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Fünfeinhalb Jahre Gefängnis für IS-Rückkehrerin aus Bremen

2014 reist sie aus Bremen über die Türkei nach Syrien und schließt sich dort der Terrormiliz Islamischer Staat an. Vor Gericht in Hamburg werden der zweifachen Mutter grausame Verbrechen vorgeworfen.

Prozess gegen IS-Rückkehrerin
Eine IS-Rückkehrerin aus Bremen wurde am Mittwoch zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Foto: Markus Scholz
Eine IS-Rückkehrerin aus Bremen wurde am Mittwoch zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt.
Foto: Markus Scholz

Das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg hat am Mittwoch eine IS-Rückkehrerin aus Bremen zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Der Staatsschutzsenat sprach die 34 Jahre alte Mutter zweier Kinder wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, Beihilfe zum Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Versklavung schuldig.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Frau, die Ende der 1990er-Jahre als Kind zusammen mit ihren Eltern vor den Taliban aus Afghanistan nach Deutschland geflohen war, Mitglied der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) war.

Sie war demnach im April 2014 über die Türkei nach Syrien ausgereist, um ihrem Bruder zu folgen, der sich zuvor in Bremen radikalisiert hatte. Auch wenn sie in Deutschland zunächst noch ein Leben nach eher westlichen Maßstäben geführt habe, sei ihr klar gewesen, dass sie sich dem IS anschloss, sagte der Vorsitzende Richter Norbert Sakuth. Und auch, dass dieser anstrebe, »mit den Mitteln von Mord und Totschlag« eine weltumspannende Herrschaft zu errichten. »Sie war von ihrem bisherigen Leben enttäuscht und hatte schlechte Erfahrungen mit ihren bisherigen Beziehungen gehabt.«

Bei Steinigungen und Hinrichtungen zugeschaut

Im IS-Gebiet angekommen, heiratete die Deutsche den Angaben zufolge einen anderen IS-Kämpfer aus Bremen nach islamischem Ritus. Gemeinsam hätten sie regelmäßig nach Moscheebesuchen öffentlichen Bestrafungen der Terrormiliz beigewohnt. »Hierbei kam es auch zu Steinigungen und Hinrichtungen.« Dadurch, dass sie eine Wohnung von Menschen, die durch den IS vertriebenen worden waren, für sich in Anspruch nahm, habe sie sich der Beihilfe zu Kriegsverbrechen schuldig gemacht.

Nachdem ihr erster Mann - wie auch ihr Bruder - bei Kämpfen getötet worden war, ging sie nach Angaben des Richters nacheinander drei weitere Ehen mit IS-Kämpfern ein. Dreimal sei sie schwanger geworden, ein Kind sei tot geboren worden.

Der letzte Ehemann, den sie 2017 geheiratet habe, habe ihr zunächst verschwiegen, dass er eine Jesidin als Sexsklavin hielt. Die Angeklagte habe den Mann nach der Eheschließung zwar aufgefordert, die Sklavin zu verkaufen. Als dieser sich aber weigerte, habe sie sich in die Situation gefügt, indem sie Dienste der Frau, die als Zeugin und Nebenklägerin an dem Verfahren teilnahm, »als Haussklavin in Anspruch nahm«, sagte der Richter.

Der IS hatte die religiöse Minderheit der Jesiden im Nordirak 2014 überfallen, auch das Dorf der Zeugin. Männer, die nicht unmittelbar zum Islam übertraten, seien sofort getötet worden, sagte der Richter. Frauen und Mädchen seien vielfach als Sklavinnen in die IS-Gebiete verschleppt worden. »Die Zeugin leidet noch heute an ihrem mehr als dreijährigen Martyrium.«

Bei der Strafzumessung, mit der es zwei Jahre unter der Forderung der Bundesanwaltschaft blieb, berücksichtigte das Gericht unter anderem die lange Zeit, die die Angeklagte seit ihrer Flucht aus dem IS-Gebiet und ihrer Gefangennahme in einem kurdischen Lager zugebracht hatte. Erst Anfang Oktober vergangenen Jahres war sie nach Deutschland zurückgebracht und noch am Flughafen in Frankfurt festgenommen worden. Seither saß sie in Untersuchungshaft.

© dpa-infocom, dpa:220727-99-174785/5