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Knappe Antibiotika - ob Notmaßnahmen helfen ist offen

Apotheken müssen Eltern wegschicken, weil kein Fiebersaft da ist oder die Schubladen mit den Antibiotika leer sind. Die Apotheken kritisieren die Politik wegen der Zustände.

Antibiotika
Antibiotika werden beispielsweise bei potenziell lebensbedrohlichen bakteriellen Infektionen verschrieben. Foto: Monika Skolimowska
Antibiotika werden beispielsweise bei potenziell lebensbedrohlichen bakteriellen Infektionen verschrieben.
Foto: Monika Skolimowska

Der Mangel bei Antibiotika-Säften für Kinder besorgt nicht nur Eltern, er sorgt auch in den Apotheken für Frust. »Die Apothekenteams müssen für die Politik nun also erneut den Karren aus dem Dreck ziehen und auf Basis der Behördenentscheidungen alternative Arzneimittel aus dem Ausland beschaffen, um die Patientinnen und Patienten schnell versorgen zu können«, sagte die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Gabriele Regina Overwiening, der Deutschen Presse-Agentur.

Der Chef des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis, forderte in der »Rheinischen Post« den Aufbau einer »nationalen Antibiotika-Reserve«. Immer mehr Bundesländer lockern inzwischen die Regeln für Kinder-Antibiotika-Säfte, damit die Versorgung nicht gefährdet wird. Auch Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern kündigten an, die Einfuhr nicht zugelassener Antibiotika-Säfte aus dem Ausland zu erlauben. Andere Länder hatten das bereits angekündigt.

Versorgungsmangel bei Antibiotika-Säften für Kinder

Möglich ist das, weil das Gesundheitsministerium in der vergangenen Woche offiziell einen Versorgungsmangel bei Antibiotika-Säften für Kinder festgestellt hatte. Damit dürfen bestimmte Regeln des strengen Arzneimittelgesetzes befristet umgangen werden. So könnten beispielsweise Medikamente ausgegeben werden, die keine deutschsprachige Verpackung haben oder Arzneimittel mit einer älteren Version der Packungsbeilage, die noch nicht die neuesten Informationen zum Medikament enthält.

Antibiotika werden zum Beispiel bei potenziell lebensbedrohlichen bakteriellen Infektionen und Erkrankungen wie Lungenentzündung verschrieben.

Ob sich die Lage durch die Notmaßnahmen spürbar entspannt, ist aber fraglich. Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) dämpfte die Erwartungen. »Wir haben es bei Antibiotika mit einem weltweiten Mangel zu tun«, sagte er. Das betreffe auch die Grundsubstanzen, aus denen Apotheker Säfte herstellen könnten. Im Sozialministerium in Sachsen ging man dagegen davon aus, dass die Medikamente »in wenigen Wochen« verfügbar sein werden.

»Wir müssen jetzt auf jeden Fall alles tun«

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte dem Sender »Welt« zur Idee einer nationalen Antibiotika-Reserve, man müsse das grundsätzlich auf jeden Fall prüfen. »Wir müssen jetzt auf jeden Fall alles tun, was unbürokratisch und pragmatisch hilft.« Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums verwies in Berlin auf das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Gesetz gegen Arzneimittelengpässe. Dieses sieht bei bestimmten Medikamenten auch eine Pflicht zur mehrmonatigen Lagerhaltung vor. Das Gesetz muss noch vom Bundestag beschlossen werden.

Weitgehend Einigkeit besteht darin, die Arzneimittelproduktion wieder verstärkt nach Europa zu holen. »Wir sind abhängig von China«, sagte Holetschek. Das Thema Medikamente im eigenen Land sei systemrelevant. Wenn die Produktion aus Ländern wie China und Indien zurück nach Europa geholt werden solle, müsse dafür aber auch mehr Geld in die Hand genommen werden, sagte Laumann. Das werde höhere Krankenkassenbeiträge nach sich ziehen. Auch die Apotheken sind dafür, wieder mehr in Europa zu produzieren, »um allzu komplexe und damit leicht anfällige Lieferketten aus Fernost zumindest bei wichtigen Arzneimitteln zu vermeiden«, wie ABDA-Präsidentin Overwiening sagte.

Kurzfristig bräuchten die Apotheken einen größtmöglichen Entscheidungsspielraum, um vorrätige gegen nicht-lieferbare Medikamente auszutauschen, ohne zusätzlichen bürokratischen Dokumentationsaufwand oder nachträgliche Rechnungskürzungen der Krankenkassen. »Im Gegenteil: Für den hohen Arbeits- und Zeitaufwand von mindestens sechs Stunden pro Woche brauchen die Apotheken einen Engpass-Ausgleich von 21 Euro pro nicht-lieferbarem Präparat.«

© dpa-infocom, dpa:230503-99-545829/2