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»Knallharte Frau« ins Weiße Haus?

In South Carolina liegt ihr das Publikum zu Füßen. Nikki Haley startet im beschaulichen Charleston ihren Präsidentschaftswahlkampf. Doch so geschmeidig wie in ihrer Heimat dürfte es nicht weitergehen.

Wahlkampfstart der US-Republikanerin Haley
Die erste prominente Republikanerin, die den früheren Präsidenten Donald Trump herausfordert: Nikki Haley, ehemalige Gouverneurin von South Carolina und Botschafterin der Vereinten Nationen. Foto: Meg Kinnard
Die erste prominente Republikanerin, die den früheren Präsidenten Donald Trump herausfordert: Nikki Haley, ehemalige Gouverneurin von South Carolina und Botschafterin der Vereinten Nationen.
Foto: Meg Kinnard

Die Frauen tragen Sneaker von Chanel oder teure Sonnenbrillen, die Männer führen ihre blauen Club-Sakkos mit den Goldknöpfen aus. In einer Veranstaltungshalle von Charleston im US-Bundesstaat South Carolina treffen sich Menschen, denen es finanziell gut geht - die vorwiegend weiße Oberschicht. Sie alle sind an diesem Mittwochvormittag (Ortszeit) für Nikki Haley gekommen - einstige Gouverneurin des Bundesstaats und ehemalige US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen. Die Republikanerin hat einen Tag zuvor erklärt, dass sie kein geringeres Ziel als das Weiße Haus hat.

Damit ist sie die erste prominente Republikanerin, die den früheren Präsidenten Donald Trump herausfordert. Doch ob die 51-Jährige wirklich in den parteiinternen Vorwahlen bestehen kann, ist fraglich. Am Ende könnte gar Trump von Haleys Kandidatur profitieren.

In Charleston scheint die Ära Trump allerdings Vergangenheit. Es ist der offizielle Start von Haleys Präsidentschaftswahlkampf und der Ex-Präsident ist hier vielen zu schrill. »Er steht nicht für das, was moralisch unsere Werte sind«, sagt Ethan Swords aus dem Bundesstaat im Südosten des Landes. Trump, sagt der 25-Jährige, sei bei den Präsidentschaftswahlen für viele Republikaner einfach nur »das kleinere Übel« gewesen. Anders als Trump gehe es Haley nicht darum, sich selbst in den Vordergrund zu spielen. »Sie versucht, das Land nach vorne zu bringen.«

Wähler: »Wir brauchen eine neue Führung«

Das Ehepaar Hunter, zwei kleine Amerika-Fähnchen und ein großes Haley-Schild im Gepäck, findet noch deutlichere Worte. »Wir brauchen eine neue Führung«, findet er. »Es war uns peinlich, ihn als Präsidenten zu haben, wegen seiner Attitüde«, findet sie. Trump, der sei einfach nicht professionell.

Der 76-jährige Republikaner denkt allerdings nicht daran, in Rente zu gehen. Er erklärte bereits im November, dass er bei der Wahl 2024 noch einmal antreten möchte. Haley greift ihren einstigen Chef in ihrer Rede vor Hunderten Anhängern in Charleston nicht direkt an - allerdings gleich mehrfach indirekt. Sie macht deutlich, nicht an Trumps Lüge von der gestohlenen Wahl zu glauben. Und Haley betont, dass es Zeit für eine neue Generation von Politikerinnen und Politikern sei: »Wir werden den Kampf für das 21. Jahrhundert nicht gewinnen, wenn wir weiterhin Politikern aus dem 20. Jahrhundert vertrauen.«

Gut situierte Konservative ohne MAGA-Kappen

In Haleys Publikum finden sich eher nicht - wie bei Trump - Menschen mit »Make America Great Again«-Kappen, in Gesprächen zieht hier keiner sofort Joe Bidens Sieg bei der Präsidentschaftswahl 2020 in Zweifel. Und »Lügenpresse« ruft hier auch niemand. Es sind gut situierte Konservative, die Trump hinter sich lassen wollen.

Und auch Haley selbst klingt anders - optimistischer - als Trump, der in seinen Reden nicht selten den Dritten Weltkrieg heraufbeschwört und Widersacher auf herabwürdigende Art und Weise beleidigt. »Das amerikanische Volk ist nicht voller Hass. Wir sind voller Liebe und werden vom Glauben getragen«, ruft die ganz in Weiß gekleidete Haley. Aber ganz ohne Alarmismus à la Trump kommt auch sie nicht aus. »Amerika befindet sich auf einem Weg des Zweifels, der Spaltung und der Selbstzerstörung. Einem Weg des schwindenden Patriotismus und der schwindenden Macht«, warnt sie mit Blick auf die Demokraten. »Es geht um nichts Geringeres als unser Überleben.«

Die 51-Jährige war die erste Frau, die das Gouverneursamt in South Carolinas inne hatte. Sie ist Tochter indischer Einwanderer - und sie wird nicht müde, ihre Herkunft und ihr Geschlecht zu betonen. Man könne nun neue Dinge tun - etwa eine »knallharte Frau ins Weiße Haus« schicken, frohlockt sie. Im gleichem Atemzug stellt sie sich explizit gegen Identitätspolitik. In der Vergangenheit wetterte sie immer wieder gegen Quoten, Sexualkunde an Schulen, das Recht auf Abtreibung oder Unterricht, der strukturellen Rassismus offenlegen soll.

Sie vertritt erzkonservative Positionen

Haley mag zwar auf den ersten Blick weniger radikal daherkommen - aber sie vertritt erzkonservative Positionen. Als Gouverneurin hatte sie zwar nach Protesten im Zuge eines rassistisch motivierten Massakers die Konföderierten-Flagge vor dem Kapitol in South Carolina eingeholt. Später äußerte sie sich zur Bedeutung der Flagge aus Bürgerkriegszeiten - für viele eine Symbol der Sklaverei - aber unkritisch.

Haley wird bei den Republikanern spätestens seit ihrer Zeit bei den Vereinten Nationen für höhere Ämter gehandelt. Doch in Umfragen schneidet sie im Vergleich zu möglichen parteiinternen Bewerbern für das Weiße Haus schlecht ab - im niedrigen einstelligen Bereich. Es wird erwartet, dass Floridas Gouverneur Ron DeSantis und Ex-Vize Mike Pence ihren Hut auch bald in den Ring werfen werden. Konkurrenz droht Haley sogar aus dem eigenen Bundesstaat - auch der Senator Tim Scott soll mit einer Bewerbung für das höchste Amt im Staat liebäugeln.

Ein zersplittertes Bewerberfeld nutzt dabei vor allem einen: Trump. Als dessen größter Konkurrent gilt Gouverneur DeSantis. Umfragen zeigen, dass Haleys Kandidatur eher Stimmen von DeSantis abzieht als von Trump - denn dessen Anhängerschaft gilt als besonders loyal.

Den Vize-Posten im Blick?

»Die aktuellen Strategien erinnern an die Vorwahlen von 2016, als viele Republikaner es vermieden, sich mit Trump anzulegen, weil sie einen direkten Konflikt und die Entfremdung einer Unterstützerbasis fürchteten, die schließlich zur Disposition stehen könnte«, urteilt die »Washington Post«. Und so hat Haley im Moment auch keine wirklich lauten prominenten Unterstützer für ihre Bewerbung in der Partei. Vieles spricht dafür, dass die meisten abwarten wollen - und es sich nicht frühzeitig mit Trump und dessen Anhängern verscherzen wollen. Die »New York Times« spekuliert, Haley vermeide direkte Attacken auf Trump, um sich das Ticket als Trump-Vize für 2024 offenzuhalten.

Der Ex-Präsident selbst und Haley haben ein wechselhaftes Verhältnis: Anfangs war da gegenseitige Ablehnung, später offen zur Schau gestellte Sympathie. Eigentlich hatte Haley einst klar gemacht, nicht gegen den Ex-Präsidenten antreten zu wollen. Der greift nun direkt an. »Wer weiß, es sind schon seltsamere Dinge passiert«, lässt er auf dem von ihm mitbegründeten Twitter-Ersatz Truth Social etwa spöttisch wissen. »Sie liegt in den Umfragen bei 1%, kein schlechter Start!!!«

© dpa-infocom, dpa:230216-99-615903/2