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Fluchtkorridore: Kiew und Moskau werfen sich Behinderung vor

Am Donnerstag hatten sich beide Seiten auf humanitäre Korridore verständigt. Nun werfen sich Kiew und Moskau Beeinträchtigungen vor. Indes konzentrieren sich russische Truppen auf die Einkreisung Kiews.

Lwiw
Eine Mutter mit ihrem Kind auf einer Straße in Lwiw während Luftalarm-Sirenen ertönen. Foto: Pau Venteo
Eine Mutter mit ihrem Kind auf einer Straße in Lwiw während Luftalarm-Sirenen ertönen.
Foto: Pau Venteo

Einen Tag nach einer zweiten Runde von Verhandlungen haben sich Kiew und Moskau gegenseitig die Behinderung von Fluchtkorridoren für Zivilisten vorgeworfen.

»Die Ukraine hat alle notwendigen Anfragen an internationale Organisationen zur Schaffung spezieller Korridore (...) abgeschickt«, sagte die ukrainische Vizeregierungschefin Olha Stefanischtschyna laut einer Mitteilung. »Leider gab es dazu keine Zustimmung der russischen Seite.«

Aus dem russischen Außenministerium hieß es hingegen, man habe sich bezüglich der Korridore mit den Vereinten Nationen in Verbindung gesetzt. Vize-Außenminister Sergej Werschinin habe dabei auch »den destruktiven Charakter der Aktionen der ukrainischen Behörden« betont, »die den freien Austritt der Zivilbevölkerung in sichere Gebiete entlang der von russischer Seite eingerichteten humanitären Korridore verhinderten«, hieß es aus Moskau.

Einkreisung Kiews

Russische Truppen setzen nach ukrainischen Armeeangaben ihren Vormarsch auf die Hauptstadt Kiew fort. »Die Hauptanstrengungen der Besatzer konzentrieren sich auf die Einkreisung Kiews«, heißt es im Morgenbericht der ukrainischen Armee.

Es wurden zunächst keine Angaben zu Kämpfen rund um die Millionenstadt gemacht. Die Stadt löste seit Mitternacht mehrfach Luftalarm aus. Die Bewohner sollten sich in Luftschutzbunker in Sicherheit bringen.

Verteidigungsminister Oleksij Resnikow berichtete, dass die ukrainische Marine ihr Flaggschiff »Hetman Sahajdatschnyj« selbst versenkt habe, damit es nicht den Gegnern in die Hände falle. Die Fregatte lag zur Reparatur vor Anker.

Truppen vom Flugplatz Hostomel abgezogen

Laut ukrainischer Darstellung haben sich russische Truppen von dem strategisch wichtigen Flugplatz Hostomel nordwestlich von Kiew zurückgezogen. Die südukrainische Hafenstadt Mariupol sei inzwischen aber komplett von feindlichen Kräften eingeschlossen. »Der Feind hatte einen erheblichen technischen Vorteil«, hieß es. Zudem sei das Flugabwehrsystem an der Schwarzmeerküste angegriffen worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Nach Angaben von Verteidigungsminister Resnikow halten ukrainische Kräfte an strategisch wichtigen Orten den Angreifern Stand, etwa in den nordostukrainischen Gebieten Sumy und Tschernihiw. »Der Feind ist verwirrt und eingeschüchtert«, schrieb Resnikow bei Facebook. Die ukrainischen Streitkräfte hätten ungeheure Mengen an Militärtechnik und Waffen erbeutet sowie mehr als 10.000 russische Soldaten getötet, behauptete er. Der Generalstab hatte kurz davor noch von gut 9100 getöteten Gegnern gesprochen.

Cherson im Süden der Ukraine gefallen

Die US-Regierung geht zudem davon aus, dass die Gebietshauptstadt Cherson im Süden der Ukraine höchstwahrscheinlich von der russischen Armee kontrolliert wird. »Es gibt gewiss Anzeichen dafür, dass (die Russen) das tun«, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby am Abend dem Sender CNN. Man müsse aber vorsichtig sein, die US-Amerikaner hätten niemanden vor Ort, der das bestätigen könne. »Wir können es also nicht mit Sicherheit sagen, aber wir haben keinen Grund, an den Berichten zu zweifeln, die von den Ukrainern selbst kommen, dass die Russen in Cherson sind.«

© dpa-infocom, dpa:220304-99-379474/13