In Polen sind nach Angaben des Grenzschutzes seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine mehr als eine Million Flüchtlinge aus dem Nachbarland eingetroffen.
Allein am Sonntag hätten 142.300 Menschen die Grenze passiert, teilte die Behörde am Montag per Twitter mit. Dies war die höchste Zahl innerhalb eines Tages seit Kriegsbeginn am 24. Februar.
Etwa 90 Prozent der Geflüchteten seien ukrainischen Staatsbürger, die übrigen seien Staatsangehörige von Ländern aus der ganzen Welt, sagte eine Sprecherin des Grenzschutzes. Derzeit gebe es den größten Andrang am Grenzübergang Korczowa, dort hätten bereits am Morgen 700 Menschen in der Warteschlange für die Abfertigung von Fußgängern gestanden. Autofahrer müssten bis zu 20 Stunden warten. An den übrigen Grenzübergängen sind die Wartezeiten demnach kürzer.
Polen plant Gesetzespaket zur Flüchtlingshilfe
Polens Regierung plant ein Gesetzespaket mit Hilfen für die Flüchtlinge aus der Ukraine. Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass die Geflüchteten aus dem Nachbarland eine Aufenthaltsgenehmigung für den Zeitraum von 18 Monaten bekommen, wie Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Montag in Warschau sagte. In dieser Zeit könnten sie eine Arbeit aufnehmen. Bei Bedarf könne die Aufenthaltsgenehmigung auch um weitere 18 Monate verlängert werden. Geplant ist außerdem, dass die Flüchtlinge eine vorübergehende persönliche Identifikationsnummer (Pesel) bekommen, die in Polen den Umgang mit Behörden und dem staatlichen Gesundheitssystem erleichtert.
Morawiecki sagte weiter, der Gesetzentwurf sehe auch finanzielle Unterstützung für die vielen polnischen Bürger vor, die derzeit Ukrainer bei sich untergebracht haben. Sie können für jeden aufgenommenen Flüchtling umgerechnet rund 250 Euro monatlich Zuschuss beantragen. Dies soll zunächst für einen Zeitraum von zwei Monaten gelten. Über den Gesetzentwurf muss noch das Parlament entscheiden. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs sind in Polen bereits mehr als eine Million Flüchtlinge aus dem Nachbarland angekommen. Viele wollen in dem EU-Land bleiben.
UNHCR: 1,7 Millionen Flüchtlinge aus Ukraine
Nach aktuellen Zahlen der UN-Flüchtlingshilfsorganisation UNHCR haben inzwischen 1,7 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen, teilte die Organisation am Montag auf Twitter mit. Das ist ein Plus von 200.000 binnen eines Tages. In den kommenden Tagen würden weitere Millionen Menschen entwurzelt, wenn dieser sinnlose Konflikt nicht sofort beendet werde.
Kritik an Großbritannien
Unterdessen gerät die britische Regierung wegen ihres Umgangs mit Kriegsflüchtlingen immer stärker in die Kritik. Wie das Innenministerium in London mitteilte, waren bis Sonntag gerade einmal etwa 50 Visa für Ukrainer ausgestellt worden. Das entspricht weniger als einem Prozent der bisher vollständig gestellten Anträge.
»Das ist zu langsam. Zu viele Hürden, die verzweifelte Familien überwinden müssen«, twitterte die Labour-Politikerin Yvette Cooper. Kritik kommt auch aus der Regierungspartei selbst. »Das ist sicherlich kein Erfolg«, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im britischen Unterhaus und Tory-Abgeordnete Tom Tugendhat dem Radiosender LBC am Montag. Es müsse sichergestellt werden, dass das Innenministerium die Zusage über die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine umsetze.
»Mangel an Menschlichkeit«
Anders als die EU-Länder will Großbritannien Ukrainer nicht ohne Einschränkungen aufnehmen. Die Kriterien wurden zuletzt etwas gelockert. Einreisen darf aber nur, wer bereits Angehörige in Großbritannien hat. Dem britischen Premierminister Boris Johnson zufolge könnten durch das »unglaublich großzügige Programm« bis zu 200.000 Ukrainer in Großbritannien Aufnahme finden. Doch die Formalitäten bereiten Berichten zufolge vielen Menschen Schwierigkeiten.
Johnson verteidigte das Vorgehen seiner Regierung und kündigte ein Sytem an, das »sehr, sehr großzügig« sein werde und es auch ermöglichen soll, Visa für Ukrainer zu sponsern. Er machte jedoch auch klar: »Was wir nicht tun werden, ist ein System zu haben, wo Leute ohne Kontrollen nach Großbritannien kommen können. Das wäre nicht richtig.«
Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin hatte den Briten am Sonntag einen »Mangel an Menschlichkeit« vorgeworfen. Rund 150 Ukrainer, die über den Ärmelkanal zu Angehörigen nach Großbritannien reisen wollten, seien von britischer Seite aufgefordert worden, erst in Paris oder Brüssel Visa zu beantragen, sagte der Franzose.
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