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Niederlande wollen Asylkrise überwinden

Es fehlt an Zelten, Toiletten, Hygienartikeln und Medikamenten. Helfer schlagen Alarm wegen der Notlage vor dem niederländischen Asylzentrum Ter Apel. Nun kommt die Regierung mit einem Plan.

Flüchtlinge
Asylsuchende verweilen in der Umgebung des nationalen Asylzentrums Ter Apel. Foto: Lars Klemmer
Asylsuchende verweilen in der Umgebung des nationalen Asylzentrums Ter Apel.
Foto: Lars Klemmer

Mit zusätzlichen Millionenausgaben und mehr Wohnungen für Migranten wollen die Niederlande eine seit Wochen anhaltende Asylkrise überwinden. Einen Aufnahmestopp soll es vorerst nicht geben; allerdings sollen Genehmigungen für die Nachreise von Familienangehörigen zeitweilig ausgesetzt werden. Das berichteten niederländische Medien übereinstimmend unter Berufung auf den Entwurf einer Vereinbarung zwischen der Regierung in Den Haag und den Gemeindevertretungen.

Demnach sollen die Kommunen in diesem Herbst insgesamt 20.000 Wohnungen für Flüchtlinge mit Aufenthaltsstatus zur Verfügung stellen. Die Regierung will den Berichten zufolge für verschiedene Projekte in den kommenden Jahren rund 730 Millionen Euro bereitstellen: von zusätzlichen Notunterkünften und flexibel nutzbaren Übergangswohnungen bis hin zu Einbürgerungen und dem Vorgehen gegen Unruhestifter.

Ursache der Krise ist nicht ein großer Zustrom von Flüchtlingen. Dieser ist mit rund 43.000 Menschen pro Jahr stabil. Doch nach Sparmaßnahmen bei der Immigrationsbehörde und der Schließung von Asylzentren fehlten nun Plätze, und es nähmen Wartezeiten zu, sagte Frank Candel, Vorsitzender des niederländischen Flüchtlingswerkes.

»Echte Flüchtlinge ok. Weg mit Unruhestiftern!«

In Ter Apel protestierten am Donnerstagabend mehrere Hundert Menschen - Bewohner des Dorfes sowie aus anderen Orten im Norden der Niederlande - gegen die "Überforderung" der Gemeinde durch das Asylzentrum. Sie trugen Spruchbänder mit Texten wie "Wir haben es satt" und »Echte Flüchtlinge ok. Weg mit Unruhestiftern!«

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen, die jetzt aufgrund der Notlage erstmals auf niederländischem Boden tätig wurde, berichtete, für die Menschen außerhalb des Zentrums gebe es keine Duschen und nur wenige Toiletten, die zudem nicht instand gehalten werden. »Unter den Menschen, die unter solch untragbaren Bedingungen auf dem Feld vor dem Aufnahmezentrum ausharren, sind Schwangere, Kinder sowie Menschen mit chronischen Krankheiten wie Diabetes, von denen einige keine Medikamente mehr zur Verfügung haben«, heißt es in einer am Freitag von der Organisation verbreiteten Mitteilung. »Das Team von Ärzte ohne Grenzen hat in Ter Apel Menschen behandelt, die an Hautkrankheiten, Atemwegserkrankungen, Harnwegsinfektionen, Durchfall und Erbrechen, psychischen Problemen, Zahnproblemen sowie diversen Verletzungen litten.«

Rutte nennt Situation in Ter Apel »schrecklich«

Ministerpräsident Mark Rutte hatte am Donnerstagabend angekündigt, dass die Regierung für Abhilfe sorgen will: Das Kabinett sei derzeit »mit nichts anderem beschäftigt«, sagte er. Die Situation in Ter Apel sei »schrecklich«. Mit dem nun bekannt gewordenen Plan soll dafür gesorgt werden, dass Menschen, die bereits ein Asylverfahren durchlaufen und einen Aufenthaltsstatus bekommen haben, möglichst rasch die Aufnahmezentren verlassen, so dass dort neu ankommende Flüchtlinge untergebracht werden können.

Derweil hat die Europäische Kommission die Niederlande aufgerufen, den Tod eines drei Monate alten Babys in Ter Apel gründlich zu untersuchen, wie ANP berichtete. Das Kind war am Mittwoch in einer als Notunterkunft eingerichteten Sporthalle gestorben. Zur Ermittlung der Todesursache haben die Justiz- und die Gesundheitsbehörde bereits vor der EU-Aufforderung eine Untersuchung eingeleitet. Ein EU-Sprecher erklärte laut ANP, man sei sich der »herausfordernden Situation im Aufnahmezentrum der Niederlande« bewusst und bereit, das Land zu unterstützen.

© dpa-infocom, dpa:220826-99-525763/2