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Flüchtlingsgipfel: Mehr Kooperation - noch kein neues Geld

Die Erwartungen an den Flüchtlingsgipfel waren hoch. Erfüllt wurden sie größtenteils nicht. Immerhin sollen neue Strukturen zur Zusammenarbeit den Druck aus dem Kessel zu nehmen.

Flüchtlingsgipfel
Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, Peter Beuth (CDU), Innenminster von Hessen, verabschieden sich nach dem Flüchtlingsgipfel. Foto: Kay Nietfeld
Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, Peter Beuth (CDU), Innenminster von Hessen, verabschieden sich nach dem Flüchtlingsgipfel.
Foto: Kay Nietfeld

Bei einem Flüchtlingsgipfel in Berlin haben Bund, Länder und Kommunen eine bessere Abstimmung zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen vereinbart. Unter anderem soll ein digitales »Dashboard« zur Migration künftig bis auf die Landkreis-Ebene hinunter für »Transparenz« sorgen. Vereinbarungen über Geld vom Bund gab es nicht.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: »Allein im Jahr 2022 hat der Bund die Länder und Kommunen finanziell mit 3,5 Milliarden unterstützt, für dieses Jahr haben wir 2,75 Milliarden vereinbart.« Es gebe einen klaren Fahrplan, um die Finanzierung weiter zu regeln und Bilanz zu ziehen. »Hierüber werden auch der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten an Ostern weiter verhandeln«, fügte sie hinzu.

Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, zeigte sich mit den Ergebnissen in der Summe unzufrieden. Er sagte: »Wir brauchen in Deutschland jetzt dringend Entlastung für die, die kommunale Verantwortung tragen.« Der für die Unterbringung von Flüchtlingen erforderliche Wohnraum sei begrenzt. Ehrenamtliche und hauptamtliche Helfer stünden nicht mehr in ausreichender Zahl zur Verfügung. Dass der Bund nun angekündigt habe, Liegenschaften des Bundes auf eigene Kosten für die Unterbringung herzurichten, sei gut. Faeser sagte, die Immobilien würden mietzinsfrei überlassen, Sanierungskosten würden vom Bund erstattet.

Forderung nach mehr Regulierung

Nicht alle Probleme seien mit Geld zu lösen, sagte Hessens Innenminister, Peter Beuth (CDU). Er betonte: "Die Migration nach Europa muss stärker reguliert werden." Auch bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber müsse es Fortschritte geben. Das forderte auch Andreas Roßkopf, bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zuständig für die Bundespolizei. "Die bisherige Koordination der
Behörden untereinander, etwa zwischen Ausländer- und
Strafverfolgungsbehörden ist katastrophal", sagte er der Mediengruppe Bayern. Die Polizei scheitere bei der Rückführung häufig an diesem Zuständigkeitsgerangel.

Der neue Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp, dämpfte allerdings die Erwartungen. Er verwies auf Afghanistan und Syrien, zwei Hauptherkunftsländer von Asylbewerbern, und sagte: »Sie können ja mit den Taliban keine Migrationspartnerschaft machen und mit Assad sowieso nicht.«

Hamburgs Innensenator, Andy Grote (SPD), sagte mit Blick auf die nun verabredeten neuen Arbeitsprozesse: »Wir beziehen die Kommunen noch stärker ein.« Ostern sei ein guter Zeitpunkt, um erneut über Geld zu sprechen. Bis dahin werde man besser einschätzen können, wie viele zusätzliche Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zu erwarten seien.

Kleiner Eklat am Rande

Für einen kleinen Eklat sorgte bei der Pressekonferenz nach der Veranstaltung der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, Hans-Günter Henneke. Während Grote sprach, verließ Henneke, der zwischen den Journalisten saß, den Saal und rief: »Heuchelei«.

Faeser hatte die Vertreter der Länder und der kommunalen Spitzenverbände eingeladen, um mit ihnen über die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern und Flüchtlingen zu sprechen. Damit reagiert sie auch auf Hilferufe aus einigen Kommunen. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine waren 2022 mehr als eine Million Menschen aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland gekommen. Darüber hinaus beantragten hier im vergangenen Jahr 217.774 Menschen aus Syrien, Afghanistan, der Türkei und anderen Staaten erstmals Asyl - so viele wie seit 2016 nicht. Der Trend zu mehr irregulärer Migration setzte sich auch im Januar dieses Jahres fort.

Harsche Kritik aus der CSU

»Frau Faesers Migrationsgipfel endet mit großen Fragezeichen und ohne eine Lösung«, kritisierte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Die Innenministerin verweigere den Kommunen finanzielle Unterstützung, sie verweigere Maßnahmen zur Begrenzung der irregulären Migration und die schnelle Rückführung von Migranten ohne Aufenthaltsrecht. Bundeskanzler Olaf Scholz (CSU) müsse endlich selbst ein Spitzengespräch organisieren, um »Unterstützung, Entlastung und Ordnung bei den Migrationsthemen zu organisieren«.

Die Parteichefin der Linken, Janine Wissler, schlug vor, zur Unterbringung von Geflüchteten weitere Gebäude des Bundes zu nutzen. Zusätzlich forderte sie: »Unbegründet leerstehende Gebäude in privatem Besitz müssen notfalls zeitweise beschlagnahmt werden, um sie sinnvoll zu nutzen.«

Das UN-Kinderhilfswerk Unicef kritisierte, der Mangel an angemessenem Wohnraum und geschulten Betreuern führe dazu, dass geflüchtete Kinder mit ihren Familien über längere Zeiträume in Einrichtungen leben müssen, die nicht kindgerecht und sicher seien. »Dies betrifft zunehmend auch unbegleitete geflüchtete Kinder, da einige Bundesländer bereits im letzten Jahr Standards bei ihrer Unterbringung und Versorgung abgesenkt haben«, teilte Unicef Deutschland mit. »Dadurch erhöht sich das Risiko, dass geflüchtete Kinder nicht ausreichend geschützt und Opfer von Gewalt werden können.«

© dpa-infocom, dpa:230216-99-613832/9