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Generalinspekteur: Vorbereitungen für Offensive laufen

Der ranghöchste Bundeswehrsoldat war in der Ukraine ohne Öffentlichkeit unterwegs. Vor der angekündigten Offensive hat er ein Land erlebt, das im Kampf bestehen kann.

Carsten Breuer
Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr, spricht im Verteidigungsministerium in einem Interview mit einem Journalisten der Deutschen Presse-Agentur. Foto: Kay Nietfeld
Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr, spricht im Verteidigungsministerium in einem Interview mit einem Journalisten der Deutschen Presse-Agentur.
Foto: Kay Nietfeld

Die Ukraine kommt nach Einschätzung von Generalinspekteur Carsten Breuer mit Vorbereitungen für ihre Militäroffensive gegen russische Angreifer gut voran. »Mir wurde erläutert, wie der Kampf an vorderster Linie geführt wird. Der Boden ist immer noch morastig und feucht. Teilweise stehen noch große Seen auf den Feldern. Die Voraussetzungen für eine umfassende Offensive waren in den letzten Wochen noch nicht gegeben«, sagte Breuer der Deutschen Presse-Agentur in Berlin nach einem Besuch in der Ukraine. »Mir ist in allen Gesprächen aber deutlich geworden, dass Planungen für die ukrainische Offensive laufen.«

Der ranghöchste deutsche Soldat war in der vergangenen Woche in der Ukraine und hatte dort Armeechef Walerij Saluschnyj und den ukrainischen Verteidigungsminister Olexij Resnikow getroffen. Er informierte sich über Erfahrungen mit der deutschen Militärhilfe, darunter moderne Flugabwehrsysteme, Panzerhaubitzen und auch der Kampfpanzer Leopard 2.

Der Kampfpanzer wird demnach inzwischen auch in Kämpfen eingesetzt. »Was man mir verdeutlichte ist, dass er im Gefecht ist«, sagte Breuer. Insgesamt sieht er die Ukraine inzwischen deutlich besser aufgestellt. Er sagte: »Die Ukrainer haben im Moment die Ausrüstung in ihrer militärischen Toolbox, um im Kampf zu bestehen. Dass sich die Anforderungen über die Zeit anpassen, steht für mich auch außer Frage.«

Immer wieder neu abwägen

Deutlich wurde auch, dass frühere Besorgnis, Russland könne Kampfhandlungen an einem weiteren Schauplatz in Europa entfachen, aktuell weniger akut sind. Für Regierungen und Militärexperten gilt es immer wieder neu abzuwägen, welche Fähigkeiten an die Ukraine abgegeben werden können oder aber für den Schutz des eigenen Landes unverzichtbar sind.

»Man macht immer eine Lagebeurteilung und bewertet, welche Möglichkeiten ein Gegner hat, und wie und wann er sie zur Wirkung bringen könnte. Von Beginn des Krieges bis heute hat sich dieses weiterentwickelt und verändert. Man hat mittlerweile einen realistischeren Blick auf die Möglichkeiten der russischen Streitkräfte«, sagte Breuer dazu. Gerade die Ukrainer könnten gut abschätzen, »was den Russen möglich ist und was nicht«.

Der Generalinspekteur gibt der weiteren militärischen Unterstützung der Ukraine Priorität. Sie stehe »an vorderer Stelle«. Er sagte: »Der Kampf auf Leben und Tod rechtfertigt Einschränkungen in Ausbildung und Materialverfügbarkeit bei uns. Die Unterstützung der tapferen ukrainischen Streitkräfte im Kampf gegen den russischen Aggressor steht für uns an vorderer Stelle«, sagte er und bekräftigte: »Die Ukraine kämpft für uns alle.«

Lösungen aus der Not geboren

Deutsche Offiziere beobachten seit geraumer Zeit mit Interesse, welche technischen Lösungen die Ukrainer - teils aus der Not geboren - für praktische militärische Probleme finden. Als bemerkenswert gilt auch, wie schnell ukrainische Führungsstäbe ihre Positionen wechseln können und schon damit vermeiden, zum Ziel zu werden.

Breuer war in der vergangenen Woche zuerst in Polen. Dort schaute er sich die Logistik für die westliche Waffenhilfe an die Ukraine an, die er dann zwei Tage besuchte. »In Kiew haben wir in der Nacht zweieinhalb Stunden im Schutzraum des Hotels verbracht, da es Drohnen- und Raketenangriffe gab. Die Bevölkerung in der Ukraine erlebt diese Art von Bedrohung jeden Tag hautnah«, sagte er.

Der General nahm in der Ukraine auch eine starke, gesamtgesellschaftliche Widerstandsfähigkeit gegen Erschütterungen (»Resilienz«) war. Dieses Thema berührt auch aktuelle Fragen in Deutschland, weil es von der Aufstellung des Katastrophenschutzes und der Rettungsdienste bis hin zur Psychologie von Gesellschaften in Konfliktsituationen reicht.

»Ich habe eine ukrainische Gesellschaft gesehen, die Resilienz lebt. Ich bin sicher, das ist der Kern für den Erfolg ihrer Streitkräfte. Wenn man weiß, dass die Gesellschaft hinter einem steht, weiß man, wofür man an der Front kämpft«, sagte Breuer. »Ich habe nichts von Kriegsmüdigkeit erlebt, sondern einen nahezu schon unbändigen Willen, diesen Krieg nicht nur zu beenden, sondern auch zu gewinnen.«

© dpa-infocom, dpa:230510-99-634503/3