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Jeder Zehnte will bei Europawahl sicher rechts wählen

Nicht die Zustimmung zu bestimmten Parteien, sondern vielmehr die Ablehnung anderer Parteien könnte den Ausgang der Europawahl Ende Mai prägen. Und noch ein Ergebnis der jüngsten Bertelsmann-Studie dürfte bei den Parteien der Mitte für Unbehagen sorgen.

Vor düsterem Himmel
Die Europafahne vor düsterem Himmel. Ende Mai sind Millionen EU-Bürger aufgerufen, die Zusammensetzung des neuen Europäischen Parlaments zu bestimmen. Foto: Karl-Josef Hildenbrand
Die Europafahne vor düsterem Himmel. Ende Mai sind Millionen EU-Bürger aufgerufen, die Zusammensetzung des neuen Europäischen Parlaments zu bestimmen. Foto: Karl-Josef Hildenbrand

BERLIN. Jeder zehnte wahlberechtigte Europäer ist nach eigenen Angaben fest entschlossen, bei der Europawahl für rechtspopulistische oder rechtsextreme Parteien zu stimmen. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung.

Danach liegt der Anteil dieser Wähler bei 10,3 Prozent. Auf der anderen Seite gaben immerhin 6,2 Prozent der Befragten an, sicher linksextreme oder linkspopulistische Parteien zu wählen.

Rund 52 Prozent erklärten dagegen, sie würden ihre Stimme niemals Parteien aus diesen Spektren geben. Zum Vergleich: Der Studie zufolge liegt der Anteil derjenigen, die in jedem Fall die Grünen wählen wollen, nur bei 4,4 Prozent.

Und: Laut Studie weisen die Anhänger der extremen und europakritischen Ränder einen stärkeren Mobilisierungsgrad für die Wahl auf als die der politische Mitte. Bei einer niedrigen Wahlbeteiligung hätte das Folgen für die Besetzung des EU-Parlaments.

Für die Studie mit dem Titel »Europa hat die Wahl - Populistische Einstellungen und Wahlabsichten bei der Europawahl 2019« hatte das Meinungsforschungsinstituts YouGov im Januar 2019 insgesamt 23.725 Wahlberechtigte aus zwölf Mitgliedstaaten der EU interviewt.

»Die populistischen Parteien haben es in relativ kurzer Zeit geschafft, sich eine stabile Stammwählerbasis zu schaffen. Ihre gleichzeitig hohen Ablehnungswerte zeigen aber auch, wie gefährlich es für andere Parteien wäre, die populistischen Parteien nachzuahmen«, sagte Mitautor Robert Vehrkamp über das Ergebnis.

Insgesamt wird die Wahlentscheidung nach der Untersuchung bei der Mehrheit der Bürger von einer Anti-Haltung gegenüber Parteien geprägt - sie wollen vor allem gegen statt für einzelne Parteien stimmen. »Viele Bürger entscheiden sich nicht mehr für eine Partei, sondern wählen gegen solche Parteien, die sie am stärksten ablehnen«, sagte der Experte der Stiftung.

Der Studie zufolge würden 50,7 Prozent der Befragten nie liberale Parteien wählen, 47,8 Prozent nie Christdemokratische oder konservative Parteien und 47 Prozent nie die Grünen. 42 Prozent sprechen sich generell gegen sozialdemokratische und sozialistische Parteien aus.

Mit einem Experiment haben die Autoren nach den Gründen dafür gesucht, warum Wähler für populistische Botschaften empfänglich sind. Das Ergebnis: Menschen, die das Gefühl haben, von den Parteien bei ihren Einstellungen und Meinungen nicht mehr vertreten zu werden, neigen eher zu Populismus.

Dazu haben die Forscher bei der Befragung zuerst die Einstellung zu verschiedenen europapolitischen Themen abgefragt. Dann wurden den Interviewten zufällig ausgewählte, unterschiedliche Parteiprogramme gezeigt. Wähler, die sich jetzt in ihrer eigenen Position von den Parteien ihres Landes im Europawahlkampf schlecht vertreten fühlten, vertraten anschließend populistische Positionen - obwohl sie es zuvor nicht getan hatten.

Die Autoren sind daher überzeugt: Repräsentationslücken verursachen Populismus. »Je schlechter sich Menschen von der Politik repräsentiert fühlen, desto empfänglicher werden sie für populistische Botschaften und desto eher wählen sie auch populistische Parteien«, sagt Vehrkamp. (dpa)