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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

In der Region um das Atomkraftwerk Saporischschja wurde am Donnerstag weiter gekämpft. Trotzdem kam ein Expertenteam sicher an. Jetzt soll die Gefahren analysiert werden. Die Ereignisse im Überblick.

Rafael Grossi
Die 14-köpfige Experten-Mission unter Leitung von IAEA-Chef Rafael Grossi hat nach gefährlicher Anreise das Atomkraftwerk Saporischschja erreicht. Foto: Andriy Andriyenko
Die 14-köpfige Experten-Mission unter Leitung von IAEA-Chef Rafael Grossi hat nach gefährlicher Anreise das Atomkraftwerk Saporischschja erreicht.
Foto: Andriy Andriyenko

Aus Sorge vor einem atomaren Unglück durch den Krieg in der Ukraine wird Europas größtes Atomkraftwerk Saporischschja jetzt erstmals von einem Team internationaler Experten überprüft. Die Mission der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) traf am Donnerstag nach wochenlangen Vorbereitungen in dem AKW ein und nahm ihre Arbeit auf.

Die Arbeiten sollen zunächst mehrere Tage dauern. Die IAEA strebt eine dauerhafte Mission dort an. Das Kraftwerk im Süden der Ukraine ist schon seit einem halben Jahr von russischen Truppen besetzt. Immer wieder steht es unter Beschuss - auch am Donnerstag wieder. Beide Kriegsparteien machen sich gegenseitig dafür verantwortlich.

Die 14 Experten unter Leitung von IAEA-Chef Rafael Grossi erreichten erst nach gefährlicher Anreise das Kraftwerk. Der Konvoi musste mehrfach stoppen, um nicht selbst unter Beschuss zu geraten. »Wir haben eine sehr wichtige Mission zu erfüllen«, sagte Grossi. Die Ukraine setzte unterdessen ihre Versuche fort, Gelände von den russischen Besatzern zurückzugewinnen. Moskau empörte sich über Reise-Restriktionen für Russen durch die EU. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte, mit dem Krieg solle das Entstehen einer »antirussischen Enklave« in der Ukraine verhindert werden. Dort begann ein neues Schuljahr - unter besonderen Umständen.

IAEA-Mission kann Arbeit in AKW aufnehmen

Das IAEA-Team traf gegen 13.15 Uhr MESZ in Saporischschja ein. Kurz zuvor sei das Kraftwerk noch beschossen worden, berichtete der ukrainische Betreiberkonzern Enerhoatom. Grossi hatte bei der Abfahrt betont, er sei sich der Gefahren bewusst. Die Mission sei aber zu wichtig, um sie im letzten Moment abzublasen. Nach der ersten Besichtigung sagte er: »Wir haben uns heute eine ganze Menge angesehen und mit der ersten Bewertung begonnen.« Die eigentliche Arbeit beginne aber erst jetzt.

Grossi sagte am Abend in einem Video, die IAEA werde eine andauernde Präsenz am Kraftwerk etablieren. Russland hatte sich offen gezeigt für eine dauerhafte Mission der IAEA am Kraftwerk. Kiew besteht hingegen auf dem vollständigen Abzug der russischen Truppen und einer Demilitarisierung der Kraftwerksumgebung. Die IAEA-Mission solle dafür den ersten Schritt darstellen.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow versprach Unterstützung, forderte von dem Team aber »Objektivität«. Mit sechs Reaktoren - von denen derzeit zwei in Betrieb sind - und einer Kapazität von 5700 Megawatt ist es die leistungsstärkste Nuklearanlage in Europa. Der Vertreter der russischen Besatzer, Wladimir Rogow, sagte, die Inspekteure sollten mindestens bis Samstag bleiben.

Ukrainische Streitkräfte setzen Offensive fort

Die ukrainischen Streitkräfte setzten ihre Offensive gegen die russische Besatzung im Süden des Landes fort. Britischen Geheimdiensten zufolge griffen sie mit Langstreckenraketen russische Logistikstandorte an. Auf Aufnahmen sei auch der Einsatz von Raketen zu erkennen, mit denen Radarsysteme lokalisiert und zerstört werden können, hieß es. Aus Sicht der britischen Geheimdienste sind die russischen Radarsysteme ein entscheidender Faktor für Russlands Position im Ukraine-Krieg.

EU richtet Drehkreuz für Verletzte ein

Die EU richtete in Polen ein Drehkreuz für die Evakuierung von Patienten aus der Ukraine ein. Sie sollen dort versorgt werden, bevor sie in Krankenhäuser anderer EU-Länder gebracht werden, wie die EU-Kommission in Brüssel mitteilte. Das Zentrum befindet sich nahe der Stadt Rzeszow unweit der Grenze, die auch einen Flughafen hat. Die Einrichtung ist Teil eines EU-Programms, das seit März mehr als 1100 ukrainische Patienten zur Behandlung in 18 europäische Staaten gebracht hat, auch nach Deutschland.

Moskau empört über Hürden für Reisen von Russen in die EU

Das russische Außenministerium kündigte Maßnahmen gegen die von der EU angekündigte Aussetzung des Visa-Abkommens an. »Wir haben nicht vor, uns der Europäischen Union bei der unsinnigen Politik des «Brückenabreißens» zwischen den Menschen anzupassen, aber behalten uns gleichzeitig das Recht auf Gegenmaßnahmen zum Schutz der Interessen unserer Bürger und unserer nationalen Interessen vor«, erklärte Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa. Die EU will das 2006 geschlossene Abkommen mit Russland zur Erleichterung der Visa-Vergabe vollständig aussetzen.

Chef des Ölkonzerns Lukoil stirbt nach Sturz aus dem Fenster

Der Vorstandschef des russischen Ölkonzerns Lukoil, Rawil Maganow, ist beim Sturz aus dem Fenster eines Moskauer Krankenhauses ums Leben gekommen. Als wahrscheinlichste Ursache gilt nach Medienberichten Suizid. Bei Maganow sei neben Herzproblemen eine Depression diagnostiziert worden, hieß es. Es ist nicht der erste Todesfall unter Top-Managern seit Kriegsbeginn: Im Mai kam der Lukoil-Manager Alexander Subbotin angeblich bei einer okkulten Behandlung gegen Alkoholsucht ums Leben. Zudem wurden mehrere Manager von Energiekonzernen tot gefunden. Auch sie sollen sich das Leben genommen haben.

Neues Schuljahr in der Ukraine hat begonnen

Mitten im russischen Angriffskrieg begann in der Ukraine für Hunderttausende ein neues Schuljahr. Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in einer Videobotschaft, der Tag unterscheide sich wegen des Kriegs von allen früheren ersten Schultagen. »Die einen sind weit weg von zu Hause - in anderen Regionen der Ukraine, andere in anderen Ländern.« Aufgrund des Kriegs hat das Bildungsministerium nur bei vorhandenen Luftschutzkellern einen Präsenzunterricht gestattet. So werden viele Schüler nur per Internet unterrichtet, andere Schulen bieten eine Mischform von Präsenz- und Online-Unterricht an.

© dpa-infocom, dpa:220901-99-587619/6