Bei einem mutmaßlichen Autobombenanschlag in der Nähe von Moskau ist nach Angaben russischer Ermittler am Samstagabend die Journalistin und Politologin Darja Dugina getötet worden. Sie war die Tochter des rechtsnationalistischen Ideologen Alexander Dugin, der als Vertrauter und Ideengeber des russischen Präsidenten Wladimir Putin gilt - auch für den Angriff auf die Ukraine. Die 29-Jährige vertrat ähnliche Positionen wie ihr Vater, verteidigte den russischen Angriffskrieg und bezeichnete Ukrainer als »Unmenschen«. Die Ermittler ließen offen, ob der mutmaßliche Mordanschlag Duginas Vater gegolten haben könnte.
Ukraine weist Beteiligung an Explosion zurück
Unter russischen Nationalisten und prorussischen Kräften in der Ukraine löste der Anschlag Entsetzen aus. Sie machten die ukrainische Seite für Duginas Tod verantwortlich. Kiew wies eine Beteiligung an dem mutmaßlichen Anschlag zurück. »Die Ukraine hat natürlich mit der gestrigen Explosion nichts zu tun, weil wir kein krimineller Staat sind - wie die Russische Föderation - und schon gar kein Terrorstaat«, sagte Präsidentenberater Mychajlo Podoljak dem Internetportal Ukrajinska Prawda zufolge am Sonntag.
Selenskyj: »Wir müssen standhalten«
Vor Bekanntwerden der Auto-Explosion rief der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer am Samstagabend verbreiteten Videobotschaft seine Landsleute zum Zusammenhalt auf. »Für den Sieg der Ukraine müssen wir kämpfen, es gibt noch viel zu tun, wir müssen standhalten und noch viel ertragen, leider auch viel Schmerz.« Für die kommende Woche kündigte er den Besuch von Partnern in Kiew an.
Am 24. August feiert die Ukraine ihren Unabhängigkeitstag. Erinnert wird am gleichen Tag auch an ein halbes Jahr russischer Angriffskrieg. Selenskyj warnte, dass Russland den Unabhängigkeitstag für besondere Brutalität nutzen könnte, sprach aber auch davon, dass sich auf der seit 2014 von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim eine Rückeroberung anbahne. In den vergangenen Wochen hatte es dort mehrfach Explosionen gegeben. Auch am Samstagabend war die Luftabwehr am Sitz der russischen Schwarzmeerflotte in der Hafenstadt Sewastopol nach Behördenangaben wieder aktiv.
Gouverneur: Russische Flugabwehr erneut über Krim aktiv
Über der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim ist laut Behördenangaben erneut ein ukrainischer Angriffsversuch abgewehrt worden. Die russische Flugabwehr habe »Objekte« getroffen, die im Anflug auf den Militärflugplatz Belbek bei Sewastopol gewesen seien, schrieb der Verwaltungschef der Stadt, Michail Raswoschajew, am Sonntagabend auf Telegram. Unabhängig überprüfen ließen sich die Angaben zunächst nicht.
Erst am Samstag hatte es in Sewastopol eine Explosion gegeben, nachdem russischen Angaben zufolge eine Drohne am Stab der Schwarzmeerflotte von der Luftabwehr abgeschossen worden sein soll. Opfer gab es demnach keine.
Russland wirft Ukraine erneut Beschuss von AKW vor
In der Südostukraine wurde das von russischen Truppen besetzte Kernkraftwerk Saporischschja nach Angaben der Besatzungsbehörden erneut von ukrainischem Militär mit Artillerie angegriffen. Kritische Objekte seien aber nicht getroffen worden, hieß es in einer am Samstag veröffentlichten Mitteilung der russischen Militärverwaltung in der Stadt Enerhodar, wo Europas größtes AKW steht. Demnach soll Nato-Munition vom gegenüberliegenden Ufer des Dnipro-Flusses abgefeuert worden und auf dem Gelände des AKW eingeschlagen sein, hieß es.
Die Angaben waren nicht unabhängig überprüfbar. Russland und die Ukraine werfen sich immer wieder gegenseitig vor, das Kernkraftwerk zu beschießen und Provokationen zu planen.
Bundesregierung erwartet Einbruch der russischen Wirtschaft
In Deutschland kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz an, auch weiterhin sicherstellen zu wollen, »dass es keine Eskalation des Krieges gibt«. Das sagte er am Sonntag bei einem Bürgerdialog im Kanzleramt zum Tag der offenen Tür der Bundesregierung. Aktuell gehe es Russland um Gebietsgewinne im Osten der Ukraine, sagte Scholz. Doch es sei nicht einmal sicher, dass es dabei bleiben würde. Nachgeben sei da keine vernünftige Strategie. Er werde den Dialog mit Putin dennoch nicht beenden, kündigte Scholz an. Hier gelte, dabei müsse »man klar sein, und darf sich auch nicht einschüchtern lassen.«
Auch die zuletzt durch Äußerungen von FDP-Vize Wolfgang Kubicki angeheizte Debatte um die Zukunft der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2 setzte sich fort. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erteilte einer Inbetriebnahme, die Kubicki am Freitag gefordert hatte, erneut eine Absage. Damit würde man indirekt sagen, Putin habe Recht, warnte der Grünen-Politiker am Sonntag beim Tag der offenen Tür in seinem Ministerium in Berlin. »Hat er aber nicht!« Mit der großen Abhängigkeit von russischem Gas habe Deutschland einen Fehler gemacht. Kubicki hatte für seinen Vorstoß bereits viel Kritik einstecken müssen - auch von der eigenen Partei.
Obwohl Russland derzeit stark von hohen Gaspreisen profitiert, rechnet die Bundesregierung angesichts der von der Europäischen Union und ihrer Partner verhängten Sanktionen mit einem Einbruch der russischen Wirtschaft von bis zu 15 Prozent in diesem Jahr. Das geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums an den Linken-Abgeordneten Sören Pellmann hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Pellmann zweifelte die Bewertung an und forderte »eine ehrliche Bestandsaufnahme der Wirkung der Sanktionen«.
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