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Historischer Missbrauchsgipfel im Vatikan beginnt

Für den Papst und die katholische Kirche steht viel auf dem Spiel. Bei dem historischen Missbrauchsgipfel im Vatikan erwarten viele von Franziskus konkrete Taten. Doch noch vor Beginn des Spitzentreffens macht sich bei Opfern Enttäuschung breit.

Papst Franziskus
Die Erwartungen an Papst Franziskus sind hoch. Foto: Alessandra Tarantino/AP
Die Erwartungen an Papst Franziskus sind hoch. Foto: Alessandra Tarantino/AP

ROM. Papst Franziskus eröffnet nach jahrzehntelangen Skandalen heute das erste Gipfeltreffen im Vatikan zum Thema Missbrauch in der katholischen Kirche. Zusammen mit den Chefs der Bischofskonferenzen der Welt will er Wege finden, wie der lange vertuschte sexuelle Missbrauch von Kindern zu verhindern ist.

Jeder Bischof in jedem Winkel der Welt soll künftig wissen, dass auch er Verantwortung trägt, Misshandlungen aufzudecken und Täter zu stellen. Opfer fordern von Franziskus konkrete Taten - wurden aber schon vor Beginn des Gipfels in einem Punkt enttäuscht.

Schon in den 1980er Jahren kamen erste Missbrauchsfälle durch Geistliche ans Licht. In den vergangenen Jahren wurde der Druck auf die Kirche und den Papst nach Skandalen in Deutschland, Irland, Chile und den USA immer größer. Viele Gläubige haben sich deshalb von der Kirche abgewandt. Die Erwartungen sind hoch, dass Franziskus endlich einen Weg aus der Krise findet.

Die Zeit der »salbungsvollen Worte« sei vorbei, sagte Matthias Katsch vom deutschen Opferschutzverband Eckiger Tisch. Der Papst müsse nun eine Null-Toleranz-Politik durchsetzen. Pädophile Geistliche dürften keine Priester mehr sein, das Kirchenrecht müsse dazu geändert werden. Katsch war verärgert, dass der Papst bei einem Vorabtreffen zwischen Opfern und dem Vorbereitungskomitee nicht dabei war. »Das Treffen selbst war enttäuschend, weil die Organisatoren eigentlich nicht recht sagen konnten, was der Zweck war.«

Auch andere schraubten die Erwartungen herunter. »Sie werden nach vier Tagen nicht mit neuen Regeln und Vorschriften rauskommen«, sagte Missbrauchsopfer Phil Saviano. Sein Eindruck sei, dass es eher eine »Lehrstunde« für Bischöfe der ganzen Welt sein werde.

Bindende Beschlüsse können die etwa 190 Teilnehmer auf der Konferenz nicht fassen. Auch eine Abschlusserklärung steht nicht auf der Agenda. Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, warnte vor zu großen Erwartungen. »Ich befürchte, dass wir große Reformschritte nicht von einer solchen Tagung erwarten können«, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Der Donnerstag beginnt mit einem Morgengebet und einer kurzen Ansprache des Papstes in der Synodenaula. Anschließend sollen per Video Zeugenaussagen von Opfern gezeigt werden. In Arbeitsgruppen sollen bis Sonntag die drei Themen Verantwortung, Rechenschaftspflicht und Transparenz besprochen werden. Die Konferenz endet mit einer Messe und einer Abschlussrede des Papstes in der prächtigen Sala Regia im Vatikan.

Der Mitverfasser der Missbrauchsstudie im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, Harald Dreßing, rief die Kirche dazu auf, eine neutrale Kommission mit der Aufklärung zu beauftragen. Dem »Mannheimer Morgen« (Donnerstagausgabe) sagte der Leiter der Forensischen Psychiatrie am Mannheimer Zentralinstitut für Seelische Gesundheit: »Wir haben für unsere Studie ja nur anonymisierte Daten erhalten. Jetzt müsste eine neutrale Kommission die Akten einsehen und Ross und Reiter benennen. Es geht da nicht um die Befriedigung primitiver Rachegefühle.«

Die von einem Priester missbrauchte Ex-Ordensfrau Doris Wagner hält sogar ein Konzil für geboten, also eine Bischofsversammlung, die Entscheidungen zur kirchlichen Lehre trifft. »Das Ausmaß der Krise, das in der Kirche offensichtlich immer noch nicht verstanden ist, würde wahrlich ein Konzil erfordern«, sagte sie dem »Kölner Stadt-Anzeiger«. (dpa)