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G7-Staaten geben 4,5 Milliarden für Kampf gegen Hungerkrise

Experten befürchten die schlimmste Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs: Die Zahl der Hungernden steigt dramatisch. Die G7 sagen Geld zu - doch auf eine wichtige Fragen gibt es keine Antwort.

G7-Gipfel
Das dreitägige Treffen wirtschaftsstarker Demokratien geht mit der Verabschiedung einer Abschlusserklärung und einer Pressekonferenz des Gastgebers, Bundeskanzler Scholz, zu Ende. Foto: Peter Kneffel
Das dreitägige Treffen wirtschaftsstarker Demokratien geht mit der Verabschiedung einer Abschlusserklärung und einer Pressekonferenz des Gastgebers, Bundeskanzler Scholz, zu Ende.
Foto: Peter Kneffel

Im Kampf gegen eine drohende Hungerkrise verpflichten sich die G7-Staaten, weitere 4,5 Milliarden US-Dollar für die weltweite Ernährungssicherheit bereitzustellen.

Der Hunger in der Welt sei »eine noch größere Herausforderung geworden durch den russischen Überfall auf die Ukraine«, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Gipfel der führenden demokratischen Wirtschaftsmächte am Dienstag in Bayern. »Wir haben gegenwärtig 345 Millionen Menschen, von denen wir wissen, dass sie nicht ausreichend zu essen haben. Das sind viermal so viele, wie in Deutschland leben.«

Die G7-Staaten riefen Russland in einer Erklärung auf, die Blockade der ukrainischen Häfen ohne Bedingungen zu beenden. Weizensilos und andere landwirtschaftliche Infrastruktur dürften nicht länger zerstört werden. »Diese (Aktivitäten) können nur als geopolitisch motivierter Angriff auf die globale Ernährungssicherung gewertet werden«, hieß es. Entwicklungsorganisationen bemängelten, die Zusagen reichten nicht aus.

Am Montag hatte Kanzler Olaf Scholz gesagt, die G7 bemühten sich, Getreideexporte aus dem Kriegsgebiet zu ermöglichen. Die Ukraine und Russland sind die größten Weizen-Exporteure weltweit. Normalerweise decken sie knapp ein Drittel des globalen Bedarfs. Weil Russland die ukrainischen Häfen blockiert, kann viel Getreide aber nicht exportiert werden. Geringere Mengen haben zudem zumindest zeitweise die Preise auf den Weltmärkten hochgetrieben. Länder in Afrika und Asien drohen deshalb unversorgt zu bleiben.

Corona und Krieg verschärfen die Lage

Das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen geht davon aus, dass die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine die weltweite Hungerkrise auf extreme Weise verschärft haben. Aktuell leiden demnach 345 Millionen Menschen in 82 Ländern Hunger. Innerhalb von gut zwei Jahren habe sich die Zahl mehr als verdoppelt. Laut Experten droht die schlimmste humanitäre Krise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Als katastrophal gilt die Lage in Äthiopien, Nigeria, dem Südsudan, dem Jemen, Afghanistan und Somalia.

Scholz sprach von einer »existenziellen Bedrohung« besonders in Ländern Afrikas. »Wir wollen deshalb auch handeln und haben deshalb ein globales Bündnis für Ernährungssicherheit geschmiedet«, sagte er. Ein hochrangiger US-Regierungsvertreter warf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, »Lebensmittel als Kriegswaffe« einzusetzen. Von den Vereinigten Staaten kommen den Angaben zufolge mehr als die Hälfte der zugesagten Finanzhilfen, genauer 2,76 Milliarden Dollar (2,61 Milliarden Euro). Zwei Milliarden Dollar würden zur Rettung von Menschenleben durch direkte humanitäre Maßnahmen eingesetzt, 760 Millionen Dollar seien für kurz- und mittelfristige Nahrungsmittelhilfe vorgesehen.

Entwicklungsorganisationen fordern mehr

Die Mittel der G7-Staaten für die globale Ernährungssicherheit summieren sich damit seit Jahresbeginn auf mehr als 14 Milliarden US-Dollar. Entwicklungsorganisationen halten das für deutlich zu wenig. Kanzler Scholz sei es nicht gelungen, als Gastgeber des G7-Gipfels ausreichend Zusagen gegen die Hungerkrise zu gewinnen, kritisierte der Direktor von One Deutschland, Stephan Exo-Kreischer. Das Welternährungsprogramm benötige in diesem Jahr 21,5 Milliarden US-Dollar. »Außerdem haben die G7 noch nicht beantwortet, wie sie dazu beitragen möchten, die Blockade am Schwarzen Meer aufzulösen, damit der ukrainische Weizen endlich bei den Menschen ankommt, die es dringend benötigen«, betonte er.

Oxfam Deutschland bezeichnete die Gipfel-Beschlüsse als »Blendwerk, das vom historischen Versagen der G7 ablenken soll«. Um den Hunger zu beenden und die Hilfsaufrufe der Vereinten Nationen zu finanzieren, seien mindestens 28 Milliarden US-Dollar zusätzlich erforderlich. Es fehle zudem ein Schuldenerlass. Auf jeden Dollar an Hilfsgeldern kämen zwei Dollar, die einkommensschwache Länder an ihre Gläubiger zahlen müssten. »Die G7 hätten sich darauf verständigen müssen, dass diese Schulden gestrichen werden«, kritisierte Oxfam.

Nun drohe sich Geschichte zu wiederholen: Schon auf dem vergangenen G7-Gipfel in Elmau hätten sich die Staats- und Regierungschefs verpflichtet, die Zahl der Hungernden um 500 Millionen zu verringern. Stattdessen gebe es nun 335 Millionen mehr Hungernde auf der Welt.

© dpa-infocom, dpa:220628-99-827937/6