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Kabinett beschließt Eckpunkte für Cannabis-Legalisierung

Es gehört zu den besonders umstrittenen Vorhaben der Ampel: Die einen können die Umsetzung kaum erwarten, die anderen sind strikt dagegen. Jetzt hat die Ampel ihre Pläne zur Cannabis-Legalisierung vorgelegt.

Karl Lauterbach
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach stellt die Ampel-Pläne zur Cannabis-Legalisierung vor. Foto: Britta Pedersen
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach stellt die Ampel-Pläne zur Cannabis-Legalisierung vor.
Foto: Britta Pedersen

Cannabis könnte nach Einschätzung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bereits im übernächsten Jahr in Deutschland legal gekauft, angebaut und konsumiert werden - vorausgesetzt, die Legalisierungspläne der Ampel-Koalition scheitern nicht an internationalem und Europa-Recht.

Der SPD-Politiker legte am Mittwoch in Berlin Eckpunkte für eine mögliche Legalisierung der Droge vor. Die Materie sei ausgesprochen komplex. »Ich könnte mir aber gut vorstellen, wenn alles gut läuft, dass dann 2024 die Legalität erreicht ist«, sagte Lauterbach.

Das Bundeskabinett stimmte seinen Vorschlägen für eine Legalisierung am Mittwoch zu. Cannabis und der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) sollen demnach künftig rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden. Erwerb und Besitz von bis zu 30 Gramm »Genusscannabis« sollen straffrei, privater Eigenanbau in begrenztem Umfang erlaubt und ein Verkauf an Erwachsene in »lizenzierten Fachgeschäften« und möglicherweise auch Apotheken ermöglicht werden. Der Anbau der Pflanzen soll staatlich reguliert in Deutschland stattfinden. Union und Ärztevertreter kritisierten die Pläne.

Umsetzung offen - Prüfung in Brüssel

Ob diese überhaupt umgesetzt werden können, ist im Moment aber noch offen. Die Eckpunkte gehen nun nach Brüssel. Ein konkretes Gesetz will Lauterbach nur auf den Weg bringen, wenn die Pläne dort einer europa- und völkerrechtlichen Prüfung standhalten. Dem Minister zufolge verbieten es EU-Verträge eigentlich, Cannabis in Verkehr zu bringen. Im beschlossenen Eckpunktepapier wird hier unter anderem das sogenannte Schengener Durchführungsübereinkommen genannt.

Der Plan der Bundesregierung ist es, die EU davon zu überzeugen, dass mit einer Legalisierung und strengen Regulierung des Cannabis-Marktes dem Anliegen der EU-Verträge zum Gesundheits- sowie Kinder- und Jugendschutz besser Rechnung getragen werden kann. Mit dem Cannabis-Verbot habe Deutschland in den vergangenen Jahren »keine vorzeigbaren Erfolge« erzielt. Vielmehr sei der Konsum gestiegen.

»Probekonsum« und »Sudoku«

Er selbst habe schon einmal »probeweise konsumiert« und das auch öffentlich gemacht, sagte der Minister auf Nachfrage. Es sei ein »Probekonsum« gewesen, »wie das bei vielen Ärzten nicht unüblich ist, dass man die Dinge ausprobiert, (...) mit denen man sich beschäftigt, wenn es gesundheitlich nicht gefährdend ist«.

Sollte die EU mitspielen, rechnet er mit einem komplizierten Gesetzgebungsverfahren zur Legalisierung des Rauschmittels. »Die Erstellung dieser Eckpunkte war keine Kleinigkeit und in der Komplexität geht das über das hinaus, was durch einen schönen Sudoku-Abend abgerufen wird.«

Viele Detailfragen sind noch offen, zum Beispiel, welche Regeln im Straßenverkehr getroffen werden müssten, an welche Bedingungen Lizenzen zum Verkauf oder Anbau von Cannabis geknüpft werden sollen oder wie der Gesundheitsschutz, um den es Lauterbach zufolge hier vorrangig gehen soll, konkret verbessert werden soll.

Die Eckpunkte im Einzelnen

- Cannabis und der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) sollen künftig rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden.

- Der Erwerb und Besitz von maximal 20 bis 30 Gramm »Genusscannabis« zum Eigenkonsum sollen straffrei sein unabhängig vom konkreten THC-Gehalt. Auf eine THC-Grenze soll wegen zu großen Prüfaufwands bei möglicher Strafverfolgung verzichtet werden.

- Privater Eigenanbau wird in begrenztem Umfang erlaubt - »drei weibliche blühende Pflanzen pro volljähriger Person«, geschützt vor dem Zugriff von Kindern und Jugendlichen.

- Der Verkauf soll in »lizenzierten Fachgeschäften« - Zutritt erst ab 18 - und eventuell Apotheken ermöglicht werden. Werbung für Cannabisprodukte wird untersagt. Die Menge, die pro Kunde verkauft werden darf, wird begrenzt. Einen Versandhandel soll es zunächst nicht geben. Der Handel ohne Lizenz bleibt strafbar.

- »Wegen des erhöhten Risikos für cannabisbedingte Gehirnschädigungen in der Adoleszenz« soll geprüft werden, ob es für unter 21-jährige Käufer eine THC-Obergrenze geben soll.

- Neben der Umsatzsteuer auf Verkäufe ist eine »Cannabissteuer« geplant, die sich nach dem THC-Gehalt richtet. Ziel ist ein Endverbraucherpreis, »welcher dem Schwarzmarktpreis nahekommt«.

- Cannabis-Produkte zum Rauchen oder in Form von Kapseln, Sprays oder Tropfen sollen zugelassen werden. Sogenannte Edibles, also etwa Kekse oder Süßigkeiten mit Cannabis, zunächst nicht.

- Aufklärung, Prävention, Beratung und Behandlungsangebote sollen ausgebaut werden.

- Begleitend sollen Daten erhoben und analysiert werden zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der Cannabis-Freigabe. Nach vier Jahren sollen die Regelungen bewertet und gegebenenfalls angepasst werden.

Kritik an den Ampel-Plänen

Vor allem aus der Union kamen scharfe Angriffe: Der Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Alexander Dobrindt, warf Lauterbach eine »offene Verharmlosung des Drogenkonsums« vor. CDU-Generalsekretär Mario Czaja appellierte an die Ampel-Koalition, das Vorhaben fallen zu lassen. Vor allem jungen Menschen werde der Eindruck vermittelt, es handele sich um eine harmlose Droge. »Das Gegenteil ist der Fall. Der frühe Konsum hat erheblich negativen Einfluss auf das Wachstum und die Entwicklung des Gehirns«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Statt sich mit Drogenfreigabe zu beschäftigen, solle der Gesundheitsminister den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen in einer ihrer schwersten Krisen helfen. Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) warnte vor einem »Drogentourismus« nach Deutschland.

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, äußerte in der »Rheinischen Post« »Zweifel, ob die geplante Legalisierung am Ende dazu nützt, die Drogenkriminalität einzudämmen und die Umstiege auf härtere Drogen zu verhindern«. Abgelehnt werden die Pläne auch von der Bundesärztekammer. »Die Bundesregierung bagatellisiert mit der Legalisierung die gesundheitlichen Gefahren des Cannabiskonsums und konterkariert die präventiven Bemühungen im Suchtbereich«, sagte Präsident Klaus Reinhardt den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Die bisherige Verbotspolitik sei gescheitert, hieß es dagegen von der Bundespsychotherapeutenkammer. »Ein legaler Verkauf ist besser als ein unkontrollierter Schwarzmarkt und ermöglicht erst einen ausreichenden Gesundheits- und Jugendschutz«, erklärte Präsident Dietrich Munz. Der Branchenverband Cannabiswirtschaft zeigte sich »dankbar«, dass die Bundesregierung die Legalisierung von Cannabis vorantreibe, um den illegalen Markt zurückdrängen.

© dpa-infocom, dpa:221026-99-262718/9