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Aktuell Außenpolitik

Merkel rechnet in München mit Trump ab

Frontalangriff auf US-Präsident Donald Trump: Kanzlerin Merkel warnt bei der Münchner Sicherheitskonferenz vor den Folgen der »Amerika zuerst«-Politik. Sie kann nicht verstehen, wie man deutsche Autos als Gefahr für die US-Sicherheit einstufen kann.

Angela Merkel
Angela Merkel spricht auf der Sicherheitskonferenz. Foto: Hase/dpa
Angela Merkel spricht auf der Sicherheitskonferenz.
Foto: Hase/dpa

MÜNCHEN. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz die US-Politik scharf kritisiert und vor einem Zerfall internationaler politischer Strukturen gewarnt.

»Wir dürfen sie nicht einfach zerschlagen«, sagte die CDU-Politikerin am Samstag offensichtlich in Anspielung auf US-Präsident Donald Trump. »Es gibt sehr viele Konflikte, die uns herausfordern.«

Merkel warnte Trump davor, die US-Armee vorschnell aus den Bürgerkriegsländern Syrien und Afghanistan zurückzuziehen. Bei den anderen wichtigen Streitpunkten wie der Gaspipeline Nord Stream 2 oder dem Export deutscher Autos in den USA wich die Kanzlerin keinen Schritt zurück. Kurz nach Merkel sollte US-Vizepräsident Mike Pence in München sprechen.

Das US-Handelsministerium ist nach Angaben von Merkel offensichtlich zu der Einschätzung gekommen, dass europäische Autos eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA darstellen. Das sei für Deutschland erschreckend, sagte Merkel. »Wir sind stolz auf unsere Autos. Das dürfen wir ja auch.«

Auf der Grundlage der Einschätzung des Handelsministeriums könnte US-Präsident Donald Trump neue Sonderzölle einführen. Der Wert europäischer Auto- und Autoteilexporte in die USA wurde zuletzt von der EU-Kommission auf mehr als 50 Milliarden Euro pro Jahr.

Merkel sagte, sie verstehe nicht, wie die Amerikaner deutsche Autos als Gefahr für die nationale Sicherheit einstufen könne. "Diese Autos werden gebaut in den Vereinigten Staaten von Amerika. In US-Bundesstaat South Carolina sei das größte BMW-Werk. "Nicht in Bayern, in South Carolina", betonte sie. "Ich glaube, es wäre gut, wir kommen in gute Gespräche miteinander", sagte die Kanzlerin.

Merkel plädierte für einen Ausbau der internationalen Zusammenarbeit, die großen Probleme einer sich schnell verändernden Welt zu lösen. »Wir müssen in vernetzten Strukturen denken. Die militärische Komponente ist davon eine«, sagte die Kanzlerin. Sie betonte dabei die Bedeutung der Nato. »Wir brauchen die Nato als Stabilitätsanker in stürmischen Zeiten. Wir brauchen sie als Wertegemeinschaft.«

Warnung an Bündnispartner

Sie warnte die Bündnispartner davor, alle Beziehungen zu Russland zu kappen. Damit würde man die Zusammenarbeit mit Russland ganz China überlassen würde. »Wir wollen auch ein bisschen an den Handelsbeziehungen teilnehmen«, betonte sie.

Merkel verteidigte in diesem Zusammenhang die Gas-Pipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee. Die Abhängigkeit Europas von russischem Gas hänge nicht davon ab, ob die Pipeline gebaut werde oder nicht. »Ein russisches Gasmolekül bleibt ein russisches Gasmolekül, egal, ob es über die Ukraine kommt oder ob es über die Ostsee kommt.«

Die USA und osteuropäische Länder werfen Deutschland vor, die Abhängigkeit von russischem Gas bei der Energieversorgung durch den Pipeline-Bau zu erhöhen. Niemand wolle das, sagte Merkel. Sie fügte aber hinzu: »Wenn wir im Kalten Krieg (...) russisches Gas in hohem Umfang eingeführt haben, dann weiß ich nicht, warum die Zeiten heute so viel schlechter sein sollen, dass wir nicht sagen, Russland bleibt ein Partner.«

Sie rief China dazu auf, sich an Versuchen zur Rettung des INF-Abrüstungsvertrages zu beteiligen. Sie wisse, dass es bei dem Thema auf chinesischer Seite viele Vorbehalte gebe. Abrüstung sei aber ein Thema, dass alle umtreibe. Die USA hatten den INF-Vertrag Anfang des Monats mit Rückendeckung der Nato-Partner zum 2. August gekündigt. Offizielle Begründung sind Vorwürfe gegen Russland, das Abkommen seit Jahren zu verletzen.

Als weiterer Grund gilt aber auch die Tatsache, dass der aus der Zeit des Kalten Krieges stammende Deal nur Amerikaner und Russen bindet, nicht aber aufstrebende Militärmächte wie China. China soll mittlerweile über knapp 2000 ballistische Raketen und Marschflugkörper verfügen, die unter dieses Abkommen fallen würden.

US-Kündigung unabwendbar

Merkel sagte, nach den jahrelangen Vertragsverletzungen durch Russland sei die US-Kündigung »unabwendbar« gewesen. Trotzdem sei es »eine ganz interessante Konstellation«, dass »ein Vertrag, der im Grunde für Europa gefunden wurde, ein Abrüstungsvertrag der unsere Sicherheit betrifft dann (...) von den Vereinigten Staaten von Amerika und Russland in der Rechtsnachfolge der Sowjetunion gekündigt« werde.

Die Kanzlerin stellte eine weitere Steigerung der deutschen Verteidigungsausgaben in Aussicht, wies aber auch auf die Bedeutung einer umfassenden Entwicklungspolitik hin. Trump drängt seinen Nato-Partner Deutschland, den Verteidigungsetat in fünf Jahren auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufzustocken. Das würde Mehrausgaben in zweistelliger Milliardenhöhe bedeuten. Merkel stellte in Aussicht, bis 2025 1,5 Prozent zu schaffen.

Die Steigerung der Verteidigungsausgaben sei für Deutschland ein »essenzieller Punkt«, sagte Merkel. Die Bundesrepublik leiste aber auch ihre Beiträge im Rahmen von gemeinsamen Einsätzen etwa in Afghanistan. Und: Deutschland sei auch einer der größten Geber auf der Welt bei der Entwicklungszusammenarbeit.

Merkel warnte die USA vor den Folgen eines schnellen Abzugs aus Afghanistan. In Deutschland sei große Überzeugungsarbeit geleistet worden, dass die Sicherheit des Landes auch am Hindukusch verteidigt werde. Sie möchte nicht erleben, »dass wir eines Tages weggehen müssen«, weil die dort sehr vernetzten Strukturen dann wegfielen. (dpa)