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Hoffnungszeichen: Scholz plant Ukraine-Wiederaufbaukonferenz

Russland greift massiv die Infrastruktur der Ukraine an - und will so den Durchhaltewillen der Bevölkerung schwächen. In Berlin befassen sich Experten bereits mit der Zeit nach dem russischen Angriffskrieg.

Bundeskanzler Olaf Scholz.
Bundeskanzler Olaf Scholz. Foto: Kay Nietfeld
Bundeskanzler Olaf Scholz.
Foto: Kay Nietfeld

Kanzler Olaf Scholz (SPD) sieht im Wiederaufbau der Ukraine nach dem Ende des Angriffskriegs Russlands eine jahrzehntelange Aufgabe der Weltgemeinschaft. »Wir werden sehr viel investieren müssen, damit das gut funktioniert«, sagte Scholz in seinem am Samstag veröffentlichten Video-Podcast vor Wiederaufbaukonferenzen für die Ukraine an diesem Montag und Dienstag in Berlin.

Das könnten die Ukraine und auch die Europäische Union nicht allein. Er ergänzte: »Das kann nur die ganze Weltgemeinschaft, die jetzt die Ukraine unterstützt. Und sie muss es für lange Zeit tun.«

Es sei »wichtig, dass wir jetzt nicht nur ganz konkret feststellen, was alles gemacht werden muss, wo überall investiert werden muss, wie man den Wiederaufbau organisieren kann, sondern dass wir auch darüber nachdenken, wie über viele, viele Jahre, ja, Jahrzehnte ein solcher Wiederaufbau auch finanziert werden kann von der Weltgemeinschaft«, sagte Scholz. Zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe er deshalb als Präsident der G7-Runde der sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächte zu einer internationalen Expertenkonferenz zum Wiederaufbau des Landes am Dienstag eingeladen. »Es geht darum, dass wir jetzt ein Zeichen der Hoffnung setzen, mitten in dem Grauen des Krieges, dass es wieder aufwärts geht.«

Deutschland hat derzeit den Vorsitz der G7-Gruppe, der auch Frankreich, Italien, Japan, Kanada, die USA und Großbritannien angehören.

In einem gemeinsamen Gastbeitrag für die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (online Sonntag/Print Montag) forderten Scholz und von der Leyen zudem einen »Marshallplan« für die Ukraine - das sei eine Generationenaufgabe, die sofort beginnen müsse. Mit dem Marshallplan hatten die USA zwischen 1948 und 1952 mit Milliarden US-Dollar den Wiederaufbau in Deutschland und anderen europäischen Staaten finanziert. Die Unterstützung der Ukraine liege auch im Interesse der EU, betonten die beiden Politiker.

Scholz: Machen weiter mit Unterstützung der Ukraine

Bei einem Landesparteitag der bayerischen SPD in München sagte Scholz am Samstag, Russland führe den Krieg immer brutaler, zerstöre Städte, Dörfer, Infrastrukturen, die Energieanlagen. Jeden Tag würden Menschen sterben, »das nehmen wir verbittert und traurig zur Kenntnis«. Deswegen sei für die Bundesregierung klar: »Wir werden weitermachen mit unserer Unterstützung für die Ukraine.« Man werde dem Land weiterhin finanziell, humanitär und auch mit Waffen zur Verteidigung seiner Unabhängigkeit helfen.

Scholz warnte vor einer neuen Blockade der Getreidelieferungen aus der Ukraine durch Russland. Man habe dafür gekämpft, dass die Getreideexporte über die Eisenbahn, die Donau, »aber ganz bestimmt auch über den Seeweg«, möglich seien. »Gut, dass das jetzt gelungen ist. Und es darf dieser Weg nicht wieder versperrt werden.« Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zunehmende Probleme bei den im Juli mit Russland vereinbarten Getreideexporten über das Schwarze Meer beklagt.

Wirtschaftsforum mit ukrainischem Ministerpräsident Schmyhal

Bereits an diesem Montag geht es bei einem deutsch-ukrainischen Wirtschaftsforum mit Spitzenvertretern beider Länder in Berlin um den Wiederaufbau des von Russland angegriffenen Landes. Scholz will die Konferenz gemeinsam mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal eröffnen. Erwartet werden außerdem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD). Aus der Ukraine werden mehrere Minister nach Berlin reisen oder online zugeschaltet, wie die Veranstalter bekanntgaben.

Die Veranstaltung findet auf Initiative des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft sowie der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer (AHK Ukraine) statt. Am Rande der Konferenz will Scholz Schmyhal auch zu einem bilateralen Gespräch treffen, wie ein deutscher Regierungssprecher mitgeteilt hatte. Dabei sollen demnach die aktuelle Lage in der Ukraine und die deutsche Unterstützung des Landes im Vordergrund stehen.

Schmyhal: Russisches Vermögen für Wiederaufbau nutzen

Schmyhal erneuerte die Forderung, für den Wiederaufbau das im Ausland eingefrorene russische Vermögen zu verwenden. Die Schäden durch Russlands Angriff betrügen im Augenblick »mehr als 750 Milliarden« Dollar, sagte er der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung« (F.A.S.) Zugleich gebe es eingefrorene russische Aktiva im Wert von 300 bis 500 Milliarden Dollar. »Wir sollten einen Mechanismus zur Beschlagnahme russischer Vermögenswerte entwickeln«, forderte er.

Schmyhal sagte der Zeitung: »Wenn es in der Ukraine keinen Strom, keine Heizung, kein Wasser mehr gibt, kann das einen neuen Migrationstsunami auslösen.« Er warf Russland vor, es wolle die Ukraine durch Angriffe auf ihre zivile Infrastruktur »in eine humanitäre Katastrophe stürzen«. Der Ukraine solle ein kalter Winter beschert werden, in dem viele Menschen erfrieren könnten. Angesichts dessen bat er um »mobile Ausrüstung zur Erzeugung von Strom und Wärme« sowie um Anlagen zur Wasseraufbereitung. Zudem bat der Ministerpräsident Deutschland um rasche weitere Militärhilfe.

An der Expertenkonferenz am Dienstag werden auch Vertreter aus Europa, der G7-Runde, der G20-Gruppe der führenden Wirtschaftsmächte aller Kontinente, von internationalen Organisationen, der Zivilgesellschaft sowie der Wirtschaft teilnehmen. Der ukrainische Präsident Selensky soll zu Beginn virtuell zugeschaltet werden und eine Rede halten.

© dpa-infocom, dpa:221023-99-230519/4