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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Wegen Luftangriffen in der Ukraine sitzen Millionen Menschen im Dunkeln und im Kalten. Die Führung in Kiew richtet deshalb wieder dringende Appelle an den Westen. Nachrichten im Überblick.

Kiew
Rettungskräfte stehen in der Nähe eines beschädigten Gebäudes in Kiew. Foto: Ukrinform
Rettungskräfte stehen in der Nähe eines beschädigten Gebäudes in Kiew.
Foto: Ukrinform

Die Ukraine bittet den Westen dringend um die Lieferung moderner Panzer und Luftabwehr gegen russische Angriffe - doch aus Moskau kommen Drohungen. Speziell die von den USA erwogene Stationierung von Patriot-Systemen würde Washington noch mehr zur Konfliktpartei machen, warnte das Außenministerium in Moskau. In Berlin billigte der Bundestag die angekündigten Energiepreisbremsen, um die Bürger von den Folgen des Kriegs zu entlasten.

Seit der russischen Invasion ins Nachbarland im Februar haben Deutschland, die USA und andere Verbündete ihre Waffenlieferungen an die Ukraine stetig ausgeweitet. Doch vor allem wegen der ständigen russischen Luftangriffe auf Strom- und Gasnetze fordert Kiew mit Nachdruck mehr.

Selenskyj appelliert an die EU

Präsident Wolodymyr Selenskyj richtete einen direkten Appell zur Lieferung moderner Panzer an den EU-Gipfel in Brüssel, der auch ein neues Sanktionspaket gegen Russland auf der Tagesordnung hatte. »Derjenige, der als erster moderne Panzer liefert, eröffnet die Möglichkeit für Lieferungen aus der ganzen Welt und wird als einer der größten Verteidiger der Freiheit unserer Zeit im Gedächtnis bleiben«, sagte Selenskyj. Dasselbe gelte für weiter reichende Artillerie- und Raketensysteme, die das Ende der russischen Aggression schneller herbeiführen könnten.

Selenskyj hatte schon in der Nacht zum Donnerstag gesagt: »Diese Woche haben wir einen bedeutenden Fortschritt in der Frage der Flugabwehr gemacht.« Details nannte er nicht. Doch hatten US-Medien berichtet, Washington erwäge eine Lieferung des Patriot-Flugabwehrsystems an Kiew - was militärisch große Bedeutung haben könnte. Denn einerseits könnten die Infrastruktur und Bevölkerungszentren in der Ukraine besser gegen zerstörerische russische Luftangriffe geschützt werden, während sich andererseits die Bewegungsfreiheit der ukrainischen Streitkräfte am Boden vergrößert.

Die russische Botschaft in den USA reagierte mit der Warnung vor »unvorhersehbaren Folgen«. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, sagte, sollten Patriot-Systeme in der Ukraine stationiert werden, wären diese für Russland »rechtmäßige vorrangige Ziele«. Damit würde die US-Beteiligung an dem Konflikt in der Ukraine noch einmal deutlich ausgeweitet, sagte sie. »Washington hat sich schon selbst zur Konfliktpartei gemacht auf der praktischen Ebene.«

UN-Hochkommissar warnt vor »extremem Leid«

In der Ukraine könnten die russischen Angriffe auf zivile Ziele nach Einschätzung des UN-Menschenrechtsbüros in diesem Kriegswinter extremes Leid bringen. Mehr als zehn Millionen Menschen hätten mit Stromausfällen zu kämpfen, und mehrere Millionen seien nicht mehr regelmäßig mit Wasser und Wärme versorgt, sagte der Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk. Auch weitere Vertreibungen seien zu befürchten. Türk forderte die Einhaltung des internationalen Kriegsrechts, das Angriffe auf die Bevölkerung und zivile Einrichtungen verbietet.

Der UN-Menschenrechtschef hob das Leid der ukrainischen Kinder hervor. Etwa 1,5 Millionen Kinder seien dem Risiko von Depression, Angstzuständen und psychischen Problemen ausgesetzt. Der Ombudsmann des ukrainischen Parlaments, Dmytro Lubinez, hatte zuvor den russischen Besatzern in der Süd- und Ostukraine zuvor Folter von Minderjährigen vorgeworfen. Im Gebiet Cherson habe man zehn Folterkammern entdeckt.

Kein Waffenstillstand über die Feiertage

Einen Waffenstillstand über Neujahr und das orthodoxe Weihnachtsfest lehnen aber nicht nur Russland, sondern auch die ukrainische Militärführung ab. Waffenruhe könne es erst geben, »wenn kein Besatzer mehr auf unserem Boden ist«, sagte General Olexij Hromow.

Aktuell habe sich die Situation an der Front »nicht wesentlich« geändert, sagte Hromow. Im Luhansker Gebiet seien die ukrainischen Truppen etwa anderthalb Kilometer auf die Kleinstadt Kreminna vorgerückt. Im Süden des Landes beschossen russische Truppen die von der ukrainischen Armee befreite Großstadt Cherson. Nach ukrainischen Angaben gab es zwei Tote und zwei Verletzte.

In der Ostukraine meldeten die russischen Besatzer starken Beschuss der von ihnen kontrollierte Stadt Donezk. Ihren Angaben zufolge wurden dabei mindestens ein Mensch getötet und neun weitere verletzt. Die Angaben der Kriegsparteien sind oft nicht unabhängig zu überprüfen.

Energiepreisbremsen beschlossen

Menschen in Deutschland bekommen den Krieg vor allem über die hohe Inflation zu spüren. Dagegen setzte die Europäische Zentralbank eine weitere Erhöhung des Leitzinses um 0,5 Prozentpunkte. Die stark gestiegenen Energiepreise sollen durch die vom Bundestag beschlossenen Preisbremsen für Strom und Wärme gedämpft werden. Für private Haushalte und kleine und mittlere Firmen sollen die Preisbremsen ab März gelten, für Januar und Februar ist eine rückwirkende Entlastung geplant. Für große Industrieverbraucher greift die Gaspreisbremse ab Januar.

Auch hat die Bundesrepublik mehr als eine Million Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen. Wie eine repräsentative Befragung von 11 000 Ukrainerinnen und Ukrainern ergab, will jede oder jeder Dritte für immer oder für mehrere Jahre in Deutschland bleiben. Rund ein Drittel der Geflüchteten will Deutschland nach einem Ende des Krieges wieder verlassen. 27 Prozent der Befragten waren unentschieden.

© dpa-infocom, dpa:221215-99-907133/6