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Lauterbach dringt auf schnelles Eindämmen der Corona-Welle

Die Tage flächendeckender Corona-Auflagen sind gezählt - so ist es beschlossene Sache. Doch die Ansteckungen breiten sich nach wie vor stark aus.

Karl Lauterbach
»Wir können es nicht lassen, wie es derzeit ist«: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Foto: Kay Nietfeld
»Wir können es nicht lassen, wie es derzeit ist«: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.
Foto: Kay Nietfeld

Unter dem Druck hoher Corona-Infektionszahlen rücken weitergehende Schutzmaßnahmen in vielen Regionen Deutschlands in den Blick.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach forderte die Länder zum schnellen Gegensteuern mit zusätzlichen Alltagsauflagen nach dem umstrittenen neuen Infektionsschutzgesetz auf. »Wir können es so nicht laufen lassen«, sagte der SPD-Politiker. Von mehreren Ländern kamen Forderungen, geltende Schutzregeln länger in Kraft zu lassen als nur bis Anfang April. Lauterbach rief alle Nicht-Geimpften auf, sich wegen bisher höchster Ansteckungsgefahr impfen zu lassen.

Die Virus-Ausbreitung beschleunigte sich laut Robert Koch-Institut (RKI) weiter. »Die Pandemie ist noch nicht vorbei, im Gegenteil«, sagte Präsident Lothar Wieler in Berlin. »Jede Woche sterben aktuell mehr als 1000 Menschen im Zusammenhang mit einer Omikron-Infektion in unserem Land.« Binnen einer Woche seien zuletzt etwa drei Prozent der Bevölkerung positiv getestet worden. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg weiter auf den Höchstwert von nun 1756,4 - nach 1752,0 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen am Vortag. Registriert wurden 288 weitere Tote in 24 Stunden. Die Gesundheitsämter meldeten 296.498 neue Fälle an einem Tag - tatsächlich dürften es mehr als doppelt so viele sein, sagte Lauterbach mit Blick auf eine hohe Dunkelziffer.

»Von einem 'Freedom Day' kann keine Rede sein«

Der Minister sprach von einer schweren Corona-Welle. »Von einem 'Freedom Day' kann keine Rede sein - ganz im Gegenteil«. In Kliniken seien Belegschaften stark infiziert, teils gebe es Notbetrieb. Es sei eine Situation entstanden, in der man nicht einfach abwarten könne, bis besseres Wetter die Lage entspanne. Nötig sei, »unmittelbar und schnell« zu reagieren. Die Länder müssten die im neuen bundesweiten Rechtsrahmen vorgesehene »Hotspot«-Regelung jetzt unbedingt nutzen.

Das weitere Krisenmanagement steht allerdings unter akutem Zeitdruck - und im Zeichen offenen Ärgers zwischen Bund und Ländern. Denn gegen geballte Proteste der Länder setzte die Ampel-Koalition eine neue bundesweite Rechtsgrundlage durch, die nur noch wenige allgemeine Schutzregeln etwa zu Masken und Tests in Einrichtungen wie Kliniken und Pflegeheimen erlaubt. Die Länder können nach einer Übergangsfrist bis 2. April aber weitergehende Beschränkungen zum Beispiel mit mehr Maskenpflichten und Zugangsregeln für regionale »Hotspots« verhängen, wenn das Landesparlament für diese eine kritische Lage feststellt.

Holetschek: »Hotspot-Bestimmungen zu unbestimmt«

Bis Ende kommender Woche müssten also Anschlussregelungen stehen - doch die Umsetzung ist strittig. Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen, Baden-Württemberg und das Saarland forderten eine Verlängerung der bis 2. April möglichen strengeren Regeln um vier Wochen. Das würde es erlauben, Schutzmaßnahmen beizubehalten, ohne dass Beschlüsse der Landesparlamente nötig seien, sagte NRW-Ressortchef Karl-Josef Laumann (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. Sein bayerischer Kollege Klaus Holetschek (CSU) sagte der dpa: »Die Hotspot-Bestimmungen sind viel zu unbestimmt und lassen es einfach nicht zu, rechtssicher Regelungen umzusetzen.« Es sei gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern schwierig zu sagen: »Wir probieren mal, ob das hält oder nicht.«

Schwellenwerte, ab wann eine Region ein Hotspot ist, sind im Gesetz nicht beziffert. Generelle Voraussetzung ist, dass wegen besonders hoher Fallzahlen dort eine Überlastung der Klinikkapazitäten droht. Lauterbach ging auf die Kritik ein und nannte vier Kriterien dafür: Wenn Kliniken die Notfallversorgung nicht mehr leisten könnten, wenn sie planbare Eingriffe absagen oder in andere Häuser verlegen müssen sowie wenn eine Mindest-Präsenz von Pflegekräften nicht möglich ist.

Lauterbach bekräftigte, dass Hotspots ganze Bundesländer umfassen können - wenn überall Überlastung drohe. Es gebe da keinen Dissens in der Regierung. An diesem Montag will er mit seinen Länderkollegen über die Umsetzung sprechen und rief dafür zur Zusammenarbeit auf. »Gegenseitige Vorwürfe bringen uns im Moment überhaupt nicht weiter.« Der FDP-Abgeordnete Stephan Thomae verteidigte den Kurs der Koalition als »echten Paradigmenwechsel« weg von pauschalen, flächendeckenden Freiheitseinschränkungen hin zu passgenauen Maßnahmen.

Lauterbach wirbt erneut für Impfpflicht

Lauterbach richtete einen eindringlichen Appell an Ungeimpfte, sich zumindest eine erste, bereits schützende Impfung geben zu lassen. Sie könnten einer Ansteckung bei den hohen Fallzahlen so gut wie nicht mehr entgehen und müssten damit rechnen, sich in den nächsten Tagen zu infizieren. »Derjenige, der sich sagt, ich bin jetzt zwei Jahre durch die Pandemie gekommen und hab mich nie infiziert - der muss bedenken, dass das Risiko jetzt höher ist, als es je für ihn war.«

Der Minister sprach sich dafür aus, offensiver bei Viert-Impfungen vorzugehen - also einem zweiten »Booster« nach einem Grundschutz mit zwei Spritzen. Es gebe 13,5 Millionen Menschen über 70 Jahre, für die dies empfohlen sei. Bisher hätten aber nur zehn Prozent der Menschen eine vierte Impfung, die dafür in Frage kämen. Lauterbach warb erneut um Zustimmung im Bundestag für eine allgemeine Corona-Impfpflicht.

© dpa-infocom, dpa:220325-99-667795/4