Nach der Einnahme des Gebiets Luhansk durch Russland hat sich der Schwerpunkt der Kämpfe in der Ukraine mehr als 130 Tage nach Kriegsbeginn deutlich ins benachbarte Donezk verlagert.
Bei russischen Raketenangriffen wurden am Wochenende nach ukrainischen Angaben in dem Ort Tschassiw Jar womöglich mehr als 30 Menschen in einem eingestürzten Wohnblock verschüttet.
Kämpfe in der Ostukraine gehen weiter
Nach Angaben des ukrainischen Gouverneurs von Luhansk, Serhij Hajdaj, führte Russland Angriffe von der kürzlich eingenommenen Stadt Lyssytschansk in Richtung Westen aus. Bei einer Attacke auf die Stadt Slowjansk töteten russische Truppen nach eigenen Angaben bis zu Hundert gegnerische Soldaten. Zudem seien mehr als Tausend Granaten für US-Haubitzen vom Typ M-777 zerstört worden, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Von unabhängiger Seite lassen sich die Berichte aus den Kampfgebieten kaum überprüfen.
Es ist erklärtes Ziel Moskaus, die Region Donezk komplett zu kontrollieren. Am vergangenen Wochenende hatte Russland bereits die Stadt Lyssytschansk eingenommen, die als letzte ukrainische Bastion im Gebiet Luhansk galt.
Der ukrainische Generalstab in Kiew meldete auch in anderen Teilen des Landes Beschuss, darunter in den Gebieten Charkiw und Tschernihiw. Nach Einschätzung des US-amerikanischen Institute for the Study of the War (ISW) beabsichtigt der Kreml möglicherweise, die Region Charkiw zu annektieren. Ein Hinweis darauf sei, dass die Besatzungsbehörden in der Region rund um die ostukrainische Stadt erklärt hätten, die Gegend sei ein unveräußerlicher Teil Russlands.
USA sagen Ukraine weitere humanitäre Hilfe zu
Die US-Regierung sagte der Ukraine weitere humanitäre Unterstützung zu. US-Außenminister Antony Blinken kündigte an, »dass die Vereinigten Staaten fast 368 Millionen Dollar (361 Millionen Euro) an zusätzlicher humanitärer Hilfe bereitstellen werden, um die vom brutalen Krieg Russlands gegen die Ukraine Betroffenen zu unterstützen«. Seit Beginn der russischen Invasion im Februar hätten die USA als wichtigstes Geberland mehr als 1,28 Milliarden Dollar an humanitärer Hilfe für die Ukraine zugesagt. Blinken forderte Russlands Präsidenten Wladimir Putin auf, »die Kriegshandlungen sofort zu beenden«.
Kiew denkt über Raketenabwehr nach
Die Ukraine benötigt nach Einschätzung von Verteidigungsminister Olexij Resnikow eine andere Raketenabwehr als das israelische System »Iron Dome« (Eisenkuppel). »Selbst Iron Dome schützt nicht zu 100 Prozent. Iron Dome wurde gegen langsam und niedrig fliegende Raketen gemacht, die von der Sache her in Garagen angefertigt werden. Vor Marschflugkörpern und ballistischen Raketen schützt Iron Dome nicht«, sagte Resnikow. Die Ukraine müsse ein System der Luftverteidigung entwickeln oder es von ihren Partnern erhalten.
Bericht: Munitionsnachschub für Gepard-Panzer gesichert
Die Bundesregierung hat einem Medienbericht zufolge langfristig den Nachschub an Munition für die der Ukraine zugesagten Gepard-Panzer gesichert. Das Kanzleramt habe zusammen mit dem Verteidigungsministerium in Norwegen einen Hersteller gefunden, der weitere Munition für das Flugabwehrsystem herstellen könne, berichtete der »Spiegel« unter Berufung auf Regierungskreise. Eine Bestätigung von Regierungsseite gab es dazu zunächst nicht.
Das wird am Montag wichtig
Die zuletzt wichtigste Verbindung für russisches Erdgas nach Deutschland wird am Montagmorgen abgeschaltet. Grund sind jährlich wiederkehrende Wartungsarbeiten an der Ostseepipeline Nord Stream 1, die der Betreiber bereits vor längerer Zeit angekündigt hatte. Sie sollen bis zum 21. Juli dauern. Unter anderem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) befürchtet, dass Russland den Gashahn auch nach Abschluss der Wartung nicht mehr aufdrehen könnte.
Das russische Staatsunternehmen Gazprom hat im Juni bereits die Liefermenge durch die mehr als 1200 Kilometer lange Pipeline von Russland nach Mecklenburg-Vorpommern deutlich gedrosselt - und das auch mit dem Fehlen einer Turbine von Siemens Energy begründet, die wegen der Sanktionen nach abgeschlossener Wartung nicht mehr aus Montréal nach Russland geliefert werden konnte. Kanada kündigte inzwischen aber an, die Lieferung der gewarteten Turbine trotz der Sanktionen gegen Russland zu ermöglichen.
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