Das Oberste Gericht der USA hat die Berücksichtigung der Hautfarbe oder Abstammung von Bewerberinnen und Bewerbern bei der Zulassung an Universitäten für verfassungswidrig erklärt. Viele Universitäten hätten viel zu lange die Hautfarbe als »Prüfstein« angesehen - und nicht die Herausforderungen und Fähigkeiten, die ein Bewerber gemeistert oder erlangt habe, hieß es gestern in der Begründung des Supreme Courts in Washington. Auch wenn die fraglichen Zulassungsverfahren mit guter Absicht eingeführt worden seien, verstießen sie gegen die Verfassung.
Die Förderung von ethnischen Minderheiten unter dem Begriff »affirmative action« ist seit Jahrzehnten ein Reizthema in den USA. Sie sollte die Vielfalt unter den Studierenden fördern.
US-Präsident Joe Biden bezeichnete die Entscheidung als »schwere Enttäuschung«. »Wir sollten niemals zulassen, dass sich dieses Land von dem Traum wegbewegt, auf dem es gegründet wurde: dass es Chancen für jeden gibt, nicht nur für ein paar wenige«, sagte Biden im Weißen Haus. Er schloss sich den Worten von Richterin Sonia Sotomayor an, die der Mehrheitsmeinung widersprach: Das Gericht mache mit seiner Entscheidung Jahrzehnte bedeutsamen Fortschritts zunichte. »Diskriminierung gibt es immer noch in Amerika«, sagte Biden.
Zulassungspolitik diskriminierend?
Das Urteil war mit Spannung erwartet worden. Gegner der »affirmative action« hatten gegen die Zulassungsverfahren an der Elite-Universität Harvard und der Universität von North Carolina geklagt. Sie argumentierten, dass die Zulassungspolitik der Hochschulen diskriminierend sei. Das Gericht mit seiner konservativen Mehrheit hebt nun erneut eine Entscheidung in einem Jahrzehnte alten Präzedenzfall auf. Im Jahr 1978 hatte der Supreme Court entschieden, dass im Zulassungsprozess die Hautfarbe nicht der entscheidende Faktor sein dürfe - aber durchaus mit berücksichtigt werden könne. Das Gericht hielt das Urteil in späteren Entscheidungen aufrecht.
Die »affirmative action« sei nicht perfekt gewesen, teilte Ex-US-Präsident Barack Obama nach dem Urteil mit. Sie habe aber Generationen von Studenten wie seiner Frau Michelle und ihm ermöglicht, zu beweisen, dass sie dazugehören.
Das Gericht weist in seiner Begründung darauf hin, dass Universitäten weiterhin berücksichtigen könnten, wie die Hautfarbe oder die Abstammung das Leben der Bewerberinnen und Bewerber geprägt habe - »sei es aufgrund von Diskriminierung, Inspiration oder auf andere Weise«. Die ACLU wies in einer Reaktion ebenfalls auf diesen Passus hin und forderte die Universitäten auf, die Chancengleichheit zu erhöhen, indem sie etwa bei der Zulassung auf standardisierte Tests verzichteten und finanzielle Unterstützung erhöhten. Biden wies das Bildungsministerium an, zu untersuchen, welche Maßnahmen zu einer inklusiveren und diversen Studentenschaft beitragen können.
Der Supreme Court war unter dem republikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump deutlich nach rechts gerückt. Schon bei der Anhörung des Falles Ende vergangenen Jahres hat sich angedeutet, dass das Gericht die Berücksichtigung der Hautfarbe beim Zulassungsverfahren als verfassungswidrig werten könnte. Bereits vor rund einem Jahr hatte das Oberste Gericht in einer spektakulären Entscheidung das fast ein halbes Jahrhundert lang geltende Recht auf Abtreibung gekippt. Danach kam es zu landesweiten Protesten. Umfragen zufolge sinkt das Vertrauen der Bevölkerung in das Gericht, das bei den strittigsten Fragen häufig das letzte Wort hat.
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