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Proteste auf Konferenz - »Kinder können keine Kohle essen«

Die Welt rast nach Warnungen des UN-Chefs auf dem Highway zur Klimahölle, doch trotzdem werden viele Gas-, Öl und Kohleprojekte geplant. Nicht nur Klimaaktivisten empören sich.

UN-Weltklimakonferenz COP27
Die Klimaaktivisten aus Argentinien Nicole Becker, Uganda Vanessa Nakate, USA, Sophia Kianni, Philippinen, und Mitzi Jonelle Tan (von links nach rechts) während der UN-Klimakonferenz 2022 COP27 im International Convention Center. Foto: Gehad Hamdy
Die Klimaaktivisten aus Argentinien Nicole Becker, Uganda Vanessa Nakate, USA, Sophia Kianni, Philippinen, und Mitzi Jonelle Tan (von links nach rechts) während der UN-Klimakonferenz 2022 COP27 im International Convention Center.
Foto: Gehad Hamdy

Umweltschützer haben auf der Weltklimakonferenz in Ägypten angeprangert, dass viele Staaten die Energiekrise mit neuen Öl- und Gasprojekten abfedern wollen. Die prominente ugandische Klimaaktivistin Vanessa Nakate rügte besonders entsprechende Pläne in Afrika, an denen sich auch Deutschland beteiligen will.

»Kinder können keine Kohle essen, Kinder können kein Öl trinken, Kinder können kein Gas atmen«, sagte Nakate am Mittwoch in Scharm el Scheich. Die EU-Umweltagentur warnte, die eskalierende Klimakrise treibe auch für Menschen in Europa die Gesundheitsrisiken nach oben - etwa wegen mehr Hitzewellen und Infektionskrankheiten.

Im Zuge des Ukraine-Kriegs sind Gaslieferungen aus Russland weggefallen, weshalb nun viele Staaten Kohlekraftwerke länger betreiben und auf Flüssiggas setzen - auch die Bundesrepublik. Dass Deutschland etwa die Erschließung eines Gasfelds im Senegal unterstützen will, sorgt angesichts der weiter steigenden CO2-Emissionen für Empörung bei Klimaschützern.

Lage ist »unglaublich ernst«

Die Rückbesinnung auf fossile Energieträger war auch Teil einer Protestaktion am Eingang des COP27-Geländes. »Die Lage ist unglaublich ernst«, sagte Aktivistin Susanne Wong von der Organisation Oil Change der dpa.

Bei der COP27 beraten Vertreter aus fast 200 Ländern darüber, wie der Kampf gegen die Erderwärmung verstärkt werden kann. Die Konferenz mit 45 000 registrierten Teilnehmern läuft bis Ende kommender Woche.

Ein neuer Datenreport legte offen, dass bei der Förderung und Produktion von Öl und Gas drei Mal mehr klimaschädliche Gase freigesetzt werden, als die Staaten bisher offiziell an die UN berichten. Dies zeigen Messungen der Non-Profit-Initiative Trace, an der Datenanalytiker, Forscher und Nichtregierungsorganisationen mitarbeiten.

Beteiligt ist auch der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore. Der Friedensnobelpreisträger sagte, besonders krass unterschätzt sei der Ausstoß des Klimagases Methan in den Anlagen für fossile Energien, etwa beim bewussten Abfackeln und durch Lecks. »Das ist wirklich schockierend.« Laut dem Datenreport sind die Hälfte der weltweit größten Quellen klimaschädlicher Treibhausgase Produktionsstätten für Öl und Gas und zugehörige Anlagen.

Nach den Daten hat Deutschland im Jahr 2021 etwa 1,4 Prozent der weltweit erfassten Treibhausgase ausgestoßen - und liegt damit nach der Menge gerechnet auf Platz 10 aller Staaten. Auf Platz eins rangiert China, mit einem Anteil von 27,6 Prozent der Gasemissionen, gefolgt von den USA mit knapp 12 Prozent.

Klimaexperten kritisieren US-Pläne

Die Bundesregierung und Klimaexperten blicken unterdessen skeptisch auf neue Pläne der USA, großen Unternehmen den Kauf von Gutschriften für den Ausstoß von Treibhausgasen zu erlauben. Das soll möglich sein bei der Finanzierung sauberer Energieprojekte in ärmeren Ländern, sagte der US-Klimagesandte John Kerry in Scharm el Scheich. So sollen Unternehmen die Energiewende in Entwicklungsländern mitfinanzieren - und die eingesparten Emissionen ihrer eigenen Klimabilanz zurechnen dürfen. »Keine Regierung der Welt hat genug Geld, um diesen Job zu erledigen«, sagte Kerry.

Die Bundesregierung äußerte sich zurückhaltend. Man habe eine »gewisse Skepsis«, sagte Entwicklungsstaatssekretär Jochen Flasbarth der Website »Politico«. Leo Roberts von der Klima-Denkfabrik E3G meinte, die Welt brauche klare Zusagen, dass diese Initiative wirklich ein Nettobeitrag sei zur Verminderung von Treibhausgasen.

Malaria und Dengue-Fieber breiten sich nach Norden aus

Die in Kopenhagen ansässige EU-Energieagentur erklärte, im Zuge der Erderwärmung breiteten sich Krankheiten wie Malaria und Dengue-Fieber voraussichtlich weiter nach Norden aus, mit hohen Krankheitslasten. Und Hitzewellen seien eine wachsende Gefahr, weil sie im Zuge des Klimawandels häufiger und heftiger werden. Sie seien schon jetzt die größte direkt mit dem Klima zusammenhängende Gesundheitsbedrohung für Europäer. Linderung verschaffen könnten mehr grüne und schattige Plätze in Städten sowie angepasste Arbeitszeiten.

Die internationale medizinische Leiterin von Ärzte ohne Grenzen, Maria Guevara, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Weltgesundheit leide schon erheblich unter Klimafolgen wie Überschwemmungen oder Insektenplagen. Man sehe ein exponentielles Wachstum bei Krankheiten, die über Insekten, Wasser oder Lebensmittel übertragen werden. »Zwischen 2017 und 2021 wurden beispielsweise weniger als 20 größere Cholera-Ausbrüche pro Jahr gemeldet. In diesem Jahr sind es bereits mindestens 29.«

China fordert Milliardenzusagen reicher Länder für Klimahilfen

Die reichen Länder sollten aus chinesischer Sicht »so schnell wie möglich« ihr Versprechen einhalten und jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz-Maßnahmen ärmerer Staaten bereitstellen. Zusätzlich solle ein Fahrplan vorgelegt werden, wie das Volumen des Fonds zur Anpassung an den Klimawandel verdoppelt werden könne, sagte der chinesische Klimabeauftragte Xie Zhenhua in einer von Staatsmedien veröffentlichten Rede in Scharm el Scheich. Angesichts der derzeitigen Energie- und Nahrungsmittelkrise seien Solidarität, Multilateralismus und Kooperation umso mehr »der einzige Weg aus dem Dilemma«.

© dpa-infocom, dpa:221109-99-453600/2