 2019 angedacht und dann auf Januar geschoben worden. Putin, der aufseiten des einflussreichen Generals Chalifa Haftar steht, mahnte gemeinsam mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan am Mittwoch eine Waffenruhe an. Die Konfliktparteien sollten demnach um Mitternacht in der Nacht zum Sonntag ihre Feindseligkeiten einstellen.
Bei dem Treffen im Kreml wurde Merkel auch von Außenminister Heiko Maas (SPD) begleitet, der parallel bilaterale Gespräche mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow führte. Zudem war ein gemeinsames Essen angesetzt. Insgesamt dauerten die Gespräche rund vier Stunden, doppelt so lange wie geplant. »Ich glaube, ein solcher Besuch hat einfach den Vorteil, dass man miteinander spricht und nicht nur übereinander«, sagte Merkel hinterher.
Die Kanzlerin reist nur selten nach Russland, vor allem seit der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 sind die Besuche rar geworden. Zuletzt war die Kanzlerin 2018 in Russland. Die Differenzen in den bilateralen Beziehungen wie die schwierigen Ermittlungen im Berliner Mordfall an einem Georgier oder der blutige Konflikt in der Ostukraine wurden nicht angesprochen beziehungsweise ausgespart.
Thema bei dem seltenen bilateralen Treffen mit Putin war auch die brisante Lage im Iran. Berlin und Moskau seien dafür, dass im Atomkonflikt mit den USA das sogenannte Wiener Abkommen von 2015 weiter umgesetzt werde, sagte Putin. Merkel betonte, Deutschland wolle die Vereinbarung mit dem Iran »am Leben erhalten«. Dafür müssten alle diplomatischen Kanäle genutzt werden, forderte sie. »Der Iran sollte keine Atomwaffen bekommen.«
Der Iran hatte vor wenigen Tagen angekündigt, keine Beschränkungen für die Anzahl und Modelle seiner Zentrifugen mehr zu beachten. Damit kann das Land sein Atomprogramm nun unbegrenzt weiterführen und auch Uran unlimitiert anreichern. Die USA zogen sich 2018 aus dem Vertrag zurück und verhängten neue Sanktionen gegen Teheran.
Daraufhin begann Teheran, schrittweise gegen Auflagen des Atomabkommens zu verstoßen. So reicherte es inzwischen mehr Uran auf höhere Konzentrationen an als im Abkommen erlaubt.
Zu dem von Hilfsorganisationen als unzureichend kritisierten UN-Kompromiss zu humanitären Lieferungen für das Bürgerkriegsland Syrien sagte Merkel: »Ich freue mich, dass es in der letzten Nacht gelungen ist, zumindest zwei humanitäre Übergänge in Richtung Idlib wieder offen zu halten, denn es gibt dort eine große Not der Menschen«. Sie hoffe, »dass wir noch einen weiteren humanitären Übergang bekommen, in Richtung Nordosten Syriens - da gibt es auch Bereitschaft, Gespräche weiter zu führen«. Syrien müsse perspektivisch wieder ein Land werden, in das Flüchtlinge zurückkehren könnten - auch die vielen Syrer, die in der Türkei aufgenommen worden seien.
Nach wochenlanger Blockadehaltung Russlands hatte sich der UN-Sicherheitsrat kurz vor Ablauf einer Frist auf die Offenhaltung von Hilfswegen nach Syrien geeinigt. Statt wie bislang über vier können humanitäre Güter aber nur noch über zwei Grenzübergänge ins Land gebracht werden. Der vor allem für medizinische Güter wichtige Übergang Al-Jarubija im Osten an der Grenze zum Irak sowie ein weiterer an der Grenze zu Jordanien im Süden sind künftig für den UN-Mechanismus geschlossen. Der Kompromiss könnte mehr als eine Million Notleidende im Nordosten Syriens von Lieferungen abschneiden.
Russland steht im Syrien-Konflikt auf der Seite von Präsident Baschar al-Assad. Das russische Militär hat Assad geholfen, weite Teile des Landes wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Die Lage in dem arabischen Land habe sich »stabilisiert«, sagte Putin - »die staatlichen Strukturen werden wieder aufgebaut«.