Genf (dpa) - Weniger als fünf Prozent der besonders schutzbedürftigen Flüchtlinge weltweit haben nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR im vergangenen Jahr eine neue Heimat gefunden. Sichere Drittstaaten stellten viel zu wenig Umsiedlungsplätze zur Verfügung, berichtet die UN-Organisation.
DIE ZAHLEN: Knapp 64.000 Menschen konnten 2019 ein neues Leben in einem sicheren Land beginnen, aber eigentlich brauchen nach UNHCR-Angaben 1,4 Millionen Menschen ein neues Zuhause.
Insgesamt sind weltweit mehr als 70 Millionen Menschen auf der Flucht, davon knapp 30 Millionen im Ausland. Die meisten hoffen auf eine Rückkehr in ihre Heimat.
DIE BETROFFENEN: »Es geht um die Verletzlichsten unter den Verletzlichen«, sagt der UNHCR-Sprecher in Deutschland, Chris Melzer. »Witwen mit kleinen Kindern. Schwule, für die es in manchen Gesellschaften lebensgefährlich ist. Oder auch Behinderte, die in Europa oder Nordamerika ein ganz normales Leben führen könnten, die aber in Syrien oder Libyen kaum überleben können.«
Das UNHCR kümmert sich ausschließlich um Flüchtlinge, die verfolgt werden, nicht um Migranten, die im Ausland bessere Arbeitschancen zur Unterstützung ihrer Familien suchen.
EIN BEISPIELFALL: Der Historiker Asmerom aus Eritrea fand Ende 2018 in Deutschland Zuflucht. Er war geflüchtet, als er zum unbefristeten Militärdienst eingezogen werden wollte, wie er dem UNHCR Deutschland berichtete. Asmerom geriet in Libyen in ein Auffanglager, wo er unter ständiger Gewalt der Aufseher mit hunderten anderen unter unmenschlichen Bedingungen eingepfercht war. Als junger Christ hatte er nach eigenen Angaben in dem muslimischen Land besonders schlechte Karten. Das UNHCR fand ihn und sah ihn als besonders schutzbedürftig an. Asmerom spreche schon gut deutsch und wolle bald eine Ausbildung als Buchhalter oder Erzieher anfangen, so das UNHCR.
DIE AUFNAHMELÄNDER: Deutschland gehörte 2019 zu den Top-Fünf. Die meisten Menschen nahmen die USA auf, insgesamt gut 21 000. Allerdings ist dort die Aufnahmebereitschaft drastisch gesunken. 2016, im Jahr vor dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump nahmen die USA im Rahmen dieses Härtefall- oder Resettlement-Programms noch fast 80 000 Schutzbedürftige auf. An zweiter Stelle stand 2019 Kanada mit gut 9000 Aufgenommenen, gefolgt von Großbritannien mit fast 5800, Schweden (knapp 5000) und Deutschland (gut 4600). Die meisten Schutzbedürftigen kamen aus Syrien, dem Kongo und Myanmar, dem früheren Birma.
In diesem Jahr wollen die EU-Länder zusammen 30.000 Plätze anbieten. 5500 davon sollen nach Angaben des Bundesinnenministeriums nach Deutschland kommen.
DAS DILEMMA: Unter den besonders Schutzbedürftigen sind Menschen, die aufgrund staatlicher Diskriminierung in ihrem Heimatland, etwa aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Religion, verfolgt werden. Natürlich wäre es für diese Menschen das beste, wenn die Politik in ihren Heimatländern geändert würde, sagte Grainne O'Hara, UNHCR-Direktorin der Abteilung Internationaler Schutz. »Aber so ist die Welt leider nicht«, sagte sie. Der Vorwurf, dass das Angebot von Aufnahmeplätzen die Schleusentore öffne, sei unzutreffend. »Die allermeisten Menschen, die diskriminiert werden, verlassen ihre Heimat nicht. Viele bleiben bewusst, um dagegen zu kämpfen.«