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Gegenwind für Bund im Streit um Flüchtlingskosten

Mehr Geld vom Bund für die Versorgung von Flüchtlingen - das fordern Länder und Kommunen seit langem. Bundesfinanzminister Lindner hält dagegen.

Christian Lindner
»Der Bund unterstützt die Länder bereits massiv«: Bundesfinanziminister Christian Lindner. Foto: Bernd Weißbrod
»Der Bund unterstützt die Länder bereits massiv«: Bundesfinanziminister Christian Lindner.
Foto: Bernd Weißbrod

Im Streit um die Kostenverteilung bei der Versorgung von Flüchtlingen hat die Bundesregierung erneut Kritik aus den Ländern und Kommunen auf sich gezogen. Hintergrund waren Äußerungen von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der den bisherigen Umfang der finanziellen Beteiligung des Bundes verteidigte.

»Der Bund unterstützt die Länder bereits massiv. Wir haben die Flüchtlinge aus der Ukraine alle ins Bürgergeld übernommen, das heißt, der Bund zahlt für ihren Lebensunterhalt, obwohl eigentlich die Länder zuständig wären«, sagte Lindner der »Rheinischen Post«.

Die Länder seien finanziell in einer besseren Verfassung als der Bund, der aufgrund der Krisen hohe Schulden habe aufnehmen müssen und vor gewaltigen Herausforderungen stehe. »Insofern müsste eigentlich der Bund die Länder um Unterstützung bitten und nicht umgekehrt«, sagte der FDP-Chef.

Gegenwind aus den Ländern

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein wies Lindners Aussagen zurück. »Was der Bund zahlt, reicht bei weitem nicht aus«, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. »Der Betrag von 2,75 Milliarden Euro für dieses Jahr muss mindestens verdoppelt werden. Klar war von Anfang an: Steigt die Zahl der Flüchtlinge, muss auch die Hilfssumme des Bundes steigen.«

Rhein fügte hinzu: »Wenn der Bundesfinanzminister schon jetzt - einen Monat vor dem Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt - verkündet, es werde kein zusätzliches Geld für Länder und Kommunen geben, dann bin ich sehr gespannt, welche großzügigen Hilfen der Bundeskanzler und sein Kabinett den gebeutelten Städten, Gemeinden und Landkreisen ansonsten anbieten werden.« Auf einem Bund-Länder-Gipfel mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) soll am 10. Mai über die Flüchtlingskosten beraten werden.

Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kritisierte Lindner. »Wie sich die Ampel-Parteien im Bund die Bälle zuspielen, ist ein übles Foul auf dem Rücken der Länder und Kommunen, die die Hauptlasten in der aktuellen Flüchtlingssituation tragen. Es wird höchste Zeit, dass sich die Bundesregierung aus ihrem Elfenbeinturm traut und der Realität stellt«, sagte Herrmann. Die finanzielle Unterstützung der Bundesregierung für die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen sei völlig unzureichend.

Das Argument, der Bund übernehme die Leistungen für den Lebensunterhalt der Ukraine-Flüchtlinge, wollte Herrmann nicht gelten lassen. »Längst kommen viel mehr Asylbewerber als Kriegsflüchtlinge und für alle enden die Kosten noch lange nicht bei den Lebenshaltungskosten«, sagte der bayerische Innenminister. »Es müssen auch die Gesundheitskosten, die Kosten für die Kita und Schule und vieles mehr miteingerechnet werden.«

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) entgegnete Lindner am Samstag auf Twitter: »Flüchtlingsunterbringung und Verteilung der Menschen aus der Ukraine - vollständiges Versagen des Bundes. Jetzt sollen die Landkreise, Gemeinden und Städte alleine gelassen werden. Verantwortungslos!«

Schwierige Lage der Kommunen

Der Städte- und Gemeindebund bekräftigte die schwierige Lage der Kommunen. Längst seien die Städte und Gemeinden, insbesondere bei der Unterbringung der Geflüchteten, an ihrer Belastungsgrenze, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag). Er forderte »einen Kraftakt, in dem Deutschland als größte Wirtschaft in der EU seinen Einfluss ausübt, um die Außengrenzen besser zu schützen, die Asylverfahren deutlich zu beschleunigen, die Herkunftsländer von Ausreisepflichtigen dazu zu bringen, ihre Staatsbürger zurückzunehmen und eine gerechte Verteilung [der Flüchtlinge] innerhalb der EU sicherzustellen«.

Der stellvertretende Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Heiko Teggatz, warnte vor einem Kippen der gesellschaftlichen Stimmung. »Wer immer noch nicht erkannt hat, dass die Kapazitäten für Unterbringungen in den Städten und Kommunen längst erschöpft sind, der leidet offensichtlich an Realitätsverlust«, sagte er der »Bild«-Zeitung (Samstag). »Keinen Grenzschutz, keine Obergrenze, kein Geld für die Kommunen. Das ist ein gefährlicher Cocktail, der die Stimmung im Land kippen lässt.« Er reagierte damit auf Äußerungen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

Faeser hatte den Funke-Zeitungen vergangene Woche gesagt: »Ich finde es seltsam, wenn jetzt schon - Anfang April dieses Jahres - gesagt wird, das Geld für dieses Jahr reiche nicht aus.« Der Bund habe 2022 schon 4,4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt und Sozialleistungen für Flüchtlinge aus der Ukraine übernommen. Ferner habe er Ländern und Kommunen frühzeitig 2,75 Milliarden Euro an zusätzlicher Unterstützung zugesagt. Die Zahl der Flüchtlinge zu begrenzen, lehnte Faeser in dem Interview ab.

© dpa-infocom, dpa:230410-99-266831/2