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Meloni: Rechts schon als Teenie, »zuallererst Italienerin«

International sorgen die faschistischen Wurzeln ihrer Partei für Irritationen. Doch Giorgia Meloni macht sich nicht viel aus ihren Skeptikern. Nun übernimmt sie die Regierung.

Giorgia Meloni
Meloni ist als erste Frau in der Geschichte Italiens im Amt der Regierungschefin vereidigt worden. Foto: Andrew Medichini
Meloni ist als erste Frau in der Geschichte Italiens im Amt der Regierungschefin vereidigt worden.
Foto: Andrew Medichini

Vor fast genau 30 Jahren klopfte Giorgia Meloni in Rom an eine Tür. Sie hatte beschlossen, sich politisch zu engagieren. Der damals 15-Jährigen wurde aufgemacht, und sie durfte sich einschreiben in die Jugendorganisation des »Movimento Sociale Italiano« (MSI), einer von Faschisten gegründeten Partei. Das war im Juli 1992. Seit Samstag ist die gebürtige Römerin die erste Ministerpräsidentin Italiens. In drei Jahrzehnten hat sich Meloni in dem sonst so patriarchalischen Italien an allen Männern vorbei gekämpft und ist zum Gesicht der Rechten im Land geworden.

Warum gerade die Erben der Faschisten die am 15. Januar 1977 geborene Giorgia überzeugten, ist nicht klar. Meloni spricht von einer Instinktentscheidung. Dass die Wahl mit dem kommunistischen Vater zusammenhing, der die Familie früh verließ, will sie so nicht bestätigen. Ihre Lebenserfahrungen prägten aber durchaus ihre politischen Positionen. Dass sie ohne Vater aufwachsen musste, habe etwa dazu geführt, dass sie die »natürliche Familie«, die aus Mann und Frau bestehe, verteidige, sagt Meloni.

Giorgia und ihre Schwester Arianna wurden im Arbeiterviertel Garbatella in Rom von der Mutter und den Großeltern aufgezogen. Die Partei wurde ihre zweite Familie, der politische Aktivismus ihre Priorität. »Wenn du den Ehrgeiz hast, die Welt zu verändern, gibt es keinen Platz für etwas anderes«, schreibt sie in ihrer Biografie, die auch wie ein Manifest daherkommt. »Wenn es darum geht, eine ganze Nation zu retten, ist es eine unverzeihliche Marotte, sich von seinen persönlichen Bedürfnissen treiben zu lassen«, heißt es da etwa.

Meloni war jüngste Ministerin der Geschichte Italiens

Prinzipientreu, patriotisch, fleißig - so inszeniert sich Meloni auch rückblickend. »Ich habe alle möglichen Jobs gemacht, von der Kellnerin bis zur Barkeeperin«, sagte sie einmal in einem Interview des »Corriere della Sera«. Auf ihrer Webseite bezeichnet sie sich selbst als Politikerin und Journalistin.

Sie kandidierte schon früh für politische Ämter. Der MSI wurde kurz nach ihrem Eintritt in Alleanza Nazionale (AN) umbenannt und 1994 erstmals in die Regierung geholt. Parteichef Gianfranco Fini distanzierte sich 2003 vom Faschismus und bezeichnete diesen als das »absolut Böse«. So eine klare Aussage zu den Wurzeln ihrer Partei vermeidet Meloni bis heute. Sie brach mit ihrem Förderer.

2006 wurde Meloni ins Parlament gewählt und zwei Jahre später die jüngste Ministerin (Jugend und Sport) der Geschichte Italiens. Es ist auf nationaler Ebene die einzige Regierungserfahrung, die sie vorweisen kann. 2012 gründete sie die Partei Fratelli d'Italia.

Ihre Maxime ist »Gott, Vaterland, Familie«

Meloni, die sich bei Twitter mit "immer, überall und zuallererst Italienerin" beschreibt, steht für klar rechte Positionen: Sie will Migranten - vor allem aus Afrika - abwehren und Italien als Nationalstaat innerhalb der EU stärken. Sie will hart gegen Kriminalität vorgehen und neue Gefängnisse bauen. Ihre Maxime ist »Gott, Vaterland, Familie«.

Meloni hat seit 2016 eine Tochter (Ginevra), ist mit deren Vater aber nicht verheiratet. Sie ist gegen das Recht homosexueller Paare, Kinder zu adoptieren. Sie sieht auch keine Not, Homosexuelle oder andere Minderheiten stärker vor Diskriminierung zu schützen. Sie ist gegen Abtreibung - in ihrer Biografie schreibt Meloni, dass ihre Mutter in der Schwangerschaft kurz davor war, sie selbst abzutreiben.

Vieles, was die 45-Jährige über sich selbst erzählt, lässt sich unter einem Motto zusammenfassen: Was mich nicht umbringt, macht mich stärker. Sie erzählt davon, wie sie gemobbt wurde - etwa als Mädchen am Strand von älteren Jungs, die sie als »Fettkloß« beschimpften und ihr einen Volleyball ins Gesicht schossen. Auch schreibt sie in ihrer Biografie, dass sie jeden Tag Angst habe, dass andere sie nicht als gleichwertig betrachteten, und sie sich oft unzulänglich fühle.

»Aber diese Angst ist meine Stärke«, schreibt sie. »Sie ist der Grund, warum ich so gewissenhaft, so hartnäckig, so bereit dazu bin, Opfer zu bringen.« Das Gefühl, nicht gut genug zu sein, führe dazu, auf dem Boden zu bleiben, sagte sie jüngst in einem Interview.

Melonis Selbstverständnis: Frau, Mutter, Christin

Bei ihren Auftritten erscheint Meloni alles andere als unsicher oder ängstlich. Sie scheut keine Konfrontation, wirkt selbstbewusst und meinungsstark. Argumente ihrer Kritiker scheinen an ihr abzuprallen. Ihre Bühne weiß sie zu nutzen - sei es im Fernsehen, vor ihren Anhängerinnen und Anhängern oder in den sozialen Medien.

Am Tag vor der Wahl, als der Wahlkampf ruhen sollte, postete sie auf Instagram ein Foto. In inniger Umarmung ist sie darauf mit ihrer sechsjährigen Tochter in einem Garten zu sehen. So unpolitisch der Blick ins Private auch daherkommen mag - das Bild steht exemplarisch für die Selbstbeschreibung Melonis. Bei einer Kundgebung sagte sie einst: »Ich bin Giorgia, ich bin eine Frau, ich bin eine Mutter, ich bin eine Christin.« Dieser Satz wurde ihr Mantra.

Denke man bei Populisten eher an den Typ Macho oder Alphatier, zeige Meloni, dass Frauen auch zu populistischen Führungsfiguren werden können, die andere Züge haben, sagte der Politikwissenschaftler Mattia Zulianello von der Universität Triest im vergangenen Jahr bei Arte über Meloni. »Indem sie sich als Mutter gibt, die ihre Kinder verteidigt, macht sie sich zur Mutter der Nation - und das funktioniert.«

© dpa-infocom, dpa:221022-99-220736/3