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ISW: Russland könnte Häftlinge als »Kanonenfutter« nutzen

Nicht nur für die Ukraine, auch für Russland erfordert der Krieg immer weitere Anstrengungen. Laut einem Geheimdienstbericht machen Moskau dabei unter anderem zunehmende Rüstungsprobleme zu schaffen.

Ukraine-Krieg
Soldaten der russischen Armee üben auf einem Truppenübungsplatz im Gebiet Donezk. Foto: Alexei Alexandrov
Soldaten der russischen Armee üben auf einem Truppenübungsplatz im Gebiet Donezk.
Foto: Alexei Alexandrov

Analysten des Instituts für Kriegsstudien (ISW) halten es für möglich, dass das russische Verteidigungsministerium Häftlinge rekrutiert, um sie als »Kanonenfutter« im Angriffskrieg gegen die Ukraine einzusetzen. Eine Rekrutierung von Sträflingen sei ein Anzeichen, dass der Kreml sogenannte »menschliche Wellen« planen könnte, schreibt das ISW am Dienstag (Ortszeit) mit Bezug auf entsprechende Berichte.

Damit ist eine Taktik gemeint, bei der eine große Zahl von Soldaten - häufig mit geringer Ausbildung - für einen Angriff eingesetzt wird. Sowohl der ukrainische Geheimdienst als auch der US-Sender CNN hatten zuvor über eine Rekrutierung von Häftlingen durch das russische Verteidigungsministerium berichtet.

Eine Integration der Sträflinge in Truppen der selbst ernannten Volksrepublik Luhansk (LNR) zeigt nach Einschätzung der US-Analysten zudem, dass das russische Militär seine konventionellen Einheiten für die Sträflinge nicht umstrukturieren will. Man wolle möglicherweise vermeiden, die Moral der Einheiten durch die Häftlinge noch weiter zu schwächen.

Institut: Kiew soll an Verteidigung von Bachmut festhalten

Trotz der schwierigen Lage in Bachmut hält das ISW Kiews Strategie für richtig, die seit Monaten umkämpfte ostukrainische Stadt weiter zu verteidigen. »Die ukrainische Verteidigung von Bachmut hat den Kreml gezwungen, einen Großteil der Wagner-Gruppe als Truppe zu erschöpfen«, argumentiert die US-Denkfabrik in ihrem Bericht weiter.

Zudem müsse Russland hochwertige Luftstreitkräfte aufwenden, um Fortschritte zu machen. Die daraus resultierende Schwächung der russischen Seite begünstige die Bedingungen für eine ukrainische Gegenoffensive, so das ISW. Eine Verteidigung von Bachmut und die Vorbereitung einer Gegenoffensive schlössen sich daher nicht gegenseitig aus.

Westliche Beobachter hatten zuvor Kiews Entscheidung angezweifelt, weiter an Bachmut festzuhalten. Nach Einschätzung aus US-Regierungskreisen könnte es sinnvoller sein, sich für das Frühjahr auf eine Gegenoffensive zu konzentrieren. Eine russische Eroberung Bachmuts werde »keine bedeutende strategische Wende auf dem Schlachtfeld« herbeiführen, zitierte die »Washington Post« (Montag) einen hochrangigen Regierungsvertreter. »Russland wird versuchen, es als solche darzustellen, aber es ist ein Punkt auf der Landkarte, für den sie eine außergewöhnliche Menge Blut vergossen und Ressourcen verbraucht haben.«

London: Moskau ist militärische Schwäche wohl bewusst

Nach Einschätzung britischer Geheimdienste ist sich die russische Führung mutmaßlich der zunehmenden Rüstungsprobleme bewusst. Diese sei sich wohl darüber im Klaren, dass die Produktion der russischen Rüstungsindustrie sich zu einer entscheidenden Schwäche entwickle, hieß es am Mittwoch im täglichen Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums. Zusätzlich belastet werde diese Achillesferse durch strategische Fehleinschätzungen beim Einmarsch in die Ukraine. Die russische Produktion bleibe höchstwahrscheinlich hinter den Erwartungen der Führung mit Blick auf den benötigten Nachschub für den Ukraine-Krieg und langfristige Ziele zurück.

Der russische Präsident Wladimir Putin habe die Rüstungsindustrie mehrfach aufgerufen, die »militärische Spezialoperation«, unter der die Invasion in Russland bekannt ist, besser zu unterstützen, betonen die Briten. Zuletzt habe er in einem im Fernsehen übertragenen Treffen Vizeregierungschef Denis Manturow, der für die Waffenindustrie zuständig ist, scharf kritisiert. Außerdem habe der Vize-Chef des russischen Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, zur verstärkten Produktion von Panzern aufgerufen.

© dpa-infocom, dpa:230215-99-603699/4