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Ministerpräsident Weil: Schuldenbremse schnell aussetzen

Die Schuldenbremse setzt der Neuverschuldung des Bundes enge Grenzen. Teile von SPD und Grünen wollen sie auch 2023 aussetzen - die Menschen in Deutschland sehen das laut Umfragen allerdings anders.

Stephan Weil
Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, bei einer Veranstaltung in Salzgitter. Foto: Moritz Frankenberg
Stephan Weil (SPD), Ministerpräsident von Niedersachsen, bei einer Veranstaltung in Salzgitter.
Foto: Moritz Frankenberg

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil dringt angesichts absehbarer Belastungen für Wirtschaft und Verbraucher auf eine schnelle Entscheidung über ein Aussetzen der Schuldenbremse. Schon bei der Ministerpräsidentenkonferenz am 28. September sollte Einvernehmen darüber erzielt werden, »dass wir uns in einer Notlage befinden und die von der Schuldenbremse gesetzten Beschränkungen in dieser Lage aussetzen müssen«, sagte Weil der Deutschen Presse-Agentur.

Es sei absehbar, wie belastend das Jahr 2023 sozial und wirtschaftlich werden wird. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir durch diese Situation durchkommen, ohne zumindest zum Teil Kredite aufzunehmen«, betonte Weil. »Jetzt ist die Zeit, in der wir noch die Weichen stellen können. Und das sollten wir unbedingt tun.«

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Es gibt allerdings einen Spielraum, der für den Bund höchstens 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beträgt. Bei Naturkatastrophen oder andere Notsituationen kann die Schuldenbremse ausgesetzt werden, was 2020 und 2021 wegen der Corona-Pandemie geschehen ist.

In der aktuellen Energiekrise mit drastischen Preissteigerungen sieht Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bisher keinen Grund, die Schuldenbremse erneut auszusetzen. Er behält sich einen solchen Schritt allerdings als »Ultima Ratio« vor.

Am 28. September kommen die Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz zu Beratungen über die Energiekrise zusammen. Die Ampel-Koalition in Berlin hat ein Entlastungspaket im Umfang von 65 Milliarden Euro beschlossen, an dem sich auch die Länder beteiligen sollen.

Nach Ansicht von Weil werden die Kosten der Krise deutlich höher ausfallen, wenn der Staat keine Schulden aufnimmt, um noch stärker einzugreifen. Einen Koalitionsstreit mit der FDP erwartet er nicht. »Ich bin mir sicher, das wird nicht zu einem Koalitionskonflikt werden, sondern letztendlich wird die Vernunft entscheiden.«

Mehrheit gegen neue Schulden

Eine Mehrheit der Deutschen findet derweil, dass die Entlastungspakete des Bundes nicht durch noch mehr neue Schulden finanziert werden sollten. Das zeigen Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur.

Demnach wäre nicht einmal jeder Vierte (23 Prozent) bereit, dafür die Schuldenbremse auch im kommenden Jahr auszusetzen. Steuererhöhungen als Möglichkeit für Umverteilung und Entlastung halten nur acht Prozent der Befragten für den richtigen Weg. Elf Prozent könnten einer »Teilfinanzierung über die Bundesländer« etwas abgewinnen. Jeder Zehnte hätte andere Vorschläge. Immerhin 23 Prozent der befragten Wahlberechtigten wussten nicht, wo das Geld herkommen sollte, oder machten dazu keine Angaben.

Unter den Bürgerinnen und Bürgern, die sich für Sparmaßnahmen zur Finanzierung der Entlastungen aussprachen, stieß der Vorschlag, das Personal in den Ministerien und Behörden des Bundes zu reduzieren, auf sehr breite Unterstützung. Den Rotstift bei Bauprojekten des Bundes anzusetzen oder bei der Entwicklungszusammenarbeit zu sparen, wäre unter denjenigen, die Einsparungen für den richtigen Weg halten, weniger populär. Bei Verkehrsprojekten oder bei der Bildung, für die ohnehin in erster Linie die Länder zuständig sind, auf Sparkurs zu gehen, hält kaum jemand für eine gute Idee.

© dpa-infocom, dpa:220918-99-802546/3