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Obama in Berlin: Nächste Generation gibt Hoffnung

Trotz Kritik an seinem politischen Vermächtnis bleibt Barack Obama in Deutschland ein gerne gesehener Gast: In Berlin philosophiert der Ex-Präsident auf großer Bühne über Demokratie und politische Führung.

Obama in Berlin
Ex-US-Präsident Barack Obama wird von Kanzler Olaf Scholz in Berlin verabschiedet. Foto: Michael Kappeler
Ex-US-Präsident Barack Obama wird von Kanzler Olaf Scholz in Berlin verabschiedet.
Foto: Michael Kappeler

Ganz zum Schluss - nach 60 Minuten - wendet sich Barack Obama mit eindringlichen Worten zum Klimawandel nochmal direkt an sein Publikum. »Was mir Hoffnung gibt, ist die nächste Generation«, sagt der frühere US-Präsident gestern Abend in Berlin. »Wenn ich um die Welt reise, stelle ich fest, dass diese Generation junger Menschen intelligent, idealistisch und innovativ ist.«

Und doch spüre sie manchmal eine Last, die entmutigen könne. »Ich möchte euch sagen, dass es eine freudige Verantwortung ist. Es ist ein großes Privileg, auf diese Welt einzuwirken und sie zu verbessern.« Es ist ein Versuch, seine Zuhörerinnen und Zuhörer zu ermutigen - gefolgt von einem Appell: »Und für die Älteren hier lautet meine Botschaft: Geht ihnen dabei aus dem Weg.«

Publikum ist Obama wohlgesonnen

Es folgt tosender Applaus in der blau beleuchteten Halle am Ostbahnhof - blau wie die Farbe seiner demokratischen Partei in den USA. Auch wenn Barack Obama seit 2017 kein US-Präsident mehr ist, weiß er immer noch die Massen in seinen Bann zu ziehen.

Moderator Klaas Heufer-Umlauf führt durch den Abend in Berlin und spricht mit Obama über dessen Sicht auf aktuelle politische Themen wie den Klimawandel und gute politische Führung. Während der einstige Chef im Weißen Haus Kritik an seinem politischen Wirken zu kontern weiß, zeigt er sich menschlich nahbar - und fehlbar. »Fragen Sie meine Frau Michelle, ich habe zehnmal am Tag Unrecht«, scherzt der 61-Jährige, der sich der Gunst des ihm wohlgesonnenen Publikums sicher sein kann.

In Deutschland wird Obama bis heute wie ein Popstar gefeiert. Und auch an diesem Abend - angekündigt als »An evening with President Barack Obama live in person« - stehen die Versäumnisse seiner achtjährigen Präsidentschaft nicht im Vordergrund. Stattdessen scheinen die Worte Obamas eher Nostalgie in der Halle auszulösen.

Vielen sind sie noch gut im Gedächtnis, die Familienfotos vor dem Weißen Haus: Michelle und Barack gemeinsam mit den Töchtern Sasha und Malia - und natürlich Hund Bo. Obamas Selbstironie, seine jovialen Faustgrüße, der Präsident auf dem Basketball-Court und sein ikonischer Mic Drop. Der Kontrast zu Amtsnachfolger Donald Trump könnte größer kaum sein.

Glanz und Glamour im Weißen Haus

Vielen gilt Obama, der Charismatiker, immer noch als Inbegriff der Lässigkeit. Und nach wie vor weiß er das auf allen Kanälen zu inszenieren. Mit seiner Frau Michelle bildete er einst das berühmteste Power-Paar der Welt, brachte Glamour und Größe ins Weiße Haus, öffnete es für Jazz und Rapper. Nun füllen die beiden Theatersäle und Konzerthallen, wenn sie ihre Bücher bewerben. Für die Memoiren der beiden soll die Verlagsgruppe Penguin Random House dem Vernehmen nach Dutzende Millionen Dollar hingeblättert haben.

Nach dem Ausscheiden aus dem Amt gründeten die Obamas die Produktionsfirma Higher Ground Productions, die eine Reihe an Filmen und Serien für Netflix produziert. Dem 44. Präsidenten der USA wird nachgesagt, dass er als Redner auch im Vergleich zu anderen Ex-Präsidenten besonders hohe Honorare nimmt.

Darüber, welche Summe er wohl für den Auftritt in Berlin bekommen hat, lässt sich nur spekulieren. Die Tickets wurden im Vorfeld für rund 60 bis 550 Euro angeboten.

Dinner mit Merkel, Lunch mit Scholz

In Europa weilte Obama schon vorher, Ende vergangener Woche absolvierte er einen ähnlichen Termin in Zürich vor rund 10.000 zahlenden Gästen. Vor seinem großen Auftritt in Berlin traf er in intimerem Ambiente eine gute Bekannte: »Gestern Abend war ich Abendessen mit einer alten Freundin - Angela Merkel. Heute habe ich Mittag gegessen mit dem neuen Kanzler Olaf Scholz.« Mit Merkel verbindet Obama seit seiner Präsidentschaft von 2009 bis 2017 ein enges und freundschaftliches Verhältnis, wie die damalige Kanzlerin auch bei seinem Abschiedsbesuch als Präsident 2016 deutlich machte.

Obama hatte mit seinem Einzug ins Weiße Haus einen Wandel angekündigt. Er wollte ein ganz anderes Amerika schaffen: fairer, toleranter, bunter, weltoffener. Die Vorschusslorbeeren waren riesig, und bis heute wird ihm vorgehalten, dass ein paar Reden gereicht hätten, um ihn zum Träger des Friedensnobelpreises zu machen.

Politische Gesamtbilanz gemischt bis ernüchternd

Von vielen Verbündeten in Europa entzweite ihn der NSA-Skandal, auch sein fundamental anderes Verständnis von Staatlichkeit, Datenschutz und der Umgang mit dem US-Gefangenenlager Guantánamo stießen auf Kritik. In der Klimapolitik hingegen schwenkten die USA unter Obama auf die Linie der westlichen Partner ein.

Mit »Obama Care« versuchte er, das Fundament eines Sozialstaates zu legen. Und obwohl seine politische Gesamtbilanz gemischt bis ernüchternd ausfallen mag, machte ihn neben diesen Errungenschaften vor allem sein charismatisches Auftreten in Deutschland und Europa beliebt - bis heute.

© dpa-infocom, dpa:230503-99-550075/9