Berlin (dpa) - Der geplante Ausbau der Ganztagsplätze an Grundschulen gehört zu den teuersten familien- und bildungspolitischen Vorhaben der großen Koalition.
Bis zu sieben Milliarden Euro Investitionskosten plus laufende Betriebskosten von bis zu vier Milliarden Euro pro Jahr werden dafür veranschlagt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat nun eine Studie vorgelegt, die zeigen soll, dass der Ausbau zwar viel kosten wird, aber auch viel Geld in die Steuer- und Sozialkassen spülen könnte. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) zeigte sich am Montag außerdem gesprächsbereit, die Länder bei der Finanzierung stärker als geplant zu unterstützen.
Der Ausbau der Ganztagsplätze werde sich zu einem substanziellen Teil selbst finanzieren, sagte DIW-Bildungsexpertin Katharina Spieß bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Darin wurden verschiedene Szenarien durchgerechnet. Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss, dass durch den Ausbau der Ganztagsplätze das Arbeitsvolumen von Müttern mit Grundschulkindern um drei bis sieben Prozent wachsen könnte. Das führe zu Steuermehreinnahmen und höheren Einnahmen in den Sozialkassen und auf der anderen Seite zu weniger Ausgaben für Sozialleistungen wie Kinderzuschlag oder Wohngeld. Das DIW rechnet mit einem Plus für den Staat von bis zu zwei Milliarden Euro pro Jahr.
Zum Hintergrund: Ab 2025 sollen - so hat es die große Koalition vereinbart - alle Kinder in Deutschland von der ersten bis zur vierten Klasse einen Anspruch auf Ganztagsbetreuung haben, an fünf Tagen in der Woche, für acht Stunden am Tag. Gerechnet wird damit, dass bei einen angenommenen Betreuungsbedarf von 75 Prozent der Grundschüler bis zu eine Million zusätzliche Plätze geschaffen werden müssten. Die Kosten für den Ausbau für Räumlichkeiten und Gebäude an den rund 15 000 Grundschulen in Deutschland werden auf fünf bis sieben Milliarden Euro geschätzt. Dazu kommen prognostizierte laufende Betriebskosten pro Jahr von bis zu vier Milliarden Euro.
Dass der Ganztagsausbau auch Geld einbringen werde, sei ein Argument, was bisher noch gar nicht bewertet worden sei, sagte Familienministerin Giffey am Montag in Berlin. »Ja es kostet was, aber nichts, was du für Kinder tust, ist jemals verschwendet, und deswegen ist jeder einzelne Euro sowieso schon sein Geld wert«, sagte sie. »Aber was wir hier sehen ist, dass da auch noch etwas bei rauskommt, und das ist doch gut.«
Die Familienministerin erhofft sich Rückenwind durch die Studie, denn die Kostenfrage war von Anfang an ein großer Streitpunkt. Der Bund will den Ländern bisher zwei Milliarden Euro zur Verfügung stellen, um in den Ausbau der Ganztagsplätze zu investieren. Länder, Städte und Gemeinden hatten immer wieder kritisiert, dass sei viel zu wenig. Wer einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung verspreche, müsse diesen auch bezahlen, hatte zum Beispiel Schleswig-Holsteins Familienminister Heiner Garg (FDP) gesagt.
Giffey signalisierte am Montag Entgegenkommen: Es gebe Gespräche mit den Ländern und dem Bundesfinanzministerium, inwieweit sich der Bund über die zwei Milliarden hinaus beteiligen könne. Dabei gehe es auch um eine mögliche Beteiligung an den laufenden Betriebskosten nach dem Ganztagsausbau. »Aber für uns ist erstmal wichtig, dass wir diese zwei Milliarden, die als Anfangspaket vorliegen, gut umsetzen, und dass wir in diesem Jahr den Rechtsanspruch auch tatsächlich ins Gesetz bringen«, sagte die SPD-Politikerin.
Dass da noch schwierige Verhandlungen bevorstehen, ist allen klar. »Es ist wichtig, dass wir das jetzt angehen, auch wenn noch eine große Wegstrecke bis zur Umsetzung vor uns liegt«, sagte die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Katja Mast. Die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Katja Dörner, forderte, Giffey müsse bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs »endlich auf die Tube drücken«. Der FDP-Familienpolitiker Matthias Seestern-Pauly kritisierte, dass das Vorhaben sich hinzieht - auf den lange angekündigten Rechtsanspruch warte man vergebens, sagte er.
Neben der Finanzierung gibt es noch ein anderes ungelöstes Problem, das mit dem Ganztagsausbau einhergeht: Der Mangel an Fachkräften im Erzieherbereich wird sich dadurch voraussichtlich noch einmal deutlich verschärfen. Für die neu zu schaffenden Ganztagsplätze werden voraussichtlich mehr als 33.000 zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher an den Grundschulen gebraucht, wie eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg vor einer Woche gezeigt hatte.