Papst Franziskus hat seinen gestorbenen Vorgänger Benedikt XVI. als großen Vermittler des Glaubens bezeichnet. Der emeritierte Pontifex sei ein »großer Meister der Katechese« gewesen, sagte Franziskus zum Beginn der Generalaudienz im Vatikan. Als Katechese wird in der katholischen Kirche die Vermittlung und Erklärung des christlichen Glaubens bezeichnet.
»Sein scharfes und höfliches Denken war nicht selbstbezogen, sondern kirchlich, denn er wollte uns immer zur Begegnung mit Jesus begleiten«, sagte Franziskus über den gebürtigen Bayern, der am Silvestertag im Alter von 95 Jahren gestorben war.
»Jesus, der auferstandene Gekreuzigte, der Lebendige und der Herr, war das Ziel, zu dem uns Papst Benedikt führte, indem er uns an die Hand nahm. Möge er uns helfen, in Christus die Freude des Glaubens und die Hoffnung des Lebens wiederzuentdecken«, ergänzte Franziskus.
Das spirituelle Denken
Lob auch für das theologische Werk von Benedikt XVI., der bürgerlich Joseph Ratzinger hieß. »Die Tiefe des Denkens Josephs, das auf der Heiligen Schrift und den Kirchenvätern beruht, ist uns heute noch eine Hilfe«, schreibt das Oberhaupt der katholischen Kirche im Vorwort des bald erscheinenden Buches über Benedikts spirituelles Denken »Dio è sempre nuovo« (Gott ist immer neu).
Bei Benedikt seien »unaufhörliche Hingabe« und »ein erleuchtetes Lehramt« verschmolzen, schrieb der 86 Jahre alte Argentinier über den viel gelobten Theologen weiter. »Benedikt XVI. machte Theologie auf Knien«, befand Franziskus, denn er habe sich Gott ganz hingegeben.
»Wir danken Gott dafür, uns Benedikt XVI. geschenkt zu haben«, erklärte der amtierende Pontifex in dem Vorwort, das mehrere italienische Zeitungen veröffentlichten. Mit seinen Worten habe der gebürtige Bayer gezeigt, dass es möglich sei mit Nachdenken, Studium, Zuhören, Dialog und Gebet der Kirche zu dienen und Gutes für die Menschheit zu tun.
Steinmeier und Scholz bei Trauerfeier
Der Trauergottesdienst für den früheren Papst aus Deutschland findet morgen (9.30 Uhr) im Vatikan statt. Angeführt von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzler Olaf Scholz wird Deutschland mit den Spitzen der obersten Verfassungsorgane zur Trauerfeier reisen.
Aus Benedikts Heimat Bayern kommt eine von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angeführte Delegation mit Vertretern aus Politik, Gesellschaft und Kirche; ein Teil davon wird in einem Charterflugzeug nach Rom reisen. Die Bayern hätte sich Benedikt nach Einschätzung seines Biografen Peter Seewald am meisten als Trauergäste gewünscht.
Während es zwischen Benedikt und den deutschen Bischöfen immer wieder knirschte und es »aus dieser Ecke während des Pontifikats und danach Querschüsse gab, die völlig unverständlich waren«, sei die Beziehung Benedikts zu Bayern »bis zum Schluss unglaublich stark und ungebrochen« gewesen, sagte Seewald der Deutschen Presse-Agentur.
Knapp ein Dutzend Bischöfe aus Deutschland wollen zum Requiem kommen. Unter ihnen sind der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing sowie der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, und der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx. Auf einer vorläufigen Liste, die der Deutschen Presse-Agentur vorlag, standen auch die Bischöfe aus Regensburg und Passau, Rudolf Voderholzer und Stefan Oster. Für das Bistum Bamberg will demnach dessen emeritierter Erzbischof Ludwig Schick anreisen, weil der aktuell eingesetzte Administrator nicht kann.
Petersdom am dritten Tag für Gläubige geöffnet
Nachdem am Montag und Dienstag insgesamt rund 135.000 Gläubige am Leichnam Benedikts vorbeigingen, berichtete die vatikanische Gendarmerie am Mittwochmittag von etwa 60.000 weiteren Menschen in der großen Basilika. Benedikts langjähriger Sekretär und Vertrauter Georg Gänswein war am Mittwoch auch vor dem Altarraum des Doms und begrüßte einige Geistliche, die nach Rom gekommen waren.
Für die Trauerfeier am Donnerstag sind in Rom rund 1000 Sicherheitskräfte im Einsatz. Über dem Vatikan herrscht eine Flugverbotszone. Prognosen der Präfektur zufolge werden mehr als 60.000 Trauergäste erwartet. Die Zahl könnte allerdings deutlich höher werden, zumal auch in den Tagen der öffentlichen Aufbahrung fast doppelt so viele Menschen kamen wie vorhergesehen.
Für das historische Ereignis - erstmals seit mehr als 200 Jahren wird ein amtierender Papst einen ehemaligen beerdigen - sind mehr als 1000 Medienvertreter akkreditiert. Im Jahr 1802 feierte Papst Pius VII. im Vatikan die Totenmesse für seinen Vorgänger Pius VI., der 1799 im Exil starb und erst später nach Rom gebracht wurde.
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