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Präsident Selenskyj empfängt Baerbock und dankt Deutschland

Als erstes deutsches Regierungsmitglied macht sich Außenministerin Baerbock in der Ukraine ein Bild von den Zerstörungen durch Russlands Angriffskrieg. Sie sichert dem Land breite Unterstützung zu.

Baerbock in Kiew
Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßt die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Foto: Florian Gaertner
Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßt die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock in der ukrainischen Hauptstadt Kiew.
Foto: Florian Gaertner

Außenministerin Annalena Baerbock hat bei ihrem ersten Besuch in der Ukraine seit Beginn des russischen Einmarschs breite Unterstützung bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen zugesichert.

Es dürfe »keine Straflosigkeit für die von Russland begangenen Kriegsverbrechen, für die Verschleppung, für die Mörder und Vergewaltiger geben«, sagte sie bei einem Treffen mit ihrem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba am Dienstag in Kiew. »Deswegen werden wir die internationalen Ermittlungen, allen voran die des Internationalen Strafgerichtshof, politisch, finanziell und mit deutschem Personal unterstützen.«

In der Hauptstadt Kiew eröffnete Baerbock zudem die deutsche Botschaft wieder, die ihre Arbeit dort wegen Russlands Angriffskrieg vorübergehend eingestellt hatte. Baerbock, die als erstes deutsches Regierungsmitglied die Ukraine nach Kriegsbeginn besuchte, traf auch Präsident Wolodymyr Selenskyj.

Selenskyj dankte Baerbock dafür, dass sich Deutschland solidarisch zeige mit dem ukrainischen Volk. Die Ministerin wurde von ihrem niederländischen Kollegen Wopke Hoekstra begleitet, der sich bestürzt zeigte über die Zerstörungen durch Russlands Krieg unter anderem in den Vororten der Hauptstadt Kiew. Auch Baerbock besuchte die Orte Butscha und Irpin.

Ausbildung an der Panzerhaubitze 2000 beginnt

Baerbock informierte Selenskyj außerdem darüber, dass in wenigen Tagen mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten an der modernen Panzerhaubitze 2000 begonnen werde, die Deutschland gemeinsam mit den Niederlanden an die Ukraine liefern werde. Sie ließ im Anschluss mitteilten, es habe ein »offenes, freundliches Gespräch« mit Selenskyj gegeben. Dabei sei es auch um den Wiederaufbau gegangen sowie um die Frage, »wie die Blockade der weltweit dringend benötigten Nahrungsmittelexporte aus der Ukraine gelöst werden kann«. Die Ukraine ist einer der größten Getreideexporteure der Welt, Russland hat allerdings die für den Handel wichtigen Häfen blockiert.

Baerbock reiste nach einer langen Diskussion über Besuche deutscher Politiker in der Ukraine als erste Vertreterin der Bundesregierung nach Kiew. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßte die Reisen von Baerbock (Grüne) und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD). Bas war am Sonntag in der Ukraine. »Nun, glaube ich, ist das eine gute Grundlage auch für die ja unverändert wichtigen Zusammenarbeitsbeziehungen, die wir haben.« Auf die Frage, ob er selbst in naher Zukunft nach Kiew reisen werde, antwortete er nicht.

Baerbock sagte bei einer Pressekonferenz mit Kuleba, Deutschland werde den Kampf der Ukraine um ihre Freiheit und den Frieden »unverrückbar« unterstützen. Gemeinsam mit deutschen Unternehmen werde daran gearbeitet, dass die Ukraine »hochmoderne Systeme bekommen kann, um ihre Städte auch gegen zukünftige Angriffe zu schützen«, sagte Baerbock. Sie betonte: »Wir werden die europäische, freie Ukraine weiter unterstützen. Humanitär, finanziell, wirtschaftlich, technologisch, politisch und in Energiefragen.« Dies gelte auch langfristig, sagte sie mit Blick auf die Wiedereröffnung der Botschaft.

Ohne Energie des »Aggressors« Russland auskommen

Die Grünen-Politikerin erklärte auch, dass Deutschland künftig komplett ohne Energie des »Aggressors« Russland auskommen wolle. »Deshalb reduzieren wir mit aller Konsequenz unsere Abhängigkeit von russischer Energie auf Null - und zwar für immer.« Deutschland ist bisher vor allem von russischem Gas abhängig. Die Ukraine hatte immer wieder von Deutschland gefordert, ganz auf russisches Öl und Gas zu verzichten. Baerbock betonte, dass es künftig keine Verständigung geben könne mit Russland über die Köpfe der Ukraine hinweg.

Die Ministerin unterstützte zwar das Streben des angegriffenen Landes, in die EU aufgenommen zu werden, allerdings warnte sie vor falschen Versprechungen. Es könne auf dem Weg zur EU-Vollmitgliedschaft »keine Abkürzung« geben. »Die Ukraine ist ein fester Teil Europas«, sagte sie. Ihre Freiheitsliebe mache sie stark im Kampf gegen das »autokratische Regime« des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Baerbock mahnte, der Krieg sei noch nicht vorbei. »Es kann eben an jedem Ort dieses Landes eine Rakete einschlagen.«

In den durch den russischen Krieg zerstörten Kiewer Vororten Butscha und Irpin zeigte sich Baerbock, die von schwer bewaffnetem Sicherheitspersonal geschützt wurde und eine Splitterschutzweste trug, erschüttert angesichts der Verbrechen. Sie kündigte an, dass sich Deutschland stärker einbringen wolle beim Sammeln von Beweisen für die an der Zivilbevölkerung verübten Kriegsverbrechen. So sollten etwa deutsche Gerichtsmediziner die Arbeit der ukrainischen Behörden unterstützen.

Mit Blick auf die vielfach dokumentierten Fälle von Vergewaltigungen von Frauen nach dem russischen Einmarsch sollten auch Psychologen bei der Aufarbeitung der Traumata helfen. Unterstützung solle es außerdem bei der Beseitigung von Minen in Städten und Dörfern nach dem Abzug der russischen Truppen geben.

Bei einem Treffen mit Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sagte Baerbock zum Abschluss des Besuchs, Deutschland habe die Verpflichtung, »nicht nachzulassen in unserer Solidarität, nicht nachzulassen in unserer Hilfe, sei es humanitär, sei es im Bereich medizinischer Unterstützung, aber eben auch die militärische Unterstützung«. Ex-Boxweltmeister Klitschko sagte auf Deutsch: »Danke an die deutsche Regierung.« Es müsse alles getan werden, um den »sinnlosen Krieg zu stoppen«. Zu Baerbock sagte er: »Ihr Besuch in der Kriegszeit ist sehr wichtig für uns.« Der Bürgermeister zeigte der Ministerin bei einem Rundgang einen Teil der Stadt und schenkte ihr ein Bildband: »Kiew - meine Liebe« mit Signatur von Klitschko.

Der russische Präsident Putin hatte den Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar befohlen. Er hatte dem Nachbarland wiederholt eine antirussische Politik vorgeworfen. Der Westen hat weitreichende Sanktionen gegen Russland verhängt.

© dpa-infocom, dpa:220510-99-231133/7