Polens Regierung stellt sich auf die Aufnahme von bis zu einer Million Flüchtlingen aus der Ukraine ein.
Bereits jetzt seien knapp 400.000 Menschen vor dem russischen Angriff auf die Ukraine in das Nachbarland geflüchtet, sagte Außenminister Zbigniew Rau am Dienstag nach einem Treffen mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian und der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Lodz.
Der Großteil der Schutzsuchenden seien Ukrainer, so Rau weiter. Polen habe aber Staatsbürger aus insgesamt 125 verschiedenen Ländern aufgenommen, darunter viele Studenten aus Nicht-EU-Ländern, die an ukrainischen Universitäten eingeschrieben sind. »Jeder, der in Sorge um sein Leben und seine Gesundheit die polnische Grenze überschreitet, wird aufgenommen und mit Essen und Unterkunft versorgt« betonte Rau.
Bereits seit vielen Jahren lebe eine große Gruppe von geschätzt 1,5 Millionen Ukrainern in Polen, um dort zu studieren oder zu arbeiten. Viele der Flüchtlinge, die in den vergangenen Tagen nach Polen gekommen seien, zählten auf die Hilfe der dort bereits ansässigen Verwandten oder Bekannten. Die meisten hofften, dass sie nach einigen Wochen wieder in ihr Heimatland zurückkehren könnten, sagte Rau.
Allein am Montag hätten 100.000 Menschen die Grenze überquert, teilten die polnischen Grenzschützer am Dienstag per Twitter mit. Die Warteschlangen vor der Abfertigung auf der ukrainischen Seite der Grenze hätten sich verkürzt, da sich Polens Regierung und Präsident Andrzej Duda beim ukrainischen Grenzschutz für eine Vereinfachung der Prozedur eingesetzt hätten, sagte ein Regierungssprecher in Warschau. Frauen und Kinder würden jetzt praktisch ohne Kontrolle durchgelassen.
Johnson: Aufnahme von »beachtlicher Zahl« an Ukrainern
Nach zunehmendem Druck hat der britische Premierminister Boris Johnson bei einem Besuch in Polen eine weitreichende Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine angekündigt. »Wir sind natürlich bereit, zusammenzuarbeiten und in unserem eigenen Land ukrainische Flüchtlinge in beachtlicher Zahl aufzunehmen, wie wir es immer getan haben und immer tun werden«, sagte Johnson am Dienstag in Warschau bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem polnischen Amtskollegen Mateusz Morawiecki.
Die britische Regierung will dafür in Großbritannien lebenden Ukrainerinnen und Ukrainern ermöglichen, mehr Familienmitglieder ins Land zu holen als bisher. Dies könne rund 200.000 Berechtigte umfassen, sagte Johnson. Darüber hinaus soll ein »humanitäres Programm« geschaffen werden.
Johnsons Regierung war zuvor unter Druck geraten, weil sie sich - anders als etwa die EU - bislang mit großzügigen Aufnahmeangeboten für Ukrainerinnen und Ukrainer zurückgehalten hatte. Eine harsche, restriktive Einwanderungspolitik war eines der zentralen Versprechen des Brexits und damit ein Markenkern von Johnsons konservativer Regierung. Doch derzeit zeigt sich auch in der britischen Bevölkerung eine große Solidarität mit der Ukraine.
Morawiecki dankte den Polen für die Hilfe für die vielen Flüchtlinge, die aus der Ukraine ankommen, und sprach von dramatischen Szenen in dem Nachbarland. »Wir wollen der Ukraine helfen, ihre Freiheit und Unabhängigkeit zu verteidigen«, sagte der Regierungschef.
Tweet des polnischen Grenzschutzes (Polnisch)
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