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Linke und AfD ringen um Kurs gegenüber Russland

Bei der Linken ist ein heftiger Streit über die richtige Position gegenüber Putin entbrannt. Auch bei der AfD, die sich ihrer Kontakte zu russischen Spitzenpolitikern rühmte, schlagen die Wellen hoch.

Gysi und Wagenknecht
Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht unterhalten sich bei einer Fraktionssitzung im Oktober 2015. Foto: picture alliance
Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht unterhalten sich bei einer Fraktionssitzung im Oktober 2015.
Foto: picture alliance

Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine herrscht vielerorts Fassungslosigkeit. Kalt erwischt hat der Angriff die AfD und die Linke.

Hinter den Kulissen wird zum Teil heftig über den Kurs gestritten. Beide Parteien sind für ihre Nähe zu Russland bekannt. Doch nun, im Ernstfall, gibt es Bedarf, sich zu sortieren.

In der Linksfraktion führt die Russlandfrage nach der historischen Sondersitzung des Bundestags am Sonntag zu einem Eklat auf offener Bühne: Der außenpolitische Sprecher Gregor Gysi schreibt einen wütenden Brief an die Fraktionsmitglieder und übt scharfe Kritik an der ehemaligen Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sowie sechs weiteren Abgeordneten. Sie haben eine Erklärung verfasst, in der sie unter anderem deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine und Wirtschaftssanktionen gegen Russland ablehnen.

Selbstverteidigungsrecht abgesprochen?

Gysi wirft der Gruppe um Wagenknecht vor, die Linie von Fraktionsspitze und Parteiführung zu »konterkarieren«. Mit dem kategorischen Nein zu Waffenlieferungen spreche man »der Ukraine faktisch das Selbstverteidigungsrecht ab« und sei »indirekt dafür, dass sie nur die Chance zur bedingungslosen Kapitulation« bekomme. »Ihr seid nur daran interessiert, eure alte Ideologie in jeder Hinsicht zu retten«, schreibt Gysi und unterstellt seinen Fraktionskollegen eine »völlige Emotionslosigkeit« hinsichtlich des ukrainischen Leids. Und er stellt eine Frage, die direkt ins Mark seiner Partei zielt: »Müssen nicht auch wir über uns nachdenken, eine gewisse Zäsur begreifen?« Er werde auch über seine Rolle als außenpolitischer Sprecher nachdenken müssen.

Wagenknecht empört sich daraufhin auf ihrer Webseite über Gysis Vorwürfe. Der Deutschen Presse-Agentur sagt sie: »Ich finde es infam, mir und anderen Fraktionskollegen zu unterstellen, wir hätten Verständnis für Putins völkerrechtswidrigen Krieg gezeigt und kein Mitgefühl mit den Toten und Verletzten.« Das sei »Rufmord«, über den sie »wirklich entsetzt« sei.

Ihre Fraktion habe geschlossen gegen den Entschließungsantrag gestimmt, den die Regierungsparteien zusammen mit der Union zum Russland-Ukraine-Konflikt vorgelegt hatten und der auch die Prüfung weiterer militärischer Hilfe für die Ukraine vorsieht. Gysi habe eine Zustimmung angeregt und sich damit nicht durchsetzen können, sagt Wagenknecht. Sie halte es »nicht für hilfreich, dass wir diese Debatte jetzt über die Medien führen«.

Sie bleibe bei ihrer Überzeugung, »dass wir das furchtbare Sterben und das Leid in der Ukraine nicht dadurch beenden können, dass wir Waffen liefern und dass Deutschland jetzt in eine beispiellose Aufrüstung einsteigt«, sagt Wagenknecht. Sie schlägt vor, Putin auf diplomatischem Weg ein Angebot zu machen - während andere führende Mitglieder der Fraktion hinter vorgehaltener Hand noch weiterreichende Sanktionen befürworten würden.

AfD an Achillesferse getroffen

Die AfD trifft diese Krise an ihrer Achillesferse. Denn die Partei tritt seit Jahren für ein enges Verhältnis zu Russland ein. Der Partei- und Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla traf Russlands Außenminister Sergej Lawrow und trat im Juni 2021 bei einer Konferenz des russischen Verteidigungsministeriums auf. Die AfD hat jedoch auch Mitglieder, die angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine jetzt nicht nur eine klare Benennung des Verantwortlichen Russland einfordern, sondern auch einen umfassenden Kurswechsel - so wie ihn die Linksfraktion im Bundestag zumindest in der Plenarsitzung am Sonntag vollzogen hat. In den vergangenen Tagen gab es dazu heftige interne Diskussionen. Bei einer für nächste Woche geplanten Fraktionsklausur wird eine weitere Aussprache erwartet.

In einem Krieg, an dem eine Nuklearmacht wie Russland beteiligt sei, »gibt es keine einfache Lösung«, sagt der AfD-Bundestagsabgeordnete Joachim Wundrak. Der ehemalige Bundeswehr-General befürwortet die gegen Russland verhängten Sanktionen. Er erklärt: vor dem Angriff am Donnerstag sei seine Partei gegen Sanktionen gewesen. Damals habe man alles tun wollen, um zu deeskalieren. Jetzt seien Sanktionen jedoch »der einzige Hebel, wobei noch nicht klar ist, wie die wirken«. Die Bundesregierung müsse in jedem Fall darauf achten, dass sich Deutschland damit nicht selbst zu sehr schade.

Sanktionen wirkungslos?

Sein Fraktionskollege Petr Bystron hält die Sanktionen für falsch. Er ist sicher: »Die Sanktionen bewirken keine Änderung der russischen Haltung zur Ausdehnung der Nato bis an die Grenzen Russlands, und sie werden keinen Einfluss auf den Verlauf des Krieges in der Ukraine haben.«

Mitte Februar hatte Bystron, der außenpolitischer Sprecher der Fraktion ist, noch in einer Pressemitteilung erklärt: »Während sich die Nato-Partner in den letzten Wochen in aggressiver Rhetorik und Anschuldigungen gegenüber Russland übten, lässt Russland Taten sprechen: Ein großer Teil der russischen Streitkräfte soll nach Beendigung des Manövers von der ukrainischen Grenze abziehen.« Er führte damals weiter aus: »Diese Friedensgeste der russischen Führung zeigt, dass die Kriegsgefahr und eine angeblich bevorstehende russische Invasion der Ukraine nicht der Realität entsprechen.«

Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel nennt den russischen Angriff jetzt zwar einen »Verstoß gegen das Völkerrecht«. Die deutschen Waffenlieferungen an die Ukrainer lehnt sie jedoch ab. Über einen Sprecher teilt sie auf Nachfrage mit: »Deutschland sollte als ehrlicher Makler auftreten und diplomatische Prozesse anstoßen. Wir sollten nicht durch Waffenlieferungen in Kampfhandlungen eingreifen.«

© dpa-infocom, dpa:220301-99-335510/4