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Gaza-Konflikt: Biden unterstützt Waffenruhe

Der Nahost-Konflikt setzt US-Präsident Biden unter Druck. In einem Telefonat mit Israels Regierungschef Netanjahu erklärt er seine Unterstützung für eine Waffenruhe - die aber noch nicht absehbar ist.

Joe Biden
US-Präsident Joe Biden spricht sich im Nahost-Konflikt für eine Waffenruhe aus. Foto: Evan Vucci/AP/dpa
US-Präsident Joe Biden spricht sich im Nahost-Konflikt für eine Waffenruhe aus. Foto: Evan Vucci/AP/dpa

WASHINGTON. Im Nahost-Konflikt zwischen Israel und militanten Palästinensern hat US-Präsident Joe Biden seine Unterstützung für eine Waffenruhe erklärt.

Das habe Biden in einem Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zum Ausdruck gebracht, teilte das Weiße Haus mit. Der US-Präsident habe mit Netanjahu auch über Bemühungen der Vereinigten Staaten gemeinsam mit Ägypten und anderen Partnern für eine solche Waffenruhe gesprochen.

Netanjahu kündigte nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts an, die Angriffe im Gazastreifen würden fortgesetzt. »Die Weisung lautet: Die Schläge gegen Terrorziele gehen weiter«, sagte er. Es gehe darum, dass »Ruhe und Sicherheit für alle israelischen Bürger wiederhergestellt werden«. In der Nacht auf Dienstag gab es laut Augenzeugen wieder heftige Luftangriffe auf den Gazastreifen. Militante Palästinenser feuerten wieder Raketen auf Israel ab: Im Süden des Landes wurde der Armee zufolge abermals Raketenalarm ausgelöst.

Biden sieht sich zunehmendem Druck ausgesetzt, stärker für ein Ende der Gewalt einzutreten. In der diplomatisch formulierten Mitteilung des Weißen Hauses blieb er allerdings hinter Forderungen nach einer sofortigen Waffenruhe auch aus seiner eigenen demokratischen Partei zurück. Die USA sind Israels wichtigster Verbündeter.

Das Weiße Haus teilte weiter mit, Biden habe in dem Telefonat mit Netanjahu erneut seine Unterstützung für Israels Recht auf Selbstverteidigung bekräftigt. Zugleich habe er Israel ermutigt, »alle Anstrengungen zu unternehmen, um den Schutz unschuldiger Zivilisten zu gewährleisten«. Es war Bidens drittes Telefonat mit Netanjahu seit dem Wiederaufflammen der Gewalt. Erstmals seit seinem Amtsantritt vor knapp vier Monaten hatte Biden am Samstag auch mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas gesprochen.

Mit israelischen Angriffen gegen Ziele im Gazastreifen und dem Beschuss israelischer Städte durch militante Palästinenser ging der Konflikt unterdessen in die zweite Woche. Nach palästinensischen Angaben trafen israelische Raketen auch ein medizinisches Labor im Viertel Rimal in Gaza-Stadt, das als zentrale Stelle für Corona-Tests und -Impfungen diente.

Die israelische Armee tötete nach eigenen Angaben gezielt einen ranghohen Militärkommandeur des Islamischen Dschihad im Gazastreifen. Hasem Abu Harbid, der Leiter des nördlichen Kommandos der militanten Organisation, soll für mehrere Anschläge auf israelische Zivilisten und Soldaten sowie für Raketenangriffe auf Israel verantwortlich gewesen sein.

Weitere Angriffe richteten sich nach Angaben der Armee gegen fünf Häuser von hochrangigen Kommandeuren der islamistischen Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert. Die Wohnanlagen hätten als »Infrastruktur des Terrors« gedient, hieß es. Sie hätten Kommando- und Kommunikationszentralen sowie Waffenlager beherbergt. Ein weiterer Luftangriff zerstörte demnach die wichtigste Operationszentrale der internen Sicherheitsabteilung der Hamas.

Das Gesundheitsministerium in Gaza beklagte, dass bei einem der Angriffe in Rimal ein medizinisches Labor schwer beschädigt worden sei. Der Gesundheitsdienst könne deshalb keine Corona-Tests und -Impfungen mehr durchführen. Verschärft werde die Pandemielage noch dadurch, dass mehr als 40.000 Menschen vor den Luftangriffen Schutz in völlig überfüllten Zivilschutzbunkern suchten.

Militante Palästinenser in dem Küstengebiet beschossen die südlichen israelischen Städte Beerscheva, Aschkelon und Aschdod. Acht Israelis erlitten leichte Verletzungen, wie der Rettungsdienst Magen David Adom mitteilte. Aus dem Libanon wurden sechs Raketen in Richtung Israel abgefeuert, die allesamt auf libanesischen Boden fielen, wie die israelischen Streitkräfte am Montagabend mitteilten. Als Reaktion habe das Militär mit Artillerie auf die Angreifer gefeuert.

Angesichts des anhaltenden Blutvergießens auf beiden Seiten wehrte sich die Biden-Regierung am Montag gegen Kritik, sie trete nicht vehement genug für ein Ende der Gewalt ein. Die USA setzten in dem Konflikt auf »stille intensive Diplomatie«, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki. Zuletzt hatten 29 demokratische Senatoren in einer gemeinsamen Stellungnahme »ein sofortiges Waffenstillstandsabkommen« verlangt. Der Minderheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, kritisierte dies als Versuch, »Terroristen, die Israel angreifen«, gleichzusetzen mit einer »Nation, die sich selber verteidigt«. Die USA müssten eng an der Seite Israels stehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte in einem Telefongespräch mit Netanjahu die fortgesetzten Raketenangriffe aus Gaza erneut scharf. Sie habe Netanjahu die Solidarität der Bundesregierung zugesichert und das Recht Israels bekräftigt, sich in Selbstverteidigung gegen die Angriffe zur Wehr zu setzen, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin mit. Zugleich brachte Merkel »angesichts der vielen Zivilisten auf beiden Seiten, die ihr Leben verloren haben, ihre Hoffnung auf ein möglichst zeitnahes Ende der Kampfhandlungen zum Ausdruck«, so Seibert.

Frankreichs Regierung setzt dabei auf die Vermittlerrolle Ägyptens und des jordanischen Königs Abdullah II. Dies teilte Präsident Emmanuel Macron nach einem Treffen mit seinem ägyptischen Kollegen Abdel Fattah al-Sisi in Paris mit. Die Vermittlung könne Vertrauen wiederherstellen und eine mögliche Waffenruhe begleiten, so Macron.

Der jüngste Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern hatte sich an Spannungen in Jerusalem entzündet. Dazu trugen drohende Zwangsräumungen für palästinensische Familien im von Israel annektierten Ostteil Jerusalems ebenso bei wie das harte Einschreiten der israelischen Polizei bei Zusammenstößen auf dem Tempelberg (Al-Haram al-Scharif) in der Altstadt von Jerusalem. Die religiösen Stätten in der Altstadt sind sowohl Juden als auch Muslimen heilig.

Eskaliert war der Konflikt am Montag vergangener Woche. Nach Angaben des israelischen Militärs feuerten militante Palästinenser seither mehr als 3350 Raketen auf Israel ab und töteten damit zehn Menschen. Mehr als 300 seien verletzt worden. Zum Vergleich: Während des 51-tägigen Gaza-Krieges im Jahr 2014 wurden insgesamt 4481 Raketen auf Israel abgefeuert.

Die weitaus meisten Raketen werden vom Abwehrsystem Eisenkuppel (»Iron Dome«) abgefangen, mit dem Israel sein Staatsgebiet schützt. Umgekehrt griff das israelische Militär nach eigenen Angaben bisher mehr als 1200 Ziele im Gazastreifen an. Das Gesundheitsministerium in Gaza bezifferte die Zahl der Getöteten seit Beginn der Eskalation auf 212, darunter 61 Kinder. Verletzt worden seien 1400 Menschen. (dpa)