BERLIN. Für viele werdende Mütter ist es eine Hilfe, aber auch eine schwierige ethische Frage: Bluttests vor der Geburt auf ein Down-Syndrom des Kindes können künftig von der Kasse bezahlt werden. Möglich sein soll die Kostenübernahme aber nur in engen Grenzen, wie der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken als oberstes Entscheidungsgremium am Donnerstag beschloss - nämlich »in begründeten Einzelfällen« bei Schwangerschaften mit besonderen Risiken und verbunden mit ärztlicher Beratung und weiteren Informationen. Kirchliche Organisationen und Behindertenvertreter kritisierten die Grundsatzentscheidung, es gab aber auch Zustimmung.
Der Vorsitzende des G-BA, Josef Hecken machte deutlich, dass es ausdrücklich nicht um allgemeine Reihenuntersuchungen gehe. Durch die »sehr engen Voraussetzungen« werde klar und eindeutig geregelt, dass der Bluttest nicht als ethisch unvertretbares »Screening« eingesetzt werde. Ziel ist es laut G-BA, Risiken der sonst üblichen Entnahme von Fruchtwasser oder Plazentagewebe durch die Bauchdecke zu vermeiden, was als schlimmste Komplikation zu Fehlgeburten führen könne - bei fünf bis zehn von 1000 untersuchten Frauen könne dies der Fall sein.
Angesichts dieses »Schadenspotenzials« und der »hohen Testgüte« der nicht-invasiven Bluttests sei die Aufnahme in den Leistungskatalog der Kassen beschlossen worden, sagte Hecken. Die Tests werden seit 2012 angeboten. Sie untersuchen im Blut der Schwangeren etwa, ob das Kind mit Down-Syndrom auf die Welt käme. Bisher sind die rund 130 Euro teuren Tests meist selbst zu zahlen. Die seit mehr als 30 Jahren üblichen Fruchtwasseruntersuchungen zahlen die Krankenkassen schon.
Festgelegt wurde nun auch, dass die ärztliche Beratung »ausdrücklich ergebnisoffen« sein soll. Dabei sollen sie auch auf das »Recht auf Nichtwissen« von Testergebnissen hinweisen - und mit Blick auf das Down-Syndrom auf Kontaktmöglichkeiten zu betroffenen Familien. In Anspruch nehmen können Frauen die Kassenleistung aber noch nicht so schnell. Zunächst muss der G-BA - wohl Ende 2020 - beschließen, wie eine dazugehörige Informationsbroschüre ausgestaltet werden soll. Auch das Bundesministerium muss die Beschlüsse wie üblich billigen.
Den seit Jahren schwelenden Streit beendete die Entscheidung nicht. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, warnte: »Es ist zu befürchten, dass es zu einem weiteren Anstieg bei Abtreibungen von Kindern mit dem sogenannten Down-Syndrom kommt.« Zudem werde einer immer weitergehenden Qualitätskontrolle ungeborenen Lebens der Weg gebahnt. Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, sagte: »Die modernen medizinisch-technischen Methoden können wir nicht aus der Welt schaffen.« Geändert werden müsse aber die Haltung, eine Behinderung bei Kindern als Makel zu betrachten oder als Bürde für die Eltern.
Bei einem Down-Syndrom haben Menschen in jeder Zelle ein Chromosom mehr. Das Chromosom 21 ist dreifach vorhanden, daher die Bezeichnung Trisomie 21. Folgen sind körperliche Auffälligkeiten und eine verlangsamte motorische, geistige und sprachliche Entwicklung. Die Ausprägungen sind aber sehr unterschiedlich.
Aus dem Bundestag kam ein geteiltes Echo. Die SPD-Abgeordnete Hilde Mattheis sprach von einer »Entscheidung für die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts der Frauen«. Die Frage der Kostenübernahme durch die Kassen sei »zuvorderst eine soziale, keine ethische«. Die FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus sagte: »Ein solcher Test darf nicht vom Geldbeutel abhängen.« Wichtig sei die ärztliche Beratung, die auch zum Gegenstand haben müsse, dass ein Leben mit einem Kind mit Down-Syndrom sehr erfüllend sein kann.
Die behindertenpolitische Sprecherin der Grünen, Corinna Rüffer, betonte, die jetzige Entscheidung werde keinesfalls das Ende der Debatte sein. »Auch mit Blick auf künftige Tests müssen wir die Grenzen und Bedingungen molekulargenetischer Testverfahren in der Schwangerschaft festlegen - und das wird der Bundestag auch tun«, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur noch vor dem G-BA-Beschluss.
Rüffer und weitere Abgeordnete hatten bereits eine offene Debatte im Parlament zu ethischen Fragen initiiert. Dabei wurde im April breite Unterstützung für eine Anerkennung als Kassenleistung deutlich. Es gab aber auch übereinstimmende Rufe nach besserer Unterstützung von Menschen mit Behinderungen. Konkrete Anträge gibt es noch nicht. Der G-BA-Vorsitzende Hecken betonte nach Bitten um eine Verschiebung des Beschlusses, dieser sei nun nötig gewesen. Dieser begründe derzeit aber noch keine Leistungsansprüche und halte dem Bundestag alle Handlungsoptionen offen, schrieb er an eine Gruppe von Abgeordneten. (dpa)