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Kanzleramtschef Braun richtet Corona-Appell an Bürger

Weihnachten ist ein Fest in Privatheit, ob sich die Menschen an Kontaktbeschränkungen halten, bleibt in der Familie. Der Politik bleibt nicht viel mehr als der Appell ans Gewissen.

Helge Braun
Kanzleramtschef Helge Braun: »Man kann nicht eine Gesellschaft nach vier Monaten jetzt weiter im Winterschlaf halten. Deshalb sind diese Öffnungsschritte richtig«. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Kanzleramtschef Helge Braun: »Man kann nicht eine Gesellschaft nach vier Monaten jetzt weiter im Winterschlaf halten. Deshalb sind diese Öffnungsschritte richtig«. Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN. Die Bundesregierung setzt in der Vorweihnachtszeit auch auf die Eigenverantwortung der Bürger, um persönliche Kontakte zu reduzieren und die Corona-Pandemie besser in den Griff zu bekommen.

Weihnachten sei als »Fest der Privatheit« eine »gewisse Unbekannte« in der Risikoabschätzung, sagte Kanzleramtschef Helge Braun am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung »Maybrit Illner«. »Ob wir Weihnachten so vorbereiten und so leben im Familienkreis, dass es zum Ansteckungsproblem wird, oder wir eben genau das Gegenteil erreichen - das haben wir wirklich alle selber in der Hand.«

Die Gesamtzahl der bislang nachgewiesenen Corona-Infektionen in Deutschland hat die Marke von einer Million überschritten. Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) 22.806 neue Corona-Infektionen binnen 24 Stunden (Stand: 27.11., 00.00 Uhr). Damit stieg die Zahl der seit Beginn der Pandemie bekanntgewordenen Fälle auf 1.006.394, wie das RKI bekanntgab. Viele Infektionen dürften aber unentdeckt geblieben sein, auch weil viele Menschen keine oder kaum Symptome entwickeln. Am Freitag vor einer Woche war mit 23 648 ans RKI übermittelten Fällen zuletzt ein Höchststand bei den täglichen Neuinfektionen erreicht worden.

In einigen Bundesländern wird am Freitag über das weitere Vorgehen in der Krise und die Beschlüsse vom Mittwoch beraten, darunter Bayern, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Unter Umständen könnten die Corona-Verordnungen in den Ländern nochmal verschärft werden. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte hingegen bereits einen Sonderweg des Landes angekündigt und angesichts vergleichsweise niedriger Infektionszahlen einige kleine Lockerungen avisiert.

Kontakte auf ein »absolutes Minimum« zu reduzieren sei die Voraussetzung dafür, Verwandte sicher treffen zu können, sagte der CDU-Politiker. »Keiner möchte gerne seine liebsten Angehörigen und Verwandten anstecken.« Deshalb komme es sehr auf das Verhalten eines jeden in der Vorweihnachtswoche an.

Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn rief die Bürger auf, ihrer Eigenverantwortung gerecht zu werden. »Wir können am Ende nur mit staatlichen Regeln nicht erzwingen, was notwendig ist in dieser Pandemie«, sagte der CDU-Politiker am Donnerstagabend in einem ARD-»Extra«. Die Menschen sollten aufeinander aufpassen und Weihnachten vielleicht auch in kleinerem Rahmen feiern als sonst.

Bund und Länder hatten am Mittwochabend beschlossen, dass der Teil-Lockdown mit der Schließung unter anderem von Restaurants, Theatern und Freizeiteinrichtungen bis zum 20. Dezember verlängert wird. Private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten sollen auf maximal fünf Personen aus dem eigenen und einem weiteren Haushalt begrenzt werden. Weihnachten soll aber gefeiert werden können, im engsten Familien- und Freundeskreis mit maximal zehn Menschen. Kinder bis 14 Jahre sind dabei jeweils nicht eingerechnet.

Allerdings gibt es einigen Ländern abweichende Regelungen. So will Berlin die Lockerungen für Weihnachten nicht mitmachen. Hintergrund ist das Überschreiten eines Schwellenwerts dort, auf den sich Bund und Länder geeinigt hatten: Ab einer Zahl von 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche sollen die Corona-Regeln nochmals verschärft werden. In Berlin lag diese sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz am Donnerstag bei 215,6.

Zudem wollen sowohl Berlin als auch Hessen und Nordrhein-Westfalen an Weihnachten Hotelübernachtungen zulassen, entgegen dem Willen von Kanzleramtsminister Braun. Wer eine Verwandtenreise mache, »der muss ja auch die Chance haben, irgendwo übernachten zu können«, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) erklärten, solche Übernachtungen hätten keinen touristischen Zweck. Braun hingegen verwies im ZDF erneut darauf, dass die Übernachtungsabsicht nicht zu kontrollieren sei und die Gefahr eines touristischen Angebots durch die Hintertür bestehe.

In Schleswig-Holstein mit seinen vergleichsweise niedrigen Infektionszahlen können ab Montag Nagel- und Kosmetikstudios ebenso wie Massagesalons und Tierparks wieder öffnen. Die Sieben-Tage-Inzidenz in Schleswig-Holstein lag am Donnerstag nach Angaben der Landesregierung vom Abend bei 47,6 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte im ARD-»Extra«, er fände es besser, wenn alle Länder auf einer Linie blieben. Auch machte Söder wenig Hoffnung, dass Bund und Länder bei einem möglichen nächsten Treffen Mitte Dezember über Lockerungen der Corona-Beschränkungen reden werden. Seit Beginn des Teil-Lockdowns Anfang November habe man bestenfalls eine Stagnation der Infektionszahlen erreicht. »Ich glaube nicht, dass es um große Lockerungen geht. Hoffentlich wird es nicht um konsequentere Maßnahmen gehen«, sagte Söder. »Corona ist tatsächlich eine Geduldsprobe für uns alle.«

Die von der Politik geforderten Kontaktreduzierungen wollen die meisten Bürger laut Umfragen mittragen. 73 Prozent der Befragten gaben im ARD-»Deutschlandtrend« an, Kontakte zu ihrer Familie oder Besuche an den Weihnachtsfeiertagen mehr oder minder stark einschränken zu wollen. Knapp ein Viertel (23 Prozent) plant demnach keine Einschränkung. Auch in einer Civey-Umfrage im Auftrag des Nachrichtenportals »T-Online« gaben gut 82 Prozent an, sie würden sich wahrscheinlich an die Kontaktregeln zu Weihnachten halten.

CDU-Vorsitzkandidat Friedrich Merz verteidigte seine Äußerung, es gehe den Staat nichts an, wie man Weihnachten feiere. »Es muss gerade zu Weihnachten Räume für das Privatleben und die Familien geben, die der Staat grundsätzlich nicht kontrolliert. Er darf und sollte für die Weihnachtstage auf das Verantwortungsgefühl der Menschen im Land setzen«, sagte Merz der »Rheinischen Post« (Freitag). (dpa)

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