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Aktuell Ausland

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Moskau setzt vor dem Gedenken an den Zweiten Weltkrieg am 9. Mai noch einmal auf verstärkte Offensive. Für die Verteidiger in Mariupol wird die Lage immer verzweifelter. Die Entwicklungen im Überblick.

Charkiw
Ukrainische Soldaten und Rettungskräfte tragen die Leiche eines mutmaßlichen russischen Soldaten. Foto: Felipe Dana
Ukrainische Soldaten und Rettungskräfte tragen die Leiche eines mutmaßlichen russischen Soldaten.
Foto: Felipe Dana

Kurz vor dem in Russland gefeierten »Tag des Sieges« am 9. Mai hat Moskau seine Bemühungen intensiviert, im Ukraine-Krieg Geländegewinne zu erzielen. Dabei kam es auch zu einem möglicherweise folgenschweren Angriff, bei dem eine Bombe eine Schule traf.

Am Sonntag besuchten unter anderem Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, Kanadas Regierungschef Justin Trudeau und US-Präsidentengattin Jill Biden die Ukraine, um ihre Solidarität auszudrücken. Jill Biden traf in der westlichen Stadt Uschhorod mit Selenskyjs Ehefrau Olena Selenska zusammen, die erstmals seit Kriegsbeginn öffentlich auftrat.

Neue Sanktionen der USA und der G7

Das Weiße Haus teilte mit, alle G7-Staaten hätten sich am Sonntag dazu verpflichtet, die Einfuhr von russischem Öl auslaufen zu lassen oder zu verbieten - die USA haben bereits ein entsprechendes Importverbot verhängt. Zur Siebenergruppe führender demokratischer Industrienationen gehören die Nato-Staaten USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Italien und Deutschland sowie Japan.

Ein US-Regierungsvertreter kündigte ein Verbot für unternehmerische Dienstleistungen für Firmen oder Personen in Russland an. Die USA würden darüber hinaus Sanktionen gegen drei wichtige Fernsehsender verhängen, die direkt oder indirekt von der Regierung von Präsident Wladimir Putin kontrolliert würden: Perwy Kanal, Rossija-1 und NTW. Außerdem würden Exportkontrollmaßnahmen verschärft und gegen mehrere Manager russischer Banken Sanktionen verhängt.

Zahlreiche Tote bei Angriff auf Schule befürchtet

Bei einem Luftangriff auf eine Schule im Gebiet Luhansk kamen laut ukrainischen Behörden möglicherweise bis zu 60 Menschen ums Leben. In dem Schulgebäude hatten den Angaben zufolge 90 Personen Schutz gesucht. Durch den Bombenabwurf brach ein Feuer in der Schule aus und das Gebäude stürzte zusammen. 30 Menschen konnten die Einsatzkräfte retten - 7 davon waren verletzt, teilte der Gouverneur der Region Serhij Hajdaj am Sonntag auf seinem Telegram-Kanal mit. Er sprach am Sonntagmorgen dabei zunächst von zwei geborgenen Leichen.

Moskau mit Geländegewinnen vor dem 9. Mai

Nach mehreren Tagen ohne nennenswerte Fortschritte haben die russischen Truppen bei ihren Angriffen im Donbass-Gebiet nach ukrainischen Angaben Geländegewinne erzielt. »In Richtung Liman hat der Feind durch Angriffe den Nordrand von Schandrigolowe erobert«, teilte der ukrainische Generalstab am Sonntag in seinem Lagebericht mit. Schandrigolowe liegt rund 20 Kilometer nördlich der Großstadt Slowjansk, die Teilziel der russischen Operation im Donbass ist. Darüber hinaus fahren die russischen Truppen auch weiterhin Angriffe Richtung Sjewjerodonezk, Popasna, und Awdijiwka.

Durch Beschuss von Wohnsiedlungen sind im ostukrainischen Gebiet Charkiw mindestens drei Zivilisten getötet worden. Fünf weitere seien verletzt worden, teilte die Gebietsverwaltung am Sonntag im Nachrichtendienst Telegram mit. Auch die Behörden im Donezker Gebiet informierten über vier weitere getötete Menschen und acht Verletzte. Örtliche Behörden informierten darüber hinaus über Raketenangriffe im benachbarten Gebiet Sumy. Details zu Zerstörungen und möglichen Opfern waren vorerst nicht bekannt. Früher am Tag hatte bereits die südukrainische Region Odessa viele zerstörte Wohnhäuser durch russischen Raketenbeschuss gemeldet.

Besuch in Kiew

Bundestagspräsidentin Bas gedachte in Kiew gemeinsam mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Ruslan Stefantschuk der Opfer des von Nazi-Deutschland entfesselten Zweiten Weltkriegs. Die SPD-Politikerin sprach auch mit Präsident Selenskyj, der sie »im friedlichen Kiew« begrüßte. Im Namen des Deutschen Bundestages legte Bas am Grabmal des Unbekannten Soldaten und am Denkmal für die ermordeten ukrainischen Juden in Babyn Jar Kränze nieder.

Berlin verurteilt Getreide-Diebstahl Russlands

Mitglieder der Bundesregierung verurteilten russische Attacken auf die ukrainische Landwirtschaft. Putin bediene sich skrupellos an den Weizenreserven der Ukraine, sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Landwirte müssten Reserven zwangsweise zu lächerlichen Preisen verkaufen - oder »Putins Soldateska« nehme sich die Vorräte einfach. »Dafür gibt es im Rechtsstaat übrigens drei Wörter: Erpressung, Diebstahl und Raub.« Die Ukraine war bis Kriegsbeginn einer der großen Weizen-Exporteure unter anderem für Länder in Nordafrika und Asien.

Lage in Stahlwerk Azovstal verzweifelt

Nach der Evakuierung der letzten Zivilisten aus dem Stahlwerk Azovstal in Mariupol hofft die Ukraine auf die Rettung auch ihrer Verwundeten und Soldaten. Präsident Selenskyj sprach am Samstagabend von einer zweiten möglichen Phase der Evakuierung, die vorbereitet werde. Russische Kräfte setzten unterdessen ihre Angriffe auf die Fabrik fort, die die letzte Bastion der Ukrainer in der weitgehend zerstörten Hafenstadt ist.

Selenskyj schloss eine Befreiung von Mariupol derzeit aus. »Die Ukraine hat nicht genügend schwere Waffen, um Mariupol auf militärischem Wege zu befreien«, sagte Selenskyj bei einer Pressekonferenz mit Kanadas Regierungschef Justin Trudeau, der am Sonntag in Kiew zu einem Solidaritätsbesuch angereist war. Immerhin sei es auf diplomatischem Wege gelungen, Zivilisten aus dem belagerten Stahlwerk Azovstal herauszuholen, sagte Selenskyj. Für die verbliebenen ukrainischen Soldaten gestalte sich eine Evakuierung aber schwierig.

Putin gratuliert Separatisten zum »Tag des Sieges«

Überschattet von Russlands Krieg gegen die Ukraine gratulierte Putin den Führungen mehrerer Ex-Sowjetrepubliken sowie der ostukrainischen Separatistengebiete zum 77. Jahrestag des Weltkriegsendes. Die westlichen Alliierten der damaligen Anti-Hitler-Koalition sowie die Regierungen der Ukraine und Georgiens ignorierte er. »Heute ist es gemeinschaftliche Pflicht, die Wiedergeburt des Nazismus zu verhindern, der so viel Leid über die Menschen verschiedener Länder gebracht hat«, heißt es in der am Sonntag auf der Kreml-Webseite veröffentlichten Grußbotschaft.

Russland hatte am 24. Februar einen Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen und ihn mit einer angeblichen »Entnazifizierung« des Nachbarlandes begründet. Beobachter halten das jedoch für einen Vorwand, um die Kampfhandlungen zu rechtfertigen. Selenskyj wiederum verglich in einer Videobotschaft den russischen Angriff auf sein Land mit dem Überfall der Wehrmacht 1941 auf die Sowjetunion.

© dpa-infocom, dpa:220508-99-200882/17