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In deutschen Krankenhäusern wird es eng

Die Nerven liegen wohl mancherorts blank: Das DRK berichtet von zunehmenden Drohungen und Gewalt gegen Personal. Ein Patientenvertreter hält dagegen.

Krankhauspersonal
Eine Krankenpflegerin schiebt ein Krankenbett durch einen Flur. Foto: Marijan Murat
Eine Krankenpflegerin schiebt ein Krankenbett durch einen Flur.
Foto: Marijan Murat

Hohe Personalausfälle, viele Patientinnen und Patienten mit Atemwegserkrankungen sowie Lieferengpässe bei Medikamenten machen den Kliniken zu schaffen.

»Wir dürften beim Personal mittlerweile bei einem Ausfall von neun bis zehn Prozent liegen, das heißt, fast jeder zehnte Mitarbeiter ist erkrankt«, sagte der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, der Deutschen Presse-Agentur. Das seien 30 bis 40 Prozent mehr Ausfälle als zu dieser Jahreszeit üblich.

Viele Beschäftigte seien von den Infektionskrankheiten betroffen, die auch sonst für hohe Patientenzahlen sorgten. Derzeit sorgen neben Corona auch die Grippe sowie bei Kindern RS-Viren bundesweit für viele Erkrankungen.

Die Personallage sei ohnehin dünn, sagte Gaß. »Das führt dazu, dass zurzeit in einer ganzen Reihe von Krankenhäusern Betten gesperrt sind oder ganze Stationen abgemeldet werden müssen. Wir dürfen nicht behandeln, wenn wir Personalgrenzen unterschreiten.« Die Kinderkliniken seien davon besonders betroffen, weil dort viele Pflegekräfte mit Zusatzausbildung arbeiteten. »Es ist nicht so einfach möglich, Mitarbeiter von einer Erwachsenenstation auf der Kinderstation einzusetzen.«

In dieser Situation gebe es keine einfache Lösung. »Eine Stellschraube wäre die Entlastung von Bürokratie und den Dokumentationspflichten. Da sollte der Gesundheitsminister noch mal ran und den Krankenhäusern Spielraum einräumen«, sagte Gaß. »Man sollte jetzt konsequent sagen, dass die Pflegekräfte nur noch das Notwendigste dokumentieren müssen, was für die Patientenbehandlung wichtig ist, und sich ansonsten auf die Pflege konzentrieren können.«

Der DKG-Chef sprach sich auch für ein Aussetzen der Personaluntergrenzen aus. »In einer solchen Situation ist es angemessen, den Krankenhäusern wieder die Verantwortung zu überlassen, zu entscheiden, wo sie vielleicht auch mit etwas weniger Personal eine gute Versorgung organisieren können.«

Zunehmend Gewalt gegen Personal

Nach Einschätzung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) bekommt es das Gesundheitspersonal zunehmend auch mit Drohungen und Gewalt zu tun. »Es häufen sich Fälle von Androhung oder der tatsächlichen Ausübung psychischer und physischer Gewalt gegenüber dem Gesundheitspersonal«, sagte DRK-Präsidentin Gerda Hasselfeldt der »Rheinischen Post«.

Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sprach mit Blick auf die Warnungen vor Personalknappheit hingegen von Panikmache. Außerhalb der Krankenhäuser wisse niemand, wie die Lage auf den unterschiedlichen Stationen wirklich sei, sagte er der dpa. Intransparenz gehöre zum Geschäftsmodell deutscher Krankenhäuser, die Patienten seien dabei die Verlierer. »Denn auch die Panikmache führt dazu, dass behandlungsbedürftige Menschen lieber zu Hause bleiben.«

Kliniken und Arztpraxen klagen auch über Engpässe bei einer Reihe von Medikamenten. Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, rief die Bevölkerung deshalb dazu auf, sich gegenseitig zu helfen. »Jetzt hilft nur Solidarität. Wer gesund ist, muss vorrätige Arznei an Kranke abgeben. Wir brauchen so was wie Flohmärkte für Medikamente in der Nachbarschaft«, sagte er dem »Tagesspiegel«.

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) bemängelte unnötige Bürokratie. »Ein individuell hergestellter Fiebersaft in der Apotheke kostet natürlich mehr und die Krankenkassen erstatten das nicht, wenn es nicht auf dem Rezept verordnet steht. Der Arzt kann aber nicht wissen, dass es in der Apotheke keinen Fiebersaft geben wird«, sagte Gabriele Regina Overwiening der dpa. So entstehe wegen der Krankenkassen eine völlig unnötige Bürokratie.

Lieferengpässe bei Medikamenten für Kinder

Wegen der Lieferengpässe bei Medikamenten für Kinder forderte die bayerische Staatsregierung mehr Kooperation im Gesundheitswesen und den Aufbau eines Zentrallagers. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte in der Sendung »Sonntags-Stammtisch« des BR Fernsehens, er sehe zwei Lösungsansätze. Entweder müsse die Politik dafür sorgen, dass der Großhandel eine andere Bevorratung mache, oder man müsse eine staatliche Planung für einen Grundstock an Medikamenten machen. Sollte der Bund nicht tätig werden, könne auch Bayern ein Zentrallager für Arzneimittel allein aufbauen, sagte Söder.

Grünen-Gesundheitspolitiker forderten von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Schritte gegen fehlende Arzneimittel und für mehr Behandlungsmöglichkeiten für Kinder. So sollten Apothekerinnen und Apotheker etwa mangelnde Medikamente zur Behandlung akuter Atemwegserkrankungen eigenständig und ohne erneutes Rezept durch den behandelnden Arzt oder die Ärztin herstellen dürfen, schlugen die Politiker um den gesundheitspolitischen Fraktionssprecher Janosch Dahmen vor. Über den »4-Punkte-Krisenplan zur Verbesserung der Akutversorgung von Kindern« berichtete der »Spiegel«.

Lauterbach will in der kommenden Woche einen Gesetzentwurf vorlegen, der Lieferengpässen bei Arzneimitteln entgegenwirken soll.

© dpa-infocom, dpa:221218-99-939849/5