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»Merz macht's« - Söder muss sich geschlagen geben

Am Ende bleibt Markus Söder nur der Kniefall vor dem Stärkeren: In der K-Frage muss er Friedrich Merz den Vortritt lassen. Der steht vor seiner schwersten Prüfung. Und hält der Unions-Friede?

Pressekonferenz zu Kanzlerkandidatur-Frage der Union
Die Parteichefs von CDU und CSU einigen sich in der K-Frage. Foto: Kay Nietfeld/DPA
Die Parteichefs von CDU und CSU einigen sich in der K-Frage.
Foto: Kay Nietfeld/DPA

Am Ende machen sie es kurz und schmerzlos - wobei: Für einen der beiden wohl durchaus schmerzhaft. »Die K-Frage ist entschieden: Friedrich Merz macht's«, sagt CSU-Chef Markus Söder und fügt hinzu: »Ich bin damit fein und ich unterstütze dies ausdrücklich.« Merz dankt dem »lieben Markus«, sagt fast schon beschwörend, man habe »eine große Verantwortung in der politischen Mitte unseres Landes« und schließt mit den Worten: »Auf gute weitere Zusammenarbeit vor allem in der vor uns liegenden Zeit, dann aber auch gemeinsam in der Regierungsverantwortung in Deutschland und für Deutschland.«

Wann und wie kam es zu der Entscheidung?

Merz und Söder hatten immer angekündigt, im Spätsommer einen gemeinsamen Vorschlag machen zu wollen. Und trotz aller Wortmeldungen des ehrgeizigen CSU-Vorsitzenden Söder, dass auch er bereit wäre, Verantwortung zu übernehmen: Faktisch lief die K-Frage schon lange sehr klar auf Merz zu, Söder war letztlich chancenlos. Offen war nur noch, wann die Entscheidung verkündet werden soll. Das finale Gespräch zwischen den beiden Parteichefs war nach dpa-Informationen schon seit mehr als einer Woche für diesen Dienstag terminiert. 

Hat Merz die gesamte CDU hinter sich?

Für Merz dürfte es jetzt vor allem darauf ankommen, die eigenen Reihen hinter sich zu schließen. Nur so dürfte er verhindern können, dass der mächtige Bayer doch noch Zeichen von Uneinigkeit nutzt, um Zweifel an Merz unter den Christdemokraten zu schüren. Denn nicht alle CDU-Landeschefs dürften rundum glücklich mit der Entscheidung sein. 

Dass NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst am Montagabend eine klare Empfehlung für Merz ausgegeben hatte, dürfte eine wichtige und in der CDU-Spitze wohl nicht unabgesprochene Weiche für Merz gewesen sein. Der 49-jährige Nordrhein-Westfale gilt in der CDU auch als Kronprinz für den nicht ganz unwahrscheinlichen Fall, dass der 68-jährige Merz - sollte er tatsächlich Bundeskanzler werden - nach vier Jahren aus Altersgründen nicht weitermachen wollte.

Gut möglich, dass die Entscheidung von Merz, den Knoten bei der K-Frage doch schon vor der Landtagswahl in Brandenburg an diesem Sonntag zu durchschlagen, auch mit der Sorge vor drohenden innerparteilichen Turbulenzen zu tun hat. Ein maues Ergebnis für die CDU dort ist zwar schon lange eingepreist. Doch auch die Regierungsbildungen in Sachsen und Thüringen sind für die CDU maximal kompliziert, ist man doch auf das Bündnis Sahra Wagenknecht angewiesen. Zwar hat Merz nach den Wahlen Anfang September versucht, die Verantwortung für die Verhandlungen von sich weg auf die Landesvorsitzenden delegieren. Doch irgendwann werde sich auch Merz positionieren müssen, so die Erwartung in der CDU.

Warum hat Söder klein beigegeben?

Dass Söder gerne Kanzlerkandidat und Kanzler geworden wäre, daran zweifelt auch in der CSU niemand. Zumal nach dem gescheiterten Versuch vor der Bundestagswahl 2021, als er sich dem damaligen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet geschlagen geben musste. Anders als damals hatte Söder diesmal aber nun keine breite Unterstützerschar auch in der CDU hinter sich. Merz gilt in der CDU und auch als Unionsfraktionschef derzeit als unangefochten. 

Auch all die Umfragen, in denen Söder vor Merz lag, nutzen ihm am Ende nichts. Deshalb muss er am Ende einsehen, dass er keine Chance gegen Merz hat. Ihm bleibt nur der Kniefall vor dem Chef der größeren Schwesterpartei: Historisch gesehen habe die CDU »klar das erste Zugriffsrecht«, das sei »ein natürliches Recht«, von dem Merz Gebrauch mache. 

Wie loyal sind Söder und die CSU nun zu Merz?

Das wird sich weisen müssen. Zwar betonen beide am Dienstag, wie eng man - auch persönlich - zusammenstehe. Söder sagt, er unterstütze Merz »nicht zähneknirschend«, sondern der CDU-Chef habe die volle Rückendeckung der CSU und von ihm persönlich. Allerdings gibt es Zweifel in der CDU, ob der Frieden mit Söder von Dauer ist. Etliche fürchten Sticheleien und Querschüsse in Richtung des CDU-Vorsitzenden, wie schon 2021 in Richtung Laschet. Das damalige Ergebnis ist bekannt: Die Union verlor die Bundestagswahl.

Fakt ist: Merz ist im Wahlkampf massiv auf die Unterstützung von Söder und dessen CSU angewiesen. Denn für ein starkes bundesweites Unions-Ergebnis braucht es ein starkes CSU-Resultat in Bayern. Es wird deshalb schon als Zeichen an die CSU gewertet, dass Merz für das Gespräch und die Pressekonferenz zu Söder in die Bayerische Landesvertretung in Berlin fuhr - und dass Söder dort als erster die gemeinsame Entscheidung verkünden durfte.

Doch solche Rücksichtnahmen hin oder her, etliche in der CDU geben sich keinen Illusionen hin: Söders Hauptaugenmerk sei immer Söder selbst, sagt ein erfahrener CDUler. Der Bayer werde sich auch in Zukunft kaum zurücknehmen. Allerdings, auch das ist in der Union zu hören: Beide Chefs wüssten, dass sie beim Projekt Regierungsübernahme aufeinander angewiesen seien. Wenn es schiefgehe, würden beide dafür verantwortlich gemacht.

Wie sind die Chancen für die Union und Merz bei der Bundestagswahl?

Allen Umfragen zufolge können sich die Union - und nun auch Merz persönlich - beste Chancen aufs Kanzleramt ausrechnen. Allerdings: Bis zur Wahl ist es noch ein Jahr hin. Und die Geschichte hat schon oft gelehrt, dass sich da noch einiges verschieben kann. Hinzu kommt: Koalitionsverhandlungen dürften angesichts des breiteren Parteienspektrums kompliziert werden. Dass Söder ein Bündnis mit den Grünen beständig und kategorisch ablehnt, engt einen möglichen Handlungsspielraum für Merz nach der Wahl weiter ein.

In den Ampel-Parteien setzen viele darauf, dass Merz, der mit seinen Positionen und seinen zugespitzten Äußerungen schon öfter polarisiert hat, noch bei potenziellen Wählern anecken wird. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte schon vorher mehrfach gesagt, dass er sich Merz als Herausforderer wünschen würde. Am Dienstag reagiert er, auf Auslandsreise im kasachischen Astana: »Es ist mir recht, wenn Herr Merz der Kanzlerkandidat der Union ist.«

Was ist, wenn Merz doch noch straucheln sollte?

Söder, der seinen Traum vom Kanzleramt nun schon zum zweiten Mal vorläufig begraben musste, dürfte sich für einen solchen - aus heutiger Sicht unwahrscheinlichen - Fall als Ersatzmann sehen. Und nur sich. Wie sagt er doch am Dienstag: »Beide Parteivorsitzenden bilden am Ende das Zentrum der Union. Es gibt viele Ministerpräsidenten, aber nur zwei Parteivorsitzende in der Union.« Ein neuer Seitenhieb wohl auch auf Hendrik Wüst.

Bei Wüst lohnt es sich aber ebenfalls immer, genau zuzuhören. »Ein Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen ist immer ein möglicher Kanzlerkandidat«, sagte er am Montagabend - aber er stehe »aktuell und unter den gegebenen Umständen« nicht für eine Kanzlerkandidatur zur Verfügung. Damit wirft er die Tür zum Kanzleramt nicht ganz zu - etwa für den Fall, dass Merz in den kommenden Monaten doch noch straucheln sollte. In der CDU ist jedenfalls verbreitete Meinung: Auch in diesem Fall solle Söder nicht zum Zug kommen.

© dpa-infocom, dpa:240917-930-235154/1