KÖLN. Nach ihm in einem Gutachten bescheinigten Pflichtverletzungen beim Umgang mit Missbrauchsvorwürfen im Erzbistum Köln liegt die Zukunft des Hamburger Erzbischofs Stefan Heße nun in den Händen des Papstes.
Der frühere Personalchef im Erzbistum Köln hatte Franziskus am Donnerstag seinen Amtsverzicht angeboten und um die sofortige Entbindung von seinen Aufgaben gebeten. Dies hatte zuvor bereits der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp getan. Die beiden könnten damit die ersten Bischöfe sein, die wegen des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche ihr Amt verlieren.
Der Strafrechtler Björn Gercke hatte Heße bei der Vorstellung seines Gutachtens Pflichtverletzungen vorgeworfen. Dabei handele es sich unter anderem um Verstöße gegen die Melde- und Aufklärungspflicht während der Kölner Zeit Heßes. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki wurde hingegen von den Gutachtern entlastet.
Woelki zog sofort Konsequenzen, indem er Schwaderlapp und den Offizial Günter Assenmacher vorläufig von ihren Aufgaben entband. Beim Weihbischof hat jedoch der Papst das letzte Wort. »Ich bitte Papst Franziskus um sein Urteil«, teilte Schwaderlapp schriftlich mit. »Ich kann nicht Richter in eigener Sache sein.«
Heße versicherte in einer persönlichen Stellungnahme erneut, dass er sich »nie an Vertuschung beteiligt« habe. »Ich bin dennoch bereit, meinen Teil der Verantwortung für das Versagen des Systems zu tragen«, sagte er. Es tue ihm leid, »wenn ich durch mein Handeln beziehungsweise mein Unterlassen Betroffenen und ihren Angehörigen neuerliches Leid zugefügt haben sollte«.
Gercke und seine Kollegin Kerstin Stirner zeichneten bei der Vorstellung ihres fast 900 Seiten starken Gutachtens ein düsteres Bild von den Verhältnissen im Erzbistum Köln. Die Auswertung der Akten von 1975 bis 2018 habe unter anderem ergeben, »dass sich Jahrzehnte offenbar niemand getraut hat, solche Fälle zur Anzeige zu bringen«, kritisierte Gercke. »Im Erzbistum Köln gab es immer wieder Bestrebungen von einzelnen Verantwortungsträgern, Fälle sexuellen Missbrauchs nicht öffentlich werden zu lassen.« Man sei bestrebt gewesen, sie nicht an »die große Glocke« zu hängen, um Reputationsschaden von der Kirche abzuwenden.
Ein erstes Gutachten einer Münchner Kanzlei war von Woelki unter Verschluss gehalten worden, wofür er rechtliche Bedenken anführte. Dieses Verhalten Woelkis hatte eine Vertrauenskrise im größten deutschen Bistum ausgelöst.
Nach Ansicht der Reformbewegung »Wir sind Kirche« müsse sich Woelki fragen, ob es jetzt nicht auch für ihn an der Zeit sei, dem Papst seinen Rücktritt anzubieten. Als nach Kirchenrecht Letztverantwortlicher in seinem Bistum könne er sich nicht als unbeteiligt bezeichnen, »denn im mildesten Fall hat er in seinem Amt wichtige Pflichten versäumt«, heißt es in einer Mitteilung. »Es fällt schwer zu glauben, dass er an der Handhabung von Missbrauchsfällen in keiner Weise beteiligt oder davon zumindest Kenntnis gehabt haben soll.« Deshalb müsste Woelki auch über die rein juristische Aufklärung hinaus persönlich Verantwortung übernehmen. (dpa)