Nordrhein-Westfalens Arbeits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) hat der Bundesregierung vorgeworfen, bei ihren Steuerentlastungsplänen Menschen mit geringen Einkommen zu übersehen. Auch aus anderen Richtungen werden Forderungen nach Entlastung bedürftiger Bürger laut.
»Die, die wenig verdienen und dementsprechend auch in geringem Umfang Steuern zahlen, sind aus fast allen Entlastungen, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat und nach den bisher bekannten Aussagen noch bringen möchte, rausgefallen«, sagte Laumann der »Westdeutschen Allgemeinen Zeitung«.
Allein in NRW arbeiteten 1,6 Millionen Menschen für den Mindestlohn oder wenig mehr. Weil diese Geringverdiener keine oder nur wenig Steuern bezahlten, hätten sie zum Beispiel von der Erhöhung der Kilometerpauschale praktisch nichts.
Laumann führte ein Rechenbeispiel an: Ein Arbeitnehmer, der den niedrigsten Steuersatz von 14 Prozent bezahle und theoretisch 2000 Euro Kilometerpauschale absetzen könne, bekomme 280 Euro über die Steuer zurück. Wer den Spitzensteuersatz von 42 Prozent zahle und 2000 Euro Kilometerpauschale absetzen könne, bekomme 840 Euro.
Niedriglohnempfänger benötigten »eine an ihre Lebensumstände angepasste, bessere Entfernungspauschale«, forderte Laumann. Diese Menschen müssten auch deutlich von den steigenden Preisen entlastet werden.
Sozialverband will Debatte über Umverteilung von Vermögen
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) kritisiert die Steuerentlastungspläne von Finanzminister Christian Lindner (FDP) als »Schlag ins Gesicht für Rentnerinnen und Rentner, Geringverdienende sowie viele andere Menschen«. »Es muss dringend und in erster Linie Entlastungen für die unteren und mittleren Einkommen geben«, forderte SoVD-Präsident Adolf Bauer in Berlin. Er sei nur noch sprachlos, wenn Lindner ein Paket, bei dem 70 Prozent der Entlastungen den 30 Prozent mit dem höchsten Einkommen zu Gute kämen, für sozial ausgewogen halte.
Bauer wandte sich gegen das Verbreiten von »Schreckensszenarien« wie die Warnung vor sozialen Unruhen. »Die Diskussion rund um die Steuerpläne von Finanzminister Lindner zeigt aber auch, dass wir sehr dringend eine ernsthafte Debatte über soziale Gerechtigkeit und die Umverteilung von Vermögen führen müssen«, sagte der Verbandschef.
Weil erwartet Hilfe für Bedürftige vom Bund
Angesichts der drastisch gestiegenen Energiepreise fordert der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil vom Bund Unterstützung für bedürftige Bürger. »Meine klare Erwartung ist, dass die Bundesregierung diesen Menschen hilft, gut durch Herbst und Winter zu kommen«, sagte der SPD-Politiker der »Welt am Sonntag«. Ein Zaudern des Staates wäre sozialer Sprengstoff.
Er gehe davon aus, dass Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) trotz der Schuldenbremse in der Verfassung mehr Kredite in Kauf nehmen werde. »Wenn wir jetzt nicht eine Notlage im Sinne des Grundgesetzes haben, wann dann?«, sagte Weil der Zeitung. Bei einer Reform des Wohngeldgesetzes müsse der Kreis der Wohngeldberechtigten deutlich vergrößert werden.
Bartsch schlägt »Wintergeld« vor
Zur Abfederung der hohen Kosten schlägt Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen ein staatliches »Wintergeld« vor. »Für kleine und mittlere Einkommen brauchen wir ein einmaliges Wintergeld gegen Inflation und explodierende Heizkosten: 1500 Euro pro Haushalt plus 600 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied«, sagte Bartsch der »Rheinischen Post« (Samstag). »Zur Finanzierung schlagen wir die Einführung einer Übergewinnsteuer und den Einstieg in eine große Steuerreform vor.«
Die Profiteure der Krise und der »deutsche Geldadel« müssten ihren Beitrag für den Zusammenhalt des Landes leisten, forderte Bartsch. »Für die Milliardäre unseres Landes sollte es einen Wintersoli - eine einmalige Vermögensabgabe - geben, mit dem die Entlastungen und die Deckelung der Energiepreise finanziert werden könnten.«
Studentenwerk: Lage der Studierenden dramatisch
Das Deutsche Studentenwerk mahnt derweil dringend Unterstützung für Studentinnen und Studenten angemahnt. »Die Lage ist dramatisch«, sagte der Generalsekretär des Studentenwerks, Matthias Anbuhl, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag). »Die Steigerung der Preise für Strom und Heizen trifft die Studierenden hart - ebenso wie die Lebensmittelpreise.« Nötig seien für diesen Winter weitere Hilfen - nicht nur für Bafög-Empfänger. »Und wir brauchen einen Fonds, der einspringt, wenn Studierende ihre Miete nicht mehr zahlen können.« Anbuhl forderte von der Bundesregierung zugleich eine Bafög-Erhöhung.
Von den von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vorgelegten Steuerplänen sollen 48 Millionen Bürger ab 2023 profitieren. Es geht um mehr als zehn Milliarden Euro Entlastung. Prozentual werden Geringverdiener demnach deutlich stärker entlastet als Gutverdiener - in absoluten Zahlen sieht das aber anders aus. Auch Politiker der Koalitionspartner Grüne und SPD im Bund sehen eine soziale Schieflage.
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