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Lindner plant Bundesfinanzkriminalamt gegen Geldwäsche

Deutschland gilt vielen als Paradies der Geldwäsche. Finanzminister Christian Lindner will jetzt der »Spur des Geldes« konsequenter folgen - und rennt damit anscheinend offene Türen ein.

Christian Lindner
Bundesfinanzminister Christian Lindner plant den Aufbau eines Bundesfinanzkriminalamts. Foto: Christophe Gateau
Bundesfinanzminister Christian Lindner plant den Aufbau eines Bundesfinanzkriminalamts.
Foto: Christophe Gateau

Deutschland hat bei der Bekämpfung von Geldwäsche international keinen guten Ruf - jetzt will Finanzminister Christian Lindner den Bereich neu organisieren. Künftig sollten auch großangelegte Fälle von Finanzkriminalität konsequenter verfolgt und aufgedeckt werden, hieß es am Dienstag aus dem Ministerium des FDP-Politikers. Lindner will dafür eine neue Bundesbehörde aufbauen, die die bisher zersplitterten Kompetenzen bündeln soll. Zuerst berichtete darüber der »Spiegel«.

Laut einem Eckpunktepapier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, sind unter dem Dach der neuen, noch namenlosen Behörde, drei Säulen geplant: Ein ebenfalls neu zu gründendes Bundesfinanzkriminalamt soll gezielt komplexe Fälle illegaler Finanzflüsse aufklären.

Linder will »Paradigmenwechsel«

Dabei sollen die Ermittler nicht primär von der Straftat an sich ausgehen, sondern der Spur des Geldes folgen, das daraus erbeutet wurde. »Ich schlage einen Paradigmenwechsel vor«, sagte Lindner dem »Spiegel«. »Wir müssen der Spur des Geldes konsequent folgen, anstatt uns mit der Aufdeckung einer Straftat, die mit Geldwäsche in Zusammenhang steht, zufriedenzugeben.« Auch für die Durchsetzung von Sanktionen, wie etwa im Zuge des Ukraine-Kriegs, soll das Finanzkriminalamt zuständig sein.

Die bisherige Anti-Geldwäsche-Einheit FIU soll mit Hilfe von Computerprogrammen aus den Verdachtsmeldungen Fälle herausfiltern, denen die Fahnder nachgehen. Drittes Standbein soll eine koordinierende Zentralstelle für die Aufsicht über den sogenannten Nichtfinanzsektor sein - also etwa die Immobilienwirtschaft und die Glücksspielbranche, in denen laut »Spiegel« besonders viel Schwarzgeld in den regulären Wirtschaftskreislauf zurück geschleust wird. Bisher sind mehr als 300 kleinere Behörden für diese Bereiche zuständig, die nun zentral koordiniert werden sollen.

Überwiegend kleine Fälle von Geldwäsäche aufgeflogen

Erfolge bei der Bekämpfung von Geldwäsche habe es zuletzt überwiegend bei kleineren Fällen gegeben, hieß es aus dem Finanzministerium. Es gelinge noch nicht ausreichend, systematische, große Fälle zu verfolgen und das Geld dann auch einzuziehen.

Zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Finanzministerium habe es zu Planungen für die Gründung und den Aufbau eines Bundesfinanzkriminalamtes zwar bereits einen »ersten Austausch« gegeben, teilte eine Sprecherin des Innenministeriums auf Anfrage mit. Auch würden die Bestrebungen des Finanzministeriums, die Finanzkriminalität schlagkräftiger zu bekämpfen und die Sanktionsdurchsetzung zu effektivieren, von Seiten des Bundesinnenministeriums begrüßt. Gleichzeitig hielt die Sprecherin fest: »Eine abgestimmte Position der Bundesregierung gibt es noch nicht.«

Vielmehr stellten sich für die praktische Ausgestaltung der Vorschläge noch einige Fragen, so die Sprecherin. Diese gelte es unter Beteiligung der betroffenen Stellen auf Bundes- und Länderebene in einem gemeinsamen Meinungsbildungsprozess zu klären.

Zu den Details von Lindners Vorschlag gibt es in der Ampel-Koalition wohl noch Abstimmungsbedarf. Aus den Reihen der Grünen kam aber generelle Zustimmung. »Es ist eine gute Nachricht, dass das Bundesfinanzministerium jetzt einen Aufschlag präsentiert und eine eigenständige Einheit auf Bundesebene schaffen möchte«, sagte der Grünen-Obmann im Innenausschuss, Marcel Emmerich. »Viel zu lange hatten zu viele Akteure den Hut auf, fehlten Ressourcen und das nötige Wissen.« Weil viele Kriminelle mit ihrem »schmutzigen Geld« Häuser, Wohnungen oder Grundstücke bar und ohne Nachweis bezahlten, sei neben einer Bundesbehörde auch ein Immobilienregister nötig.

Es geht um rund 100 Milliarden Euro pro Jahr

Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, es gehe bei der Geldwäsche um etwa 100 Milliarden Euro pro Jahr. Der Staat bekomme bisher "weniger als ein Prozent des
schmutzigen Geldes zu Gesicht". Auch die Durchsetzung der EU-Sanktionen gegen russische Oligarchen lasse in Deutschland bisher zu wünschen übrig. Daher sei es "genau richtig, die Geldwäschebekämpfung und Sanktionendurchsetzung auf Bundesebene zusammen zu organisieren". Allerdings müsse die Kriminalpolizei der
Länder an dem neuen Modell beteiligt werden, sonst sei es zum Scheitern verurteilt.

Auch der rechtspolitische Sprecher der oppositionellen Union, Günter Krings, nannte die Vorschläge »richtig und überfällig«. Konrad Duffy von der Bürgerbewegung Finanzwende kritisierte, Lindners Vorschläge blieben an wichtigen Stellen vage oder gingen nicht weit genug. Die Geldwäscheaufsicht müsse komplett zentralisiert werden, bei dem neuen Amt dürften Themen wie schwere Steuerkriminalität à la Cum-Ex nicht ausgeklammert werden. Der Linken-Abgeordnete Pascal Meiser forderte eine Pflicht zur Offenlegung der tatsächlichen Eigentümer von Immobilien und Unternehmensanteilen sowie der Herkunft größerer Vermögen.

Der Deutsche Richterbund hält eine effektivere Bekämpfung von Geldwäsche nur für möglich, wenn zugleich die Strafjustiz personell verstärkt wird. Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn sagte: »Gelingt es den Finanzbehörden künftig besser, aus der Flut von rund 200 000 Verdachtsmeldungen der Banken, Versicherungen oder Notare pro Jahr die relevanten Hinweise auf Straftaten herauszufiltern und weiterzugeben, wird die Zahl der Geldwäscheverfahren bei Staatsanwaltschaften und Gerichten sprunghaft steigen.«

© dpa-infocom, dpa:220823-99-487109/6